Im Interview: Helena Liebelt, TH Deggendorf

Forschung, Lehre und viel Praxis

17. April 2023, 7:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper
„Die Entwickler aus dem Automotive- oder Chemiebereich, bei uns die großen Player, interessieren sich sehr dafür, ob ihre Top-Codes für Quanten-Computing geeignet sind“, so Prof. Dr. Helena Liebelt.
© THD

Der Fachkräftemangel ist nicht zu beheben und hemmt die Entwicklung der Rechenzentrumsbranche enorm. Bei der Hochtechnologie sind wir ohnehin abgehängt. Angesichts dieser (Vor-)Urteile kann man entweder ins Jammern verfallen oder die Ärmel aufkrempeln. Warum die zweite Option die bessere ist und wie es funktioniert, erklärte im LANline-Gespräch Frau Professor Dr. Helena Liebelt von der Technischen Hochschule Deggendorf.

Die Technische Hochschule Deggendorf (THD) bietet seit dem Wintersemester 2022/23 innerhalb der Fakultät „Angewandte Informatik“ erstmals den Studiengang Datacenter-Management an. In der niederbayerischen Kreisstadt (knapp 40.000 Einwohner) können Studierende dort nun genau die Kenntnisse „akademisch“ erlernen, die die Rechenzentrumsbranche bereits seit geraumer Zeit fordert. Um die Größenordnungen zu verdeutlichen: Die THD zählt insgesamt rund 10.000 Studierende an den Standorten Deggendorf, Pfarrkirchen und Cham. An der Informatik-Fakultät lernen rund 1.000 Studierende.

Neuer Studiengang Datacenter-Management

Der neue Studiengang ist für einen Bachelor-Abschluss auf sieben Semester plus Abschlussarbeit angelegt. Er umfasst beispielsweise Grundlagen in Mathematik, Physik, Programmierung und Datenbanken aber auch Spezialwissen wie die Energieeffizienz von Rechenzentren und Netz- ersatzanlagen. Während des fünften Semesters ist ein Betriebspraktikum Pflicht. Im LANline-Gespräch erklärte Professor Dr. Helena Liebelt, maßgeblich am Aufbau dieses Studiengangs beteiligt, um welche Besonderheiten es dabei im Detail geht.

LANline: Darüber, dass auch mehr Angebote an akademischer Ausbildung im Rechenzentrumsumfeld dringend erforderlich sind, besteht wohl kein Zweifel in der Branche. Wie entstand der RZ-Management-Studiengang in Deggendorf?

Liebelt: An der Hochschule bin ich selbst seit etwa vier Jahren tätig und hatte davor eigentlich keine klassisch akademische Laufbahn, sondern habe viele Jahre in der Industrie im HPC-Umfeld gearbeitet. Meine Stelle an der THD war zweigeteilt, jeweils zur Hälfte Professur und RZ-Leitung. Dies ergab eine durchaus spannende Konstellation aus Praxis – also tatsächlich etwas machen zu können – und Forschung und Lehre. Wenn man sich die Dimensionen des RZs ansieht, kann man es guten Gewissens mit einem gar nicht einmal so kleinen Mittelständler vergleichen.

LANline: Der Betrieb eines Rechenzentrums in diesem Umfeld hat aber bestimmt auch seine eigenen Herausforderungen.

Liebelt: Das stimmt, und dies wird sofort klar, wenn man sich die User-Gruppen ansieht. Das sind zunächst fast 10.000 Studierende, hinzu kommen die Verwaltung und außerdem die Professoren, die ja ein grundgesetzlich garantiertes Recht auf die Freiheit ihrer Forschung haben. Wir haben damals im Zuge einer Restrukturierung das IT-Zentrum gegründet, dort feste Abteilungen geschaffen und zum Beispiel einen dedizierten Support etabliert. Zudem gibt es heute ein Infrastrukturteam, dass sich unter anderem auch mit der Verkabelung oder mit den Basisdiensten wie E-Mail beschäftigt. Zu den neuen Bereichen zählen die auch IT-Security, die es dediziert zuvor so auch nicht gab, und eben das Segment IT-Management. Im Prinzip haben wir damit die Hochschule in Bezug auf die IT zukunftsfähig gemacht.

Covid-Betrieb ohne Verzögerung

LANline: Welche Auswirkungen hatte dieses Engagement auf die Lehre per Distanz bei den Pandemie-Einschränkungen?

Liebelt: Wir hatten damit eine sehr gute Ausgangsposition geschaffen, um mit den plötzlich auftretenden Anforderungen umgehen zu können. Den Covid-Betrieb, wenn man das so nennen will, konnten wir ohne einen einzigen Tag der Verzögerung aufnehmen. Ich habe aus der Tätigkeit in der Industrie immer das Motto „Be Paranoid“ mitgenommen, also lieber auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Das hat sich in dieser Situation bestens bewährt.

LANline: Hat die von Ihnen genannte Zweiteilung auch Auswirkungen auf den Inhalt von Forschung und Lehre?

Liebelt: Ganz klar ja! Genau dies macht ja gerade einen besonderen Reiz der Konstellation aus. Der Grundsatz lautet dann: Ich lebe, was ich lehre – und umgekehrt. Das Gleiche gilt auch für das Lernen. Unsere Studierenden haben die Verpflichtung, ein Praxissemester zu machen – während der Corona-Zeit ließ sich das oft nur vor Ort umsetzen – also gewissermaßen im eigenen Betrieb. Damit begegnet man aber auch dem Fachkräftemangel auf eine sehr offensive Weise, denn die Hochschule sitzt so an der Quelle für sehr, sehr gute junge Leute, die ihren Abschluss machen. Als sehr angenehmer Nebeneffekt ergibt sich dadurch auch eine Verjüngung des Teams – was schlussendlich nun zu einem sehr schlagkräftigen Altersmix geführt hat.

 

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