Energieeffizienz im Rechenzentrum

Freikühlung für alle Umgebungen

2. August 2016, 15:27 Uhr | Von Christian Kallenbach.

Viele Wege führen nach Rom. Auch für ein energieeffizientes Rechenzentrum gibt es mehr als einen Weg, die ideale Temperatur im Rechenzentrum zu erreichen und den ASHRAE-Richtlinien (American Society of Heating, Refrigeration and Air-Conditioning Engineers) zu entsprechen. Die direkte und indirekte Freikühlung versprechen immense Vorteile - vor allem in Ländern mit ganzjährig kühlem Klima.

Die Leistungsdichte in modernen Rechenzentren nimmt kontinuierlich zu. In gleichem Maße wächst auch der Energiebedarf für die Stromversorgung und effiziente Kühlung der Systeme. Analysen zeigen, dass durchschnittlich nur etwas mehr als die Hälfte des Energiebedarfs auf die eigentliche IT zurückgeht. Den anderen Teil verbraucht die versorgende Infrastruktur wie unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) und Klimatisierung. In Zahlen: Laut Bitkom-Leitfaden "Energieeffizienz in Rechenzentren" von 2015 lassen sich beispielsweise für ein deutsches Rechenzentrum mit 1.000 Quadratmetern Rechenzentrumsfläche 59 Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf die IT-Landschaft wie Server, Netzwerk und Storage anrechnen.

Hohes Sparpotenzial

Aus energetischer Sicht sollten Rechenzentrumsbetreiber ihr Augenmerk besonders auf die Kühlung richten. Darauf entfallen laut Bitkom tatsächlich bis zu 22 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs. Der Faktor Kühlung bietet ein entsprechendes Sparpotenzial: Mit dem richtigen Standort und der passenden Kühltechnik lassen sich signifikant Energie und somit Kosten sparen.

Besonders die Freikühlung hat sich dabei in den letzten Jahren zu einem beliebten Anlagensystem entwickelt. Grundsätzlich ist freie Kühlung möglich, sobald die Außentemperatur circa ein Grad Celsius unter der Rücklauftemperatur liegt. Ideal ist es allerdings, wenn die Außentemperatur etwa fünf Grad unter der Rücklufttemperatur liegt. Denn ist die Außenluft zu kalt, muss ein gewisser Anteil der Luft aus dem Rechenzentrum beigemischt werden, damit die Luft für die Server korrekt temperiert ist.

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Aus energetischer Sicht sollten Rechenzentrumsbetreiber ihr Augenmerk besonders auf die Kühlung richten. Darauf entfallen tatsächlich bis zu 22 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs.

Ist die Außenluft zu warm, muss der Betreiber zusätzlich mechanisch kühlen. Dann springen mit Wasser oder Kältemittel betriebene Kühlsysteme für Leistungsspitzen in den heißen Sommermonaten ein. Die Zulufttemperatur ist heute gewöhnlich gemäß ASHRAE-Empfehlung TC 9.9 (2011) zwischen 18 und 27 Grad Celsius eingeregelt, woraus Rücklufttemperaturen von 25 bis 40 Grad resultieren.

An Standorten mit sehr hohen Jahresdurchschnittstemperaturen ist die direkte freie Kühlung daher wenig sinnvoll. Tatsächlich betragen in nur wenigen Ländern die Temperaturen ganzjährig den passenden Wert für echte Freikühlung. Bei ausreichendem Temperaturunterschied zwischen Außenluft und Innenraum lässt sich ein Rechenzentrum auf diese Weise mit geringen operativen Kosten für die Kühlung betreiben. Dazu bieten sich Standorte in im Norden Europas an, wo Freikühlung das ganze Jahr über möglich ist.

Island beispielsweise verfügt über ein konstant kühles Klima - die Durchschnittstemperatur liegt zwischen fünf bis 13°C im Winter sowie im Sommer - und speist seine Energie aus hundertprozentig erneuerbaren Energien. Die Großen der Branche haben diesen Trend erkannt: Sie siedeln ihr Rechenzentrum in Ländern nahe des Polarkreises an, um ihre Server mit kalter Luft zu kühlen. Eine Lösung, die nicht nur kostengünstig ist, sondern die CO2-Bilanz der Unternehmen verbessert.

Fenster auf, Luft rein?

Bei der Freikühlung unterscheiden Experten zwischen direkter und indirekter Variante. Direkte Freikühlung funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Kalte Luft von außen dringt in das Rechenzentrum ein, wird gefiltert und direkt zur Kühlung verwendet - vergleichbar mit einer Durchzugslüftung.

Dabei ersetzt kältere Außenluft die durch die IT-Komponenten erwärmte Luft im Innern. Die so geschaffene Abwärme muss aus dem Server-Raum oder Datacenter abgeführt werden. Technisch gesehen handelt es sich um einen Hitzetransfer oder einen Luftaustausch. Das Problem liegt jedoch nicht allein bei der Temperatur. Die Luftfeuchtigkeit ist eine weitere Herausforderung. Zu trockene oder zu feuchte Luft kann - ebenso wie zu viel Hitze oder Kälte - die Server-Leistung und ihre Lebensdauer negativ beeinflussen. An diesem Punkt kommt die indirekte Freikühlung ins Spiel.

Indirekte Kühlung

Bei der indirekten Kühlung besteht - anders als bei der direkten freien Kühlung - kein direkter Kontakt zwischen dem Kühlmedium und der Raumluft. Der Hitzeaustausch erfolgt über ein Medium, üblicherweise eine Flüssigkeit. Dabei lassen sich verschiedene Varianten unterscheiden. Beispielsweise kann die Kühlung über einen Kaltwasserkreislauf erfolgen, alternativ geht die Wärme auf einen zweiten kalten Luftstrom über. Im Allgemeinen interagiert die Außenluft über Wärmetauscher zunächst mit einem Wasser-Glykol-Gemisch und kühlt so den IT-Raum indirekt. Die erwärmte Flüssigkeit gelangt zur Rückkühleinrichtung, von wo die Hitze nach außen abtransportiert wird. Das Glykol verhindert das Gefrieren des Wassers außerhalb des Gebäudes, wo die Außentemperaturen auch mal unter den Gefrierpunkt sinken können.

Hybride Freikühlung für die optimale Kühlleistung

Eine dritte Variante ermöglicht einen Wechsel zwischen den beiden Methoden, von direkt zu indirekt oder umgekehrt. Bei der hybriden Freikühlung ist ein Klimagerät mit zwei Loops ausgestattet, die auf beide Betriebsmodi ausgelegt sind. Die interne Kontrolle wählt die optimale Kühlung und wechselt automatisch den Modus innerhalb des Geräts. Für die Steuerung der hybriden Freikühlung kann ein Betreiber auch die Möglichkeit zur Integration von PLCs (Programmable Logic Controller) einplanen. Diese spielen für das automatische Umschalten von der direkten zur indirekten Freikühlung eine wichtige Rolle: Als programmierbare Anlagensteuerung erhalten sie über Sensoren eine Rückmeldung über die Außentemperatur und wählen so bei entsprechenden Grenzwerten automatisch die jeweils effizienteste Kühlmethode.

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Gut ausgestattete Rechenzentren können mit dem richtigen Design und passenden Klima auch 20 oder 30 kW allein mit Luft kühlen und für höhere Packungsdichten maßgeschneiderte Optionen erarbeiten.

Warum der Wechsel von direkt zu indirekter Freikühlung (oder umgekehrt) notwendig ist, ist leicht zu erklären: Nicht alle Applikationen und IT-Komponenten sind gleich sensibel und benötigen dieselbe strenge Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchtigkeit - und dementsprechend dieselbe Kühlung. Dabei bietet sich eine Einteilung der Hardware innerhalb desselben Campus an, abhängig vom Bedürfnis der Komponente nach Latenz und kritischen Daten. Je ausgefeilter das Rechenzentrum designt ist, desto mehr ist die Lösung an den jeweiligen Anwender anpassbar. So lassen sich bis zu 50 Prozent der Kosten beim Cooling einsparen.

Maßgeschneiderte Optionen

Grundsätzlich kann die Kühlung auf Raum- oder Rack-Level erfolgen. Für besonders hohe Leistungsdichten, zum Beispiel Hochleistungs-Racks für High-Performance-Computing (HPC), gibt es die Möglichkeit, das Kühlmedium näher an die Wärmequelle - also die IT-Komponenten - heranzuführen. Bei der Rack-Kühlung erfolgt die Kühlung der warmen Luft direkt innerhalb des Racks durch ein Kältegerät. Dieses ist dabei in die Seitenwände des Racks und/oder den Rack-Boden integriert. Rack-Kühlung ist teuer und nicht immer unbedingt erforderlich. Gut ausgestattete Rechenzentren können mit dem richtigen Design und passenden Klima auch 20 oder 30kW allein mit Luft kühlen und für höhere Packungsdichten maßgeschneiderte Optionen erarbeiten.

Fazit

Steigende Stromkosten einerseits, vermehrtes Umweltbewusstsein und Maßnahmen für einen niedrigeren CO2-Ausstoß andererseits zwingen Rechenzentrumsbetreiber dazu, ihre bisherigen Strategien zu überdenken. Klar ist: Kühlung ist ein zentraler Weg, die Energieeffizienz im Rechenzentrum zu steigern. Ohne zusätzliche Klimageräte oder Kompressoren verwenden zu müssen, birgt direkte und indirekte Freikühlung ein enormes Sparpotenzial. Wenn ein eigenes Rechenzentrum in nordischen Ländern keine Option ist: Colocation-Anbieter ermöglichen kleinen und großen Unternehmen die Vorteile in klimatisch günstigen Ländern in Anspruch zu nehmen, ihre Energiekosten deutlich zu verringern und zugleich ihre CO2-Bilanz zu verbessern. Es gibt eben mehr als einen Weg, die Energieeffizienz im Rechenzentrum zu steigern.

Christian Kallenbach ist Director Business Development bei Verne Global ().

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