Hannover Messe Industrie 2019

5G sorgt für Aufbruchstimmung

9. Mai 2019, 7:00 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Im Rahmen der Digitalisierung wachsen Produktion und Informationstechnik zusammen. Das sorgte auf der diesjährigen Hannover Messe bei vielen Anbietern für eine regelrechte Aufbruchstimmung: Industrie 4.0 wird mit Hilfe von 5G tatsächlich Realität. IT und Kommunikationsanbieter müssen sich in diesem Umfeld sowohl bei der Technik wie auch bei der Herangehensweise wandeln, profitieren im Gegenzug jedoch von einem derzeit schlicht unendlich erscheinenden neuen Betätigungsfeld.

Zum ersten Mal scheint die Hannover Messe Industrie (HMI) eine nachvollziehbare Konvergenz von Industrie- und IT-Themen hinbekommen zu haben. Ein wichtiger Grund dafür ist sicher ein ganz banaler: Durch den Wegfall der CeBIT nutzen viele IT-affine Ausstellerfirmen die HMI 2019 als Versuchsballon und waren zum ersten Mal oder konsequenter als bisher vertreten. Dabei standen fast immer Themen aus dem Überlapp-Bereich IT/OT (Operational Technology) im Vordergrund. Und dies ist gleichzeitig wahrscheinlich der wichtigste Grund für den Messeerfolg: Die Schlagworte IIoT, 5G, Machine Learning (ML) und künstliche Intelligenz verdeutlichen, dass genau jetzt an der Schnittstelle von Produktion und Informations­technik die spannendsten Dinge geschehen und sowohl technisch als auch wirtschaftlich für Aufbruchstimmung sorgen. Dies gilt augenscheinlich besonders für den wegen seiner Zurückhaltung bislang so gescholtenen deutschen Markt.

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Ericsson zeigte an seinem Stand eine Live-Beispiel-installation für den 5G-Einsatz. Bild: Ericsson

Einer der am meisten diskutierten Bereiche ist ohne Zweifel die Security, für die im OT-Umfeld bekanntlich ganz andere Maßstäbe als in der IT gelten. Sieht der Ablauf in der IT zum Beispiel vor, beim Bekanntwerden einer Sicherheitslücke oder gar regelmäßig Patches auf die Systeme zu spielen, so ist ein solches Vorgehen in der Produktion oft gar nicht möglich. Die aktiven (OT-)Systeme werden schlicht nicht angefasst. Udo Schneider, Security-Evangelist bei Trend Micro, erklärte, dass es künftig Ziel sein müsse, Sicherheit "by Design" in die beteiligten Geräte zu programmieren, ein jedoch langfristiges und nicht ganz einfaches Unterfangen. Außerdem riet der Trend-Micro-Mann zu einer gewissen Demut beim Auftritt der IT, andernfalls erschwere man das Zusammenwachsen gemischter Teams grundsätzlich.

Vieles im OT-Umfeld ist für die aus der IT stammenden Sicherheitsexperten generell ungewohnt. "Selbst die Sprache ist anders", erklärte Schneider weiter. Traditionell bereits seit Langem etabliert und daher auch viel weiter entwickelt seien in der Industrie allerdings die Risikoanalysen, was die Arbeit wiederum vereinfache.

Bekanntlich spielen im Security-Umfeld stets auch politische Argumente eine große Rolle: Unternehmen wollen zum Beispiel vermeiden, dass Geheimdienste aus Ost und West mithören, und setzen im Zweifel gerne auf heimische oder zumindest europäische Produkte. "Dass wir ein deutscher Hersteller sind, ist ganz klar ein Pluspunkt", erklärte Anton Kreuzer, CEO vom Endgeräteschutz-Spezialisten Drive­Lock. Damit habe man etwa bei Projekten in der öffentlichen Verwaltung große Vorteile.

DriveLock stellte auf der HMI unter ande­rem eine Smartcard-Middleware vor, die sich unter anderem für den Einsatz in Produktionsumgebungen eignet. Auch die aus der IT bekannte Schnittstellen-Siche­rungslösung ist laut DriveLock in OT-Umgebungen gefordert, und zwar notwendigerweise mit einer gewissen Intelligenz ausgestattet. Denn manche Ports - etwa an Maschinen - müssen zwar sicher geschützt sein, jedoch für legitime Wartungsarbeiten offen.

Da es gerade für den produzierenden Mittelstand schwierig bis unmöglich ist, ge­eignete IT-Security-Spezialisten als Mitarbeiter zu bekommen, gehören in diesem Bereich die sogenannten Managed Security Services zu den Mitteln der Wahl. Drive­Lock bietet dies im Kontext seiner "CyberSecurity für IIoT" ebenfalls an.

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Andreas Thülig, 5G Program Manager bei Ericsson, präsentiert einen Antennenprototypen, der nicht viel mehr Platz als ein WLAN Access Point einnimmt. Bild: jos

Rockwell Automation zeigte als Unteraussteller bei Cisco unter anderem erste industrielle Steuerprodukte, die sich in Kombination mit CIP Security nutzen lassen. CIP Security wurde von der ODVA, einem globalen Verband von Automatisierungs­unternehmen, entwickelt und soll als Erweiterung des Common Industrial Protocols (CIP) dienen, das seinerseits für Ether­net/IP als Protokoll auf Anwendungsebene fungiert. CIP Security ist laut Rockwell das erste Protokoll in der industriellen Automatisierung, das mit TLS (Transport Layer Security) den am häufigsten im Netz verbreiteten modernen Sicherheitsstandard unterstützt. Steve Ludwig, Manager Marketing Programs bei Rockwell Automation, erklärte dazu gegenüber der LANline, dass dieses Konzept zunächst die Verbin­dung zu Geräten auf vertrauenswürdige Computer und Geräte beschränke. Neben einem Schutz vor der Manipulation der Pakete verschlüsselt das System dann auch die Kommunikation, um ein unbefugtes Auslesen der Daten zu verhindern. Unter anderem zu diesem Thema bietet Rockwell in Zusammenarbeit mit Cisco Schu­lungen und Weiterbildungskurse an.

Aber nicht nur für Sicherheitsaufgaben ist es vielfach vernünftiger, sie als Dienstleistung zu beziehen, anstatt sich selbst an die Arbeit zu machen, sondern auch für die Organisation von Forschung und Entwicklung, dem Management der Zulieferkette oder der Verwaltung aller Assets aus OT und IT. Unter anderem diese Aufgabe will ServiceNow zum Beispiel für den Mittelstand übernehmen. Erst mit einem kompletten digitalen Workflow lässt sich laut dem Anbieter das Potenzial von Industrie 4.0 vollständig ausschöpfen. Ein Ziel dabei sei stets, so Detlef Krause, Vice President und General Manager Germany bei ServiceNow, im Gespräch mit der LANline, die Daten aus IT und Produktion aus ihren Silos zu holen und gewinnbringend zusammenzubringen.

Der schwedische Hersteller Ericsson zeigte an seinem Stand eine Live-Beispiel­installation für den 5G-Einsatz. Das unternehmenseigene - also private und geschlossene - 5G-Netz stellte dort die Kommunikation zwischen einem Mensch-Maschine-Kooperationssystem sicher. Der Anwendungsfall: Ein fahrender und sich dreidimensional frei bewegender Roboter macht Handreichungen für einen mensch­lichen Monteur. Offensichtlich sind Ver­kabelungen in diesem System wegen der Bewegung ungeeignet.

Auf Maschine und Werkstück befinden sich viele Sensoren für ein genaues Erfassen der Situation. Eine Kommunikation in Echtzeit ist erforderlich, damit sich Mensch und Roboter nicht stören oder gar vom Maschinenkollegen eine Gefahr ausgeht. Für die Vielzahl der Netzpunkte und die Geschwindigkeitsanforderungen erweist sich 5G als optimal geeignet.

Momentan sind die benötigten 5G-Antennen allerdings noch recht groß. Andreas Thülig, 5G Program Manager bei Ericsson, der der LANline den Beispielaufbau vorstellte, zeigte gleichzeitig jedoch einen Antennenprototypen (Bild links), der nicht viel mehr Platz als ein WLAN Access Point einnimmt.

Die HMI hatte 2019 215.000 Besucher und 6.500 Aussteller, im Vorjahr 210.000 und 5.800. Partnerland 2019 war Schweden. Die nächste Hannover Messe ist für den 20. bis 24. April 2020 geplant.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

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