Enexion-Geschäftsführer Dominik Weyland im Interview

Energieversorgungs-Sicherheit in RZs

27. September 2022, 7:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper
Enexion-Geschäftsführer Dominik Weyland: „Ein RZ-Betreiber muss sich heute nicht mehr nur mit der Frage redundanter Netzanschlüsse und Netzstabilität beschäftigen, sondern auch damit, ob überhaupt noch ein verlässlicher Stromlieferant im Sinn hinreichender Bonität und Ausfallsicherheit zu finden ist.“
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Enexion übernimmt für energieintensive Unternehmen die anbieter-unabhängige Optimierung des Strom- und Gaseinkaufs. Im Rahmen eines ganzheitlichen Energievollkosten-Managements wollen die Management-Experten für eine zuverlässige, stabile wie wirtschaftlich sinnvolle Aufstellung ihrer Kunden im Hinblick auf Energieversorgungs- und Planungssicherheit sorgen. Wie das auch in der aktuellen Situation gelingen kann, erläutert Geschäftsführer Dominik Weyland im LANline-Gespräch.

LANline: Herr Weyland, gleich eine direkte Frage zu Beginn: Wird es aufgrund von Energiemangel künftig zu Abschaltungen von Rechenzentren kommen?

Weyland: Diese Frage kann Ihnen heute niemand mit Gewissheit beantworten. Der Markt befindet sich in einer Situation erheblicher Unsicherheit, in der wir uns mit Wahrscheinlichkeiten beschäftigen müssen. Dabei kann als Gewissheit gelten, dass die Versorgungssicherheit – sowohl mit Blick auf die Commodity-Märkte als auch auf die Netzstabilität – heute nicht mehr die gleiche ist wie noch vor Jahren.

LANline: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Datacenter-Branche?

Weyland: Ein RZ-Betreiber muss sich heute nicht mehr nur mit der Frage redundanter Netzanschlüsse und Netzstabilität beschäftigen, sondern auch damit, ob überhaupt noch ein verlässlicher Stromlieferant im Sinn hinreichender Bonität und Ausfallsicherheit zu finden ist. Und dieser soll auch noch gewillt sein, eine Lieferbeziehung einzugehen. Zusätzlich besteht das Problem der Netzstabilität, wobei Netzeingriffe und Netzengpässe heute statistisch erheblich häufiger sind. Darüber können auch die relativ stabilen Ausfallzeiten im Stromnetz nicht hinwegtäuschen. Zwar sind Ausfälle länger als drei Minuten im deutschen Stromnetz nicht häufiger als früher. Allerdings bedeutet das nicht, dass die allgemeine Netzstabilität auf gleichem Niveau ist. Darüber sollte sich die Branche im Klaren sein. Die Probleme werden ja auch nicht kleiner. Die große Transformation der deutschen Volkswirtschaft im Zuge der Dekarbonisierung und insbesondere der Sektorkopplung wird erhebliche Verschiebungen zum Strom mit sich bringen. Während also die Grundlastfähigkeit gewollt heruntergefahren wird, wird der Bedarf in den kommenden Jahren erheblich steigen. Dies wird zu interessanten Fragen für die Preisentwicklung, aber eben auch für die Versorgungssicherheit führen.

LANline: Wie wirkt sich die Energiesituation auf die RZ-Standortwahl aus?

Weyland: Die Situation hat sich grundlegend gewandelt. Noch vor wenigen Jahren stand die Suche nach Liegenschaften mit guter und schneller Datenanbindung im Vordergrund. Ein Anschluss an das Stromnetz mit hinreichender Netzanschlusskapazität war häufig erst der zweite Fokus, da dieser in der Regel bereitgestellt werden konnte. Mit wachsender Größe und Anzahl von Rechenzentren in Ballungsräumen hat sich dieser Ansatz in der Zwischenzeit als schwierig herausgestellt. Netzbetreiber sehen sich vielerorts kaum noch in der Lage, die hohe Nachfrage an Netzanschlusskapazität zu bedienen, zumal in endlicher Zeit und zu vertretbaren Kosten. Dies führt dazu, dass die großen Player umdenken und beginnen, sich nach der dortigen Verfügbarkeit zu richten. In dem Dreieck der wesentlichen Herausforderungen eines RZs, nämlich verfügbares Land, Datenanbindung und Energie, hat die Energie erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Ergebnis werden Standortentscheidungen heute sehr viel mehr von den Stromnetzen vorgegeben.

LANline: Das Datacenter-Thema betrifft ja nicht allein die Hyperscaler. Welche Ratschläge geben Sie einem Mittelständler, um mit seiner IT und einem eigenen RZ krisenfester zu werden?

Weyland: Man muss nutzen, was der Markt bietet. Unmittelbare Abhilfe lässt sich nur schaffen, wenn man in Opportunitäten denkt und versucht, den Wettbewerb zu nutzen, und gegebenenfalls Bauprojekte in die eigene Hand nimmt.

LANline: Sind die politischen und juristischen Rahmenbedingungen akzeptabel?

Weyland: Das ist nur bedingt der Fall. Die Rahmenbedingungen sind in vielerlei Hinsicht nicht in Ordnung, und zwar sowohl aus Sicht der Branche als auch der Netzbetreiber. Zwei wesentliche Herausforderungen möchte ich benennen. Erstens das schon oben erwähnte Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage. Auf Angebotsseite verknappen wir erheblich unsere Erzeugungskapazitäten in der Grundlast. Dabei strapazieren wir aber auch wesentlich die Netze, indem wir die Erzeugungslandschaft technisch und geografisch erheblich verändern. Hinzu kommt die Nachfragesituation, die nicht nur aus der Branche, sondern gewollt auch gesamtvolkswirtschaftlich erheblich anziehen muss, möchte man die politisch gesteckten Ziele erreichen. Es muss sich noch zeigen, inwieweit hier das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Abhilfe schaffen kann, zumal es lediglich für Maßnahmen ab 110 kV gilt. In den niedrigeren Spannungsebenen, in denen insbesondere lokale Netzbetreiber die Leistung häufig bereitstellten müssen, gilt es eben nicht. Dies bringt uns zu der zweiten Herausforderung: die erhebliche Planungsunsicherheit, mit der Projektentwickler heute leben müssen. Es ist schwierig genug, wenn Leistungszusagen auf der Zeitschiene immer weiter in die Zukunft wandern. Bei größeren Projekten sprechen wir hier von Zeiträumen von fünf bis zehn Jahren. Gravierender ist allerdings, dass Ihnen niemand sagen kann, ob die Leistung tatsächlich erbracht werden kann, da erhebliche genehmigungsrechtliche Vorbehalte ausgesprochen werden müssen.

LANline: Das erhöht den Druck auf die Branche schon vor der Inbetriebnahme.

Weyland: Und zwar in erheblichem Umfang. Das normale unternehmerische Risiko wird unkalkulierbar in einem Land, in dem sich die Energiewirtschaft in Zeitraffer verändert, politische Eingriffe in den Markt unvorhersehbar werden und sich diese Entwicklung mit ungewissen und langwierigen Genehmigungsprozessen paart. Die Energiewirtschaft gehört heute zweifelsfrei zu den dynamischsten Politikfeldern, was für unternehmerische Planungssicherheit und damit Investitionsfreude nicht zuträglich sein kann. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Branche diese Entwicklung tolerieren kann. Schon heute wird diskutiert, welche Anwendungsfälle und Business Cases sich womöglich besser im Ausland realisieren lassen. Hier wäre mehr strategischer Weitblick wünschenswert.

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