Im Interview: Dr. Jens Zeyer von OVH Germany

Die RZ-Bauweise entscheidet

26. Juli 2018, 7:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper

OVH betreibt in Europa 17 Rechenzentren und offeriert vielfältige Cloud- und Service-Leistungen. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als Hyperscale-Cloud-Anbieter. Im Gespräch mit der LANline erklärt Dr. Jens Zeyer, Marketing und PR Executive bei OVH Germany, welche Veränderungen der Cloud-, Hosting- und Datacenter-Markt derzeit durchläuft und wie OVH damit umgeht. Viele Aspekte lassen sich auch auf Unternehmens-RZs übertragen.

LANline: Herr Dr. Zeyer, wie sieht nach Ihrer Einschätzung die Verteilung der Rechen- und Speicherleistung in Unternehmen beim Zusammenspiel aller Cloud-Varianten, Hosting-Varianten und dem eigenen RZ künftig aus?

Dr. Zeyer: Die Cloud ist mittlerweile im Mittelstand angekommen. Die Frage ist nun nicht länger, ob Cloud, sondern vielmehr das "Wie". Die jeweiligen Entscheidungskriterien sind dabei immer abhängig vom individuellen Geschäftsmodell sowie den internen Anforderungen auf Kundenseite. Grundsätzlich spielen aber nach wie vor die Punkte Sicherheit, Vendor Lock-in und Diversität eine große Rolle. Gerade KMUs setzen mehr und mehr auf Cloud-Strategien. Dann sind insbesondere Lösungen gefragt, die sehr End-User-freundlich sind, zum Beispiel Virtual-Desktop-Instanzen, die ein einfaches OPEX-Modell für alle Standardanwendungen wie Microsoft Office, E-Mail, Kalender und so weiter bieten. Die Digitalisierung beeinflusst auch den Arbeitsplatz der Zukunft. Mitarbeiter wollen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zunehmend orts- und zeitunabhängig arbeiten. Der damit verbundene Wunsch nach Plattform- und Geräteautonomie sowie nach mobilen Arbeitsplätzen schiebt die Cloud-Transition zusätzlich an. Darüber hinaus stellt der Nutzungstrend zu kleinen, leichten, mobilen Endgeräten neue Anforderungen an die Lokalisierung der Daten und der benötigten Rechenleistung.

LANline: Auf welche Kriterien stoßen Sie dabei bei Ihren Kundenprojekten?

Dr. Zeyer: Die eben genannte Entwicklung bietet nicht nur Mitarbeitern Vorteile, auch Unternehmen profitieren davon. Weit verzweigte Know-how- und Kooperationsnetzwerke wie im Entwicklungsbereich können auf rein lokalen Ressourcen nicht sehr effizient arbeiten. Der Trend geht dabei in vielen Unternehmen zu einer Multi-Cloud-Strategie aus Public Cloud, Private Cloud und Bare-Metal und damit einhergehend zu einer Dezentralisierung der Ressourcen. Die Datenmenge wird sich auch weiter exponenziell entwickeln. Dies gilt auch für die zu verwaltende und verarbeitende Datenmenge in Unternehmen. Der Aufwand, diese langfristig und schnellstmöglich zu verarbeiten und sicher zu speichern, ist lokal recht hoch, über einen Hoster wie OVH mit einer Cloud-Infrastruktur aber sehr gut lösbar.

LANline: Welche Punkte würden Sie dabei vornan stellen?

Dr. Zeyer: Mit der zunehmenden Datenmenge wächst auch die Abhängigkeit der Unternehmen von ihren Daten. Das bedeutet, dass zukünftig der Fokus noch mehr auf ausfallsicheren Lösungen liegen wird sowie auf Prozessen, die mit einem zeitweisen Ausfall einzelner Dienste klarkommen. Beides ist mit einer Cloud-Infrastruktur kosteneffizienter zu gestalten als mit herkömmlichen On-Premise-Lösungen. Durch Cloud-Strategien mit flexiblen Laufzeiten sinkt zudem das Investitionsrisiko in neue Technologien und Endgeräte. Auch der zum Teil sehr hohe Aufwand für Setup, Wartung und Lizenzierung fällt für ein einzelnes Unternehmen weitaus geringer aus. Damit ist die Cloud perfekt geeignet für agile und skalierbare Infrastrukturen.

LANline: Gelten in diesem Umfeld nun andere Argumente als in den vergangenen Jahren?

Dr. Zeyer: Interessant ist der Paradigmenwechsel weg von technischen hin zu soziokulturellen Herausforderungen in den Unternehmen. Zunehmend entwickelt sich hier das Bewusstsein, dass neben technischen Fragestellungen auch Herausforderungen im Änderungs-Management auf Seiten der Mitarbeiter und deren Organisation zu bewältigen sind. So können Mitarbeiter zum Beispiel Ressourcen in fast unbegrenzter Höhe abrufen und einsetzen. Damit geht mit Cloud-Infrastrukturen eine ganz andere Verantwortung einher als etwa mit Bare-Metal-Lösungen. Die Einführung einer Cloud ist eben nicht nur das Ersetzen von Technik A durch Technik B, sondern bedarf ganz neuer Prozesse und Verantwortlichkeiten.

LANline: Als Service-Anbieter stehen Sie auch unter dem besonderen Druck, effizient zu sein. Energiesparen hat sicher einen hohen Stellenwert.

Dr. Zeyer: Selbstverständlich! Energieeffizienz und Green IT sind bei OVH wichtige Themen. Seit 2003 setzen wir erfolgreich Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs in den Rechenzentren um. Zwei Ansätze sorgten dafür, dass seit 2010 keine Klimaanlagen in den neuen Rechenzentren von OVH zum Einsatz kommen - Luftkühlung und Flüssigkeitskühlung. Per Luft werden die Server direkt mit Außenluft gekühlt. Dabei spielt die Bauweise des Datacenters eine entscheidende Rolle, ansonsten ist keine optimale Verwaltung der Luftströme möglich. OVH nutzt ein Turmkonzept, bei dem kühle Luft direkt auf der Vorderseite der Server einströmt und so die Temperatur der Ventilatoren und Lufteinlässe der Maschinen reguliert. Der zweite wichtige Baustein für eine Senkung der benötigten Energiemenge ist die eigens von uns entwickelte Flüssigkeitskühlung, die sich im Chassis der Server befindet. Sie wird an wärmeintensiven Komponenten wie den Prozessoren vorbeigeleitet und nimmt dabei rund 70 Prozent der Wärme auf. Pumpen befördern im nächsten Schritt die erwärmte Flüssigkeit aus den Gehäusen, sie gelangt nach außen. Dort sind Wärmeaustauscher installiert, die dafür sorgen, dass sich die Flüssigkeit wieder abkühlt.

Jens_Zeyer
Dr. Zeyer, OVH: "Das Konzept ?30 Prozent Luftkühlung und 70 Prozent Flüssigkeitskühlung gleich null Prozent Klimaanlagen? lässt sich in fast allen neuen Rechenzentren einsetzen."

LANline: Kann dieses System als Modell dienen?

Dr. Zeyer: Das Konzept "30 Prozent Luftkühlung und 70 Prozent Flüssigkeitskühlung gleich null Prozent Klimaanlagen" lässt sich in fast allen neuen Rechenzentren einsetzen. Für den Einsatz der Kühlflüssigkeit haben wir spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Unter anderem sind die Platinen mit verschiedenen Schutz- und Meldemechanismen ausgestattet, die Fehler minimieren und im Fall der Fälle eine schnelle Behebung ermöglichen. Von der Reduzierung der benötigten Energiemenge profitiert die Umwelt, aber letztendlich auch der Kunde, da die Einsparungen auf die Preise der Server umgelegt werden.

LANline: Derzeit ist das Thema Datenschutz zum Beispiel durch die DSGVO in aller Munde. Wie tangiert dies Ihr Geschäft?

Dr. Zeyer: Wir haben uns stets für den Schutz der Daten der Kunden eingesetzt und nicht erst auf den Erlass der DSGVO zur Einhaltung des Datenschutzes gewartet. Wir setzen entsprechende Vorgaben bereits seit Jahren um. OVH war beispielsweise eine der wenigen Registrierstellen in Europa - und die einzige in Frankreich -, die im Jahr 2013 eine Ausnahme von der ICANN beantragt hat, um die neuen gTLD-Erweiterungen in Übereinstimmung mit den europäischen Rechtsvorschriften über die Speicherung personenbezogener Daten zu vermarkten. Dies machte OVH zum ersten Registrar, der neue Erweiterungen in Übereinstimmung mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung angeboten hat. Außerdem waren wir auch eines der Unternehmen hinter der Gründung des Verbands Cloud Infrastructure Service Provider in Europe, CISPE. CISPE hat einen Verhaltenskodex erstellt, dessen Ziel es ist, die korrekte Umsetzung der DSGVO durch Anbieter von Infrastructure as a Service zu fördern. Wir sind der Auffassung, dass die DSGVO sicherstellt, dass Unternehmen ihre Kunden respektieren.

LANline: Kann man auf dem deutschen Markt von der DSGVO profitieren? Wie sieht dies im europäischen und globalen Umfeld aus?

Dr. Zeyer: Wir sind besonders stolz darauf, dass das Private-Cloud-Angebot, also IaaS, von OVH eine der ersten Dienstleistungen ist, die mit dem CISPE-Verhaltenskodex für konform erklärt wurden. Wir arbeiten zudem mit unseren Kunden auch bei der Einhaltung der neuen europäischen Verordnung über personenbezogene Daten zusammen. Dabei sind für OVH in erster Linie zwei Verantwortungsbereiche wesentlich: zum einen als Verantwortlicher, also wenn OVH eigene Daten verarbeitet. Dazu gehören unter anderem Mitarbeiterdaten oder Marketingdaten. Als Verantwortlicher gelten wir dann, wenn das Unternehmen über die Zwecke und Mittel seiner Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Das ist dann der Fall, wenn OVH Daten für unter anderem Abrechnungen, Forderungs-Management, Direktmarketing und so weiter erhebt. Unsere Verpflichtungen dabei sind beispielsweise die Begrenzung der Datenerhebung auf tatsächlich notwendige Daten oder die ausschließliche Verwendung von Daten zu dem Zweck, für den diese ursprünglich erhoben wurden. Zum anderen sind wir auch Auftragsverarbeiter, wenn wir Kundendaten verarbeiteten, also Daten, die ein Kunde einer OVH-Infrastruktur hinzufügt. Dieser Fall tritt ein, wenn Kunden OVH-Dienstleistungen verwenden und personenbezogene Daten auf einer OVH-Infrastruktur speichern. Wir dürfen diese Daten nur nach Anweisungen und Auftrag des Kunden verarbeiten.

LANline: Was bedeutet das im Einzelnen?

Dr. Zeyer: Als Auftragsverarbeiter ist OVH zu mehreren Aktionen verpflichtet: Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich zur korrekten Ausführung der Dienstleistungen, keine Übertragung der Kundendaten außerhalb der EU oder außerhalb eines Drittlandes, dessen Datenschutzniveau von der Europäischen Kommission nicht als angemessen anerkannt wurde.

LANline: Ist die EU-Datenschutz-Grundverordnung in diesem Kontext eher Fluch oder Segen?

Dr. Zeyer: Die DSGVO ist für die meisten europäischen Unternehmen keine Überraschung. Schwieriger wird es für nicht-europäische Akteure: Sie haben größeren Nachholbedarf, um die neuen EU-Vorschriften einzuhalten. Für OVH ist es im Rahmen der DSGVO von Vorteil, dass das Unternehmen die gesamte Hosting-Kette selbst abdeckt, also Server, Datacenter, Netzwerk und Support. Denn innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette muss jeder Subunternehmer seinen Verpflichtungen nachkommen. Wir entwickeln außerdem derzeit ein spezielles Privacy-Tool, um unsere Nutzer zu unterstützen. Dieses Tool zeigt Anwendern, welcher Service je nach Art der Daten, die sie verarbeiten, am besten für sie geeignet ist.

LANline: Herr Dr. Zeyer, vielen Dank für das Gespräch.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu EG ELECTRONICS GmbH

Weitere Artikel zu Tufin Technologies

Weitere Artikel zu ATN Automatisierungstechnik- Testsysteme-NC Technik GmbH

Matchmaker+