Das IoT verändert die Alarm- und Brandmeldetechnik

IP sorgt für besseren Brandschutz

11. Oktober 2016, 8:00 Uhr | Von Karl-Heinz Mast.

Laut Bosch Software Innovations wird sich die Zahl der vernetzbaren Geräte bis ins Jahr 2022 auf 14 Milliarden erhöhen. Doch es sind nicht nur die Dinge allein, die das Internet of Things (IoT) ausmachen, sondern das Zusammenwirken aus Gerät und Übertragungsweg - die Vernetzung. Mit ihr kann die eingebettete Elektronik über sich hinauswachsen und zum Beispiel ein Brandmelder auf Lautsprecher zugreifen, um einen Sprachhinweis zur Evakuierung eines Gebäudeteils auszulösen.

Die Technik des IoTs ist heutzutage aus Sicht der Telekommunikationsinfrastruktur grundsätzlich für alle Unternehmen verfügbar. Das Hauptanwendungsgebiet des IoTs - so die Prognose von Bosch Software Innovations - liegt im Bereich Intelligent Buildings, gefolgt von der Automobilindustrie und dem Gesundheitswesen. Zu dem bedeutendsten Anwendungsbereich des Intelligent Buildings zählt die Sicherheitstechnik als Teil des TGMs (Technisches Gebäude-Management). Wie stark sich die Sicherheitstechnik verändert hat, zeigt ein Blick auf die neuesten Entwicklungen der Bereiche Safety (Brand) und Security (Alarm).

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Die Kombination oder die Vernetzung der Brandmeldezentrale mit dem Beschallungs- und Evakuierungssystem schafft echten Zusatznutzen, etwa die zielgerichtete Räumung.

Ein erster Schritt bei der Nutzung des IoTs in der Sicherheitstechnik besteht in der Anbindung der Geräte über eine individuelle IP-Adresse. Der nächste Schritt ist die Vernetzung der einzelnen Geräte - zum Beispiel aller Brandmelder - mit der Steuereinheit, der Brandmeldezentrale. Dann folgt die Vernetzung der Brandmeldezentralen untereinander. Weiter geht die Vernetzung über die Anbindung mit anderen Gewerken, etwa mit der Sprachalarmierungsanlage und weiteren Sicherheitssystemen, etwa der Zutrittskontrollanlage. Im finalen Schritt lässt sich die komplette Sicherheitstechnik in ein zentrales Gebäude-Management-System integrieren, das neben den Daten aus der Sicherheitstechnik unter anderem auch Heizung, Lüftung, Klima, Energieversorgung und Beleuchtung anzeigen und verknüpfen kann.

Attraktiv ist der Einsatz der IP-Technik vor allem, weil sie den Aufbau separater Leitungsnetze für die Datenverarbeitung und Stromversorgung der jeweiligen Komponenten überflüssig machen kann. So lassen sich die Dateninformationen über WLAN relativ einfach und sicher aus Umgebungen übertragen, in denen eine feste (Daten-)Verkabelung mit sehr hohem Aufwand verbunden wäre. Die Stromversorgung erfolgt direkt vor Ort, natürlich inklusive Notstromeinheit. Dies senkt die Investitionskosten und führt zu erheblichen Kostenvorteilen.

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Visualisierung hilft: Mit einer Darstellung per Bild lässt sich im Einsatzfall die Arbeit der Rettungskräfte erheblich erleichtern.

Aber nicht nur finanziell zahlt sich der Einsatz standardisierter Netzwerktechnik aus. Durch die Vernetzung ergeben sich viele neue Anwendungsmöglichkeiten, die zusätzlichen Nutzen bringen. Für die Sicherheitstechnik bedeutet dies: Die Leistungsfähigkeit steigt, und die Sicherheit für Menschen, Gebäude und Anlagen verbessert sich weiter.

Eine gemeinsame Plattform

Einer der großen Vorteile ist die Schaffung einer gemeinsa-men Kommunikationsplattform für alle Arten von Sicherheitslösungen. Informationen von Videokameras, Brand- und Rauchmeldern oder Türsteuerungen sind über einheitliche Protokolle wie TCP/IP und standardisierte Schnittstellen wie OPC zentral zusammenzuführen. Damit besteht die Möglichkeit, mehrere Anwendungen auf einer gemeinsamen, flexiblen und konfigurierbaren Oberfläche anzuzeigen und miteinander zu verknüpfen. Auch die Integration in ein umfassendes Gebäude-Management ist so erheblich einfacher. Standardisierte Schnittstellen wie OPC und ein SDK erlauben zudem die Integration von Sicherheitssystemen unterschiedlicher Hersteller.

Welchen Mehrwert die Vernetzung via IP bringt, verdeutlicht beispielhaft die videobasierende Branderkennung Aviotec von Bosch, die Daten über IP in Echtzeit an ein Gebäude-Management-System übertragen kann und über dessen Bedienoberfläche übersichtlich visualisiert. Im Alarmfall zeigt die Lösung genaue Aktionspläne an, und das Sicherheitspersonal hat alle zur Bearbeitung benötigten Dokumente im schnellen Zugriff. Aber auch die Feuerwehr und andere hilfeleistende Stellen können zeitnah informiert werden und bekommen durch stationäre oder mobile Geräte einen direkten Einblick in die Situation.

Zudem lassen sich die Bilder mittels neuer Techniken wie Dynamic Transcoding auch in hoher Qualität über Mobilfunknetze senden, um Einsatzkräften schon während der Anfahrt einen genauen optischen Eindruck der Lage zu vermitteln. Bosch ermöglicht es mit dieser Technik unabhängig von der verfügbaren Bandbreite, Videobilder live zu streamen und HD-Bilder mit 1080p zu übertragen. Damit können die Beteiligten die Lage schneller und umfassender beurteilen und Maßnahmen gezielter einleiten. Diese situationsgerechte Einsatzplanung trägt zur Vermeidung von Fehlentscheidungen sowie daraus folgenden Kosten und Schäden an Personen und Gebäuden bei.

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Der Trend der nächsten fünf bis zehn Jahre geht eindeutig in Richtung von Geräten, die der Hersteller bereits IP-fähig ausliefert. Hier als Beispiel eine videobasierende Branderkennung.

Die Vorteile der Vernetzung im Sinne des IoTs werden auch deutlich, wenn man sich anschaut, wie die Kombination von Brandmelde- und Evakuierungstechnik die Sicherheit erhöht. Beispielsweise bietet Bosch mit seiner modularen Brandmeldezentrale der Serie 5000 und dem ebenfalls modularen Beschallungs- und Evakuierungssystem Praesideo eine vernetzbare Lösung an, die für Projekte unterschiedlicher Größe skalierbar ist. Die modulare, netzwerkfähige Architektur ermöglicht Planern und Errichtern nicht nur die kundenspezifische Konfiguration der Anlage, sondern stellt auch sicher, dass die Anlage mit den Anforderungen wachsen kann, ohne dass bereits getätigte Investitionen verloren gehen.

Bei einem modularen System lassen sich mehrere Brandmeldezentralen in unterschiedlichen Gebäudeteilen via Ethernet vernetzen. Die Vernetzung mehrerer Zentralen bietet sich in großen Industriearealen, Einkaufszentren, Bahnhöfen oder Flughäfen an.

Die Kombination oder die Vernetzung der Brandmeldezentrale mit dem Beschallungs- und Evakuierungssystem schafft echten Zusatznutzen, etwa die zielgerichtete Räumung. Damit lässt sich entweder das gesamte Gebäude räumen - oder lediglich einzelne Gebäudeteile sind betroffen. Im Fall größerer Gebäude, beispielsweise in Bahnhöfen, kann die Räumung in mehreren Phasen erfolgen, um Panik zu vermeiden. Durch gezielte Sprachnachrichten werden zunächst nur die Personen in den stark gefährdeten Bereichen zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. Die weitere Räumung erfolgt dann situationsabhängig.

Eine solche flexible Skalierbarkeit ermöglicht eine fast unbegrenzte Anzahl von Alarmierungs- und Lautsprecherzonen, die jeweils mit individuellen Ansagen belegt sein können. Bei Sprachalarmierung mit eindeutigen Hinweisen geht die Evakuierung in öffentlichen Bereichen schneller als bei einer Alarmierung über Sirenen und Blitzleuchten einer Brandmeldeanlage.

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Neben den neuen Anwendungen und dem Mehrwert, der durch die Vernetzung der Sicherheitstechnikkomponenten entsteht, eröffnet sich durch das IoT eine zweite Welt von Zusatznutzen: der Service der Sicherheitssysteme.

Neben den neuen Anwendungen und dem Mehrwert, der durch die Vernetzung der Sicherheitstechnikkomponenten wie Brandschutz mit Evakuierungssystem und Zutrittskontrolle entsteht, eröffnet sich durch das IoT eine zweite Welt von Zusatznutzen: der Service der Sicherheitssysteme. Denn durch die entsprechenden Schnittstellen und die Internet-Anbindung ergeben sich Möglichkeiten der Fernüberwachung, der frühzeitigen Störungserkennung und der vorausschauenden Wartung. Im Gegensatz zur präventiven Wartung, bei der Komponenten vorsorglich auszutauschen sind, erlaubt die vorausschauende Wartung den Ersatz von Komponenten erst kurz vor dem Zeitpunkt, zu dem die Funktion nicht mehr gewährleistet ist.

Durch die Anbindung an Systeme zur Ressourcenplanung (Enterprise Resource Planning, ERP) der Hersteller und Service-Anbieter lässt sich die Supply Chain mit in den Service-Prozess einbeziehen. Dadurch ergeben sich für den Endnutzer wesentlich weniger Betriebsunterbrechungen und damit eine höhere Verfügbarkeit der Geräte, was wiederum Schutz und Sicherheit erhöht.

Hindernisse auf dem Weg zum IoT

Noch gibt es jedoch Hindernisse, den vollen Nutzen des IoTs in der Sicherheitstechnik zu realisieren: die gegenwärtige Vielfalt von Gerätestandards, Bussystemen und Übertragungsprotokollen. Wenn auch die neuen Geräte IP-fähig sind, die Ansteuerung erfolgt jedoch oft mit unterschiedlichen Techniken und Protokollen. Teilweise verfügen die Geräte über eine IP-Adresse, zum Teil sind aber auch proprietäre Standards im Einsatz. Die Vielzahl der heute installierten Geräte auf der Feldebene macht es zudem häufig nötig, die Busstandards und Geräteprotokolle zu übersetzen.

Der Trend geht jedoch eindeutig in Richtung von Geräten, die der Hersteller bereits IP-fähig ausliefert. Die heute in vielen Fällen nötigen Zwischenebenen zur Übersetzung von unterschiedlichen Protokollen und Schnittstellen werden auf längere Sicht an Bedeutung verlieren und nur noch für Altinstallationen und Nachrüstungen im Einsatz bleiben. Die heute in der Regel dreistufige Architektur (1. Feldebene, 2. Automation, 3. Geräte-Management) wird mittelfristig auf zwei Ebenen reduziert sein, da die Geräte direkt über ihre IP-Adressen ansprechbar sind (1. Feldebene und 2. Automation/Geräte-Management).

Eine weitere Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von IoT-basierenden Lösungen in der Sicherheitstechnik und beim Gebäude-Management ist das Überwinden des Silodenkens: weg von proprietären Lösungen, hin zur Zusammenarbeit der Hersteller. Mehr Kooperationen sind erforderlich.

Karl-Heinz Mast ist Produkt-Manager Brandmeldesysteme bei Bosch Sicherheitssysteme ().

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