Rundumblick auf die Energie im Rechenzentrum

Maßnahmen zur Effizienzsteigerung

28. Juli 2011, 6:00 Uhr | Dr. Peter Koch/jos ist Senior Vice President Engineering & Product Management für Knürr Racks & Integrated Cabinets bei Emerson Network Power

Ob fossil oder regenerativ - Energieverbrauch im Rechenzentrum kostet Geld, ihre Erzeugung belastet die Umwelt. Einsparmaßnahmen, mit denen Rechenzentrumsbetreiber den Verbrauch zügeln können, reichen von kleinen Korrekturen bis hin zu einem integrierten Gesamtkonzept.Rechenzentren arbeiten im Schnitt mit einer Power Usage Effectiveness (PUE) von 2,0. Das heißt, es muss doppelt so viel Energie eingespeist werden, wie die IT-Systeme verbrauchen. Die andere Hälfte benötigen die Supportsysteme - etwa 70 bis 80 Prozent davon allein die Klimatechnik. Mit einem integrierten Konzept für Energieeffizienz - gepaart mit erhöhter Verfügbarkeit und Gesamtkostenoptimierung - sind PUE-Werte von unter 1,3 zu erreichen. Bei einer 100-Kilowatt-IT-Last und einem Strompreis von 12 Cent/kWh ließen sich so Energiekosteneinsparungen von etwa 75.000 Euro pro Jahr erzielen. Dafür kommen Maßnahmen in verschiedenen Bereichen des Rechenzentrums zum Einsatz.

Maßnahme 1. Präzisionskühlsysteme und freie Kühlung einsetzen: Im Gegensatz zur Komfortklimatisierung können Präzisionskühlsysteme Temperatur- und Feuchtebereiche exakt regeln - und dies bei geringerem Energieeinsatz. Grundsätzlich ist dabei zwischen Kompressor- und Kaltwassersystemen zu unterscheiden. Kompressionsanlagen, die zur Kühlung einen permanent arbeitenden motorgetriebenen Kompressor nutzen, waren lange Zeit das gängige Klimatisierungsverfahren. Doch seit einigen Jahren setzen sich in Rechenzentren Kaltwassersysteme durch. Diese ermöglichen die Nutzung der freien Kühlung, die sich kühle Außentemperaturen zunutze macht und ihr Einsparpotenzial vor allem bei größeren Anlagen mit über 100 kW zeigt. Der Kompressor schaltet sich nur ein, wenn es zu warm wird. Neu sind kompakte Kältemaschinen wie beispielsweise der Liebert Free Cooling Chiller von Emerson Network Power, der abhängig von Kühlungsbedarf und Außentemperatur automatisch zwischen freier und Kompressorkühlung wählt.

Maßnahme 2. Ordentlich abdichten: Sind Doppelböden beispielsweise an Kabeldurchbrüchen nicht richtig abgedichtet, ist für die Kühlung unter Umständen 20 bis 40 Prozent mehr Luft und damit ein erhöhter Energiebedarf notwendig. Der einzige Ort im Rechenzentrum, an dem die kalte Luft strömen soll, ist die Frontseite der Server. Daher gehören perforierte Doppelbodenplatten ausschließlich in Kaltgänge. Des Weiteren sorgen Blindplatten in den Racks dafür, dass keine von Servern abgegebene heiße Luft in die gekühlte Rack-Vorderseite gelangt.

Maßnahme 3. Kalte und warme Bereiche trennen: Die Trennung kalter und warmer Bereiche ermöglicht eine möglichst hohe Leistungsdichte bei Senkung des Energiebedarfs zur Kühlung. Ohne Kalt-Warm-Trennung werden 3 bis 5 kW pro Rack erreicht, mit Trennung kommt man auf etwa 10 kW. Generell ist bei der Kalt-Warm-Trennung zwischen Einhausungen auf Raumebene und direkt gekühlten Schränken zu unterscheiden. Beide Systeme sorgen für die gleichmäßige Kühlung der IT-Komponenten - und zwar ausschließlich dieser. Raumkühlungen kommen in erster Linie für Leistungsdichten bis zu 8 bis10 kW pro Schrank zum Einsatz. Neben der Kühlungstemperatur ist die Menge der bewegten Kühlluft einer der Hauptenergieverbraucher bei der Klimatisierung. Kaltgangeinhausungen wie Smart Aisles halten deshalb die Kubikmeteranzahl des Kaltgangs und damit die Luftbewegung möglichst gering. Bei Hochleistungs-Servern mit 20 bis 30 kW Leistung pro Schrank empfehlen sich Schränke mit eingebautem Luft-Wasser-Wärmetauscher, da für den Abtransport der von den Servern erzeugten Hitze über die Luft etwa 3.500 Mal so viel Volumen nötig ist.

Maßnahme 4. Auf intelligente Verkabelung achten: Bei Kabeln und Stromschienen gilt: Je größer der Querschnitt, desto geringer die Leitungsverluste. Die höheren Investitionskosten für größere Querschnitte rechnen sich schnell durch niedrigere Betriebskosten. Auch falsche Kabelführung kann sich durch schlechte Luftzirkulation negativ auf die Energiebilanz auswirken. Intelligente Kabelführung mithilfe von Patch-Feldern strukturiert die Verkabelung. Kabel beeinträchtigen die Strömung der Kühlluft, wodurch die Luftumwälzung mehr Energie benötigt. Auch der Einsatz breiterer Server-Schränke ist empfehlenswert. Denn viele Kabel hinter den Servern können bei zu engen Räumen für die abzuführende Warmluft wie eine Kabelwand wirken, wodurch die Lüfter der IT-Geräte wegen des Widerstands unnötig viel Energie aufwenden.

Maßnahme 5. Redundanzen intelligent nutzen: Grundsätzlich gilt, dass Redundanzen von Infrastrukturkomponenten zum Zweck der Verfügbarkeit nur im notwendigen Umfang aufgebaut sein sollten. Dabei bestehen große Unterschiede in der Art und Weise, wie redundante Systeme möglichst energieeffizient arbeiten: Während man Kühlsysteme idealerweise in voller Zahl parallel in Teillast laufen lässt, haben USV-Anlagen einen sehr schlechten Teillastwirkungsgrad und sollten bei Nichtbedarf komplett abgeschaltet sein. Besonders effizient sind modulare USV-Systeme, deren Module sich je nach Leistungsbedarf und Umgebungsbedingungen automatisch zu- oder abschalten und je nach Zustand unter maximaler Leistungskontrolle (VFI), maximaler Energieeinsparung (VFD) und hohem Wirkungsgrad (VI) wählen.

Maßnahme 6. Energieoptimierte Bauteile bevorzugen: Auf Energieeffizienz optimierte Infrastruktursysteme haben meist einen enorm hohen Flächenbedarf, verlangen große Geschosshöhen und sind teilweise äußerst aufwändig im laufenden Betrieb. Klassische Systeme mit modernen Komponenten und einer optimierten Auslegung wie beispielsweise Kompaktkältemaschinen sind jedoch mindestens genauso energieeffizient und haben einen geringeren Flächen?, Planungs- und Wartungsbedarf. Durch großzügig überdimensionierte Komponenten wie Wärmetauscher, Ventilatoren oder Kabel verbrauchen die Systeme bei gleicher Leistung weniger Energie. Läuft ein Lüfter doppelt so schnell, verbraucht er acht Mal so viel Strom. Deswegen sollte man nur die Luftmenge fördern, die der Server wirklich benötigt. Bei Ventilatoren in Kühlgeräten ist der entscheidende Faktor deshalb eine Drehzahlregelung mithilfe so genannter elektronisch kommutierter oder EC-Motoren, die im Gegensatz zu Wechselstrom- und AC-Motoren keine feste Drehzahl haben und auch langsam laufen können.

Maßnahme 7. Betriebsbedingungen optimieren: Gemäß einer neuen Richtlinie der ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers) lassen sich Rechenzentren bei Ansaugtemperaturen der IT-Komponenten von bis zu 27 Grad Celsius - unter bestimmten Voraussetzungen sogar bis zu 40 Grad Celsius - und einer Luftfeuchte von bis zu 80 Prozent betreiben. Pro Grad Celsius Erhöhung der Raumtemperatur nehmen die Kühlungskosten im Rechenzentrum um etwa drei Prozent ab. Experten raten jedoch zu einer Umgebungstemperatur von etwa 25 Grad, weil darüber hinaus die Server-Lüfter mehr Energie verbrauchen. Je höher die Temperatur, desto länger kann man mit freier Kühlung arbeiten. Auch mit der Veränderung des Überdrucks in Doppelböden ist eine Einsparung zu erzielen. Ist der Druck zu hoch, verschwenden die Systeme Energie für die Druckerzeugung und Luftumwälzung. Bei klassischen Systemen reichen 20 bis 40 Pa aus, bei gut abgedichteten Kaltgängen mit Einhausung und Gittern statt perforierter Bodenplatten fällt der Überdruck auf unter 10 Pa.

Maßnahme 8. Systeme und Stromverbrauch übergreifend regeln: Um sich einen korrekten Überblick über den Energieverbrauch und mögliche Verluste zu verschaffen, müssen Techniker mit intelligenten Stromverteilerleisten direkt an der Verbrauchsstelle Messwerte aufnehmen. Diese und weitere Messdaten laufen dann im besten Fall in einer Plattform für das Data-Center-Infrastructure-Management (DCIM) zusammen, über die gleichzeitig das Monitoring und die Steuerung sämtlicher Systeme geschieht - wie Server, Serviceprozessoren, Speicher, Netzwerkgeräte, Sensoren, Stromversorgungs- und -verteilereinheiten einschließlich USV-Anlagen sowie Kühlgeräte. Damit kann übergreifend für IT- und physische Infrastruktursysteme von zentraler Stelle aus eine integrierte Regelung erfolgen, die sämtliche Wechselwirkungen berücksichtigt und das System auf geringen Energieverbrauch, maximale Verfügbarkeit und minimierte Gesamtkosten optimiert.

Fazit

Auch wenn sich mit Einzelmaßnahmen bereits hohe Energiespareffekte erzielen lassen: Die größte Auswirkung hat ein integrierter Systemaufbau, der sämtliche Teilsysteme und Betriebsparameter aufeinander abstimmt. Einen allgemein gültigen Ansatz gibt es jedoch nicht. Für jedes Rechenzentrum ist eine ganzheitliche, bedarfsgerechte Optimierung erforderlich- am besten mithilfe eines Experten, der Wechselwirkungen genau einschätzen kann. Eines steht jedoch fest: Ein optimales Ergebnis kann nur durch eine ganzheitliche DCIM-Lösung erzielt werden, die die Daten und Betriebszustände der physischen- wie auch der IT-Infrastruktur zentral erfassen und korrelieren kann. Damit werden detaillierte Analysen, Handlungsempfehlungen und Automatisierungen mit dem Ziel einer dynamischen Optimierung des Rechenzentrums möglich.

Kaltgang/Warmgang-Konfiguration mit Doppelboden.

Beispiel für eine typische Energieverteilung in Rechenzentren.

Seitenansicht einer Kalt- oder Warmgangeinhausung.
LANline.

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