Hocheffiziente Klimalösung im Bestands-RZ

Direkte freie Kühlung

6. Juni 2012, 6:00 Uhr | Dr. Astrid Fey/jos, Leiterin des IT-Referats im BIBB

Viele Ansätze zum Energiesparen klingen in der Theorie gut, bereiten jedoch Probleme, wenn es um die Realisierung in bestehenden Gebäuden geht. Wie man aus dieser Not eine Tugend macht, zeigt der Praxisbericht über ein Projekt am RZ des Bundesinstituts für Berufsbildung.Die Voraussetzungen für eine energieeffiziente Klimalösung im Rechenzentrum des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) waren denkbar schlecht: Die Räume heizten sich bei Sonne über eine große Fensterfront auf, bauliche Änderungen kamen nur bedingt in Frage, die alte Klimatechnik war hoffnungslos veraltet. Das Institut entschied sich, aus der Not eine Tugend zu machen und nutzt heute den ungehinderten Außenzugang zur direkten freien Kühlung. Mit dieser hocheffizienten Lösung schaffte es das BIBB ins "GreenIT Jahrbuch 2012" des Netzwerks GreenIT-BB.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung beschäftigt rund 650 Mitarbeiter, die sich um die Verbesserung des Ausbildungssystems in Deutschland kümmern. Die Anstalt öffentlichen Rechts, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gehört, versteht sich als Kompetenzzentrum zur Erforschung und Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Seit gut 40 Jahren erstellt das Institut wissenschaftliche Analysen, gestaltet Ausbildungsordnungen mit, unterstützt Ausbilder in den Betrieben und berät die Politik.

Im IT-Bereich erhob man früh Umweltkennzahlen, entwickelte Einsparszenarien und erweiterte die IT-Beschaffung um ökologische Vergabekriterien. Durch ein Ideen-Management wurden Verbesserungsvorschläge von Beschäftigten zur Ressourceneinsparung prämiert und umgesetzt. Kurz: Über Jahre hinweg wurde die IT-Infrastruktur modernisiert, konsolidiert und virtualisiert.

Anders als die optimierte Informationstechnik befand sich die Raumluftanlage zur Kühlung des institutseigenen Rechenzentrums 2010 jedoch auf einem völlig veralteten Stand. Das außenluftgekühlte DX-System (Direct Expansion System) stammte aus dem Jahr 1986, enthielt FCKW-haltiges Kühlmittel, verfügte nur über eingeschränkte Steuerungsmöglichkeiten der Kühlleistung und war nach heutigen Maßstäben ein regelrechter Stromfresser.

Bauliche und organisatorische Widrigkeiten, aber auch fehlende finanzielle Mittel verhinderten lange Zeit eine umweltgerechte Lösung. Zum regelrechten Problemfall entwickelte sich die RZ-Kühlung, als sich einzelne Ersatzteile für die Anlage nicht mehr beschaffen ließen.

Mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II ließ das BIBB deshalb von Experten des Bundesverwaltungsamtes ein Klimakonzept erstellen. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme aller baulichen und technischen Gegebenheiten fiel ernüchternd aus:

Großflächige Fenster begünstigen das Aufheizen der RZ-Räume durch Sonneneinstrahlung,

tragende Wände sowie Brandschutzbestimmungen verhindern die Bereitstellung einer großen und damit leicht zu kühlenden Fläche,

wasserführende Leitungen, die zur Kühlung eingesetzt werden können, sind nicht vorhanden oder müssen aufwändig aus anderen Gebäudeteilen herangeführt werden,

Eine Kalt-/Warmgang-Lösung kommt aufgrund geringer Schrankzahlen nicht in Betracht. Die umfassende Virtualisierung der Server sowie der Abbau von Hardware hatte die Anzahl an Schränken zuvor stark reduziert, und

die relativ hohe Wärmeresistenz der verwendeten IT, die geringe Wärmelast der vorhandenen Infrastruktur (etwa 18 kW) sowie die geringe Grundfläche des RZs von knapp 100 m2, aufgeteilt auf zwei Brandabschnitte und vier Räume, stehen Skaleneffekten durch leistungsstarke effiziente Kühlsysteme entgegen.

Die nachteiligen Rahmenbedingungen des Bestands-RZs schienen eine energieeffiziente und umweltgerechte Kühlung auszuschließen. Gleichzeitig überstiegen die Kosten für eine Neuanlage das vorhandene Budget. Möglichkeiten, andere Flächen in der Liegenschaft zu nutzen, gab es nicht.

Erst die Analyse verschiedener Klimakonzepte durch die Experten ergab Hinweise auf mögliche Alternativen. Weder eine reihen- noch eine Rack-basierende Architektur erwiesen sich dabei als geeignet: Für die erste Lösung war die Anzahl an Server-Schränken im RZ zu gering, die zweite setzt eine hohe Leistungsdichte oder eine unstrukturierte Geräteanordnung voraus - beides war im BIBB nicht gegeben. Im Hinblick auf die Leistungs- und Energieeffizienz schnitt überraschend eine raumbasierende Architektur am erfolgreichsten ab. Der Ansatz bestach darüber hinaus durch den geringsten Umbau-aufwand.

Installation einer direkten freien Kühlung

Blieb die Frage nach der richtigen Kühleinheit. Das bisherige Kühlsystem war aufgrund eines Lecks nicht mehr nutzbar. Aus Kostengründen kam eine Erneuerung des Rohleitungssystems über fünf Geschosse bis zum Dach nicht in Frage. Die Klimalösung, für die sich das BIBB schließlich entschied, verwandelte das größte Handicap des RZs in eine Stärke: den großflächigen, ungehinderten Zugang ins Freie. Dieser Zugang ist die Grundvoraussetzung für die noch immer selten eingesetzte direkte freie Kühlung.

Anders als bei der indirekten freien Kühlung verzichtet die direkte freie Kühlung auf jegliches Kühlmittel und saugt stattdessen kalte Luft von außen an. Die direkte freie Kühlung arbeitet bei einer Außentemperatur von bis zu 19°C alleinstehend - in Deutschland herrschen diese Bedingungen an 90 Prozent aller Tage im Jahr. Erst bei höheren Temperaturen unterstützt ein integrierter Kompressor-Kältekreislauf die Konditionierung der Luft. Parallel wird die Kälteleistung der Anlage unterstützt, indem die IT im RZ bei Raumtemperaturen zwischen 23°C und 25°C arbeitet. Mit der Durchführung des Projekts beauftragte das BIBB die Firma Dell als Generalunternehmer, die Klimatechnik stammt von Emerson Network Power.

Bis zum Start der neuen Klimatechnik Ende August 2011 waren noch einige Hürden zu überwinden: Wie lässt sich die Liegenschaft ausreichend vor Einbruch schützen? Wie verhindert man das Eindringen von kleineren Tieren, von pflanzlichen oder anderen stofflichen Partikeln? Was passiert im Fall eines Brandes vor dem Gebäude? Wie ist der Brandüberschlag am Gebäude zu verhindert? Lässt der Kompressor ein störungsfreies Arbeiten in den Büros über dem RZ zu?

Inzwischen sind auch die letzten Bedenken ausgeräumt: Um die Gebäudeoptik zu erhalten, integrierten Planer die die bauseitig vorhandenen Sonnenblenden in ihr Konzept und beließen sie vollständig, sodass die Fensteröffnungen mit angeschlossenen Klimaschränken heute nicht von den funktionstüchtigen Fenstern zu unterscheiden sind. Der eingesetzte Scroll-Kompressor ist akustisch praktisch nicht wahrnehmbar, damit tritt in den angrenzenden Büroräumen keinerlei Lärmbelastung auf.

Das Filtersystem hat sich als wartungsarm erwiesen: Sowohl das Metallsieb zur Abscheidung von Grobpartikeln als auch der G4-Hochleistungsfilter, der einströmende Luft von Feinpartikeln befreit, sind nur minimal beansprucht.

Die Lösung ist insgesamt kostengünstiger als andere Kühltechniken. "Aus unserem Problemfall RZ-Kühlung hat sich ein innovatives und viel beachtetes Projekt entwickelt, das hoffentlich viele Nachahmer findet. Unserer Erfahrung nach lohnt es sich, die Gegebenheiten vor Ort genau zu analysieren und durchaus auch unkonventionelle Wege einzuschlagen", zieht Dr. Sandra Liebscher, Umweltbeauftragte des BIBB, Bilanz.

Erst bei höheren Temperaturen unterstützt ein integrierter Kompressor-Kältekreislauf die Konditionierung der Luft. Die IT im RZ arbeitet bei Raumtemperaturen zwischen 23°C und 25°C.

Die Analyse verschiedener Klimakonzepte durch die Experten ergab Hinweise auf mögliche Alternativen zur vorhandenen Lösung. Weder eine reihen- noch eine Rack-basierende Architektur erwiesen sich dabei als geeignet. Eine raumbasierende Architektur war gefragt.
LANline.

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