ISO/IEC-Norm 18598 noch 2016 erwartet

Regelwerk für die Automation

2. August 2016, 15:32 Uhr | Von Stefan Mutschler.

Voraussichtlich noch im Laufe des dritten Quartals dieses Jahres soll die ISO/IEC-Norm 18598 "Informationstechnik - Automatisierte Infrastruktur-Management- (AIM-)Systeme - Anforderungen, Datenaustausch und Anwendungen" verabschiedet werden. Ziel ist es, endlich auch die passive Infrastruktur - unter anderem die Anschlüsse an Racks und Panels - in ein lückenloses IT-, oder übergeordnetes Gebäude-Management zu integrieren. Dies soll möglichst in Echtzeit erfolgen.

Trotz enormer Fortschritte in der Rechenzentrumstechnik erscheinen die Zustände an den Racks und Patch-Panels vieler Unternehmen und Provider bis heute oft ziemlich chaotisch. An der elementaren Physik jeglicher kabelgebundenen IT-Kommunikation - den Steckverbindungen - scheitern bis heute zahlreiche Management-Tools. Oft gibt es nicht einmal eine halbwegs aktuelle Dokumentation über die Verbindungen.

Mehrarbeit durch Phantomverbindungen

Die Folgen sind gravierend: Mitarbeiter müssen zwischen den Racks turnen, um zeitraubend die passenden Ports für eine neue oder geänderte Verbindung zu finden. Oft gelingt dies nicht, obwohl eigentlich zahlreiche Ports, in denen noch ein Kabel steckt, nicht mehr genutzt sind. Laut einer Analyse von Frost & Sullivan weisen Installationen in einer Rechenzentrumsumgebung nach einer gewissen Betriebszeit typischerweise bis zu 40 Prozent solcher Phantomverbindungen auf. Im Zweifelsfalle ordert der Betreiber eben einen neuen Router oder Switch. Dessen jungfräuliche Ports geben wieder für eine Weile Futter, bis auch das neue Gerät im Dickicht der Verbindungen verloren geht.

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Die von Quareo verwendete Connection-Point-Identification-Technik (CPID) basiert auf RFID.Quelle: Commscope

Nicht zuletzt diese unkalkulierbare Verschwendung hat dazu geführt, dass das Thema inzwischen in gesetzliche Richtlinien wie SOA (Sarbanes Oxley Act) und Basel-II/III eingeflossen ist. Unsicherheitsfaktoren und Unwägbarkeiten in Unternehmen führen demnach unweigerlich zu einer Herabstufung im Rating der Banken. Eine solche Unsicherheit kann auch darin bestehen, nicht jederzeit dokumentieren zu können, wer wann mit wem innerhalb der unternehmenseigenen IT-Infrastruktur kommuniziert hat.

Auch wenn Analyse-Tools auf höherer Protokollebene hier einen guten Job machen: Ohne solide und aktuelle Dokumentation auch der physischen Verbindungen bleibt ein gewisses Maß an Unsicherheit. In diesem Sinne ist Patch-Management nicht nur ein Rating-relevanter, sondern auch ein rechtsrelevanter Faktor, denn im Zweifelsfalle können Versäumnisse in der lückenlosen Kommunikationsdokumentation bereits als fahrlässiges Verhalten gegenüber Aktionären gelten.

Diese Problemstellung ist natürlich keineswegs neu. Seit vielen Jahren gibt es zahlreiche Hersteller, die ihre Steckverbindungen mit Sensorik ausstatten. Ein passendes Administrations-Tool interpretiert die von dort ankommenden Signale und übergibt die Ergebnisse an ein Management-System. Das generelle Manko bei dem Großteil dieser Ansätze: Die Lösungen kommen von einzelnen Kabel- beziehungsweise Rack-Herstellern und funktionieren ausschließlich mit deren eigenen Patch-Kabeln und -Feldern. Zudem ist die zugrunde liegende Technik mithilfe proprietärer Kontaktsignale oft aufwändig, was zu saftigen Mehrkosten führt.

Weiter kommt hinzu, dass manche Lösungen nur entweder Kupfer- oder Glasfasernetze bedienen - mit völlig unterschiedlichen technischen Verfahren. Und schließlich ist auch das Administrations-Tool sehr oft nicht in der Lage, sich im gebotenen Umfang mit einem neutralen, übergeordneten Management-System auszutauschen. An dieser Stelle verweisen Hersteller gerne an eine SNMP-Schnittstelle, über die jedoch nur unzureichend Verbindungsinformationen abfragbar sind.

Neue AIM-Norm spezifiziert auch physische Anforderungen

Die ISO/IEC-Norm 18598 für automatisiertes Infrastruktur-Management hat das Ziel, die proprietären Signale einer AIM-Lösung in eine standardisierte Form zu bringen und über klar definierte Schnittstellen Management-Systemen auf höherer Ebene zugänglich zu machen. Damit setzt der Standard oberhalb der physischen Kontakterfassung an, ist also gegenüber der verwendeten Technik agnostisch. Dennoch definiert er auch eine Reihe von Anforderungen, die auf dieser Ebene erfüllt sein müssen. Dazu gehört laut Rogier den Boer, DCIM Sales Manager Europe bei Commscope, der über dieses Thema auch auf dem Datacenter Symposium der LANline referierte, an erster Stelle das automatische Erkennen des Einsteckens und Abziehens von Steckverbindungen. Darauf aufbauend soll ein Monitoring und Management von Verbindungsänderungen eine stets aktuelle Dokumentation der Netzwerkinfrastruktur samt allen angeschlossenen Geräten erzeugen.

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Die Erkennung einer Steckverbindung läuft über die Ortung des entsprechenden Chips an einer Empfängerleiste am Panel oder Switch.Quelle: Commscope

Zu den angeschlossenen Geräten soll auch eine genaue Ortsangabe kommen. Das standardisierte Datenformat schließlich soll in Verbindung mit einem klar definierte Satz grundlegender Kommandos, einheitlichen APIs (Application Programming Interfaces) und Restful-Web-Services für die reibungslose Übergabe der Informationen an übergeordnete IT- beziehungsweise Gebäude-Management-Systeme sorgen.

Die physischen Anforderungen legen - besonders auch in Verbindung mit wirtschaftlichen Aspekten - ein flexibles System nahe, das gegebenenfalls auch an bereits installierten Patch-Feldern und Netzwerkgeräten nachgerüstet werden kann. Vor Jahren war hier mit Data-Complex ein deutscher Hersteller vorgeprescht. Die Lösung basierte auf modifizierter RFID-Technik, bei der ein Mini-Chip als Sender am Stecker mit einer aufsteckbaren Empfängerleiste am Patch-Feld eine Art Micro-Navigationssystem für Steckverbindungen bildete.

Overlay-Technik CPID

Auf dem Markt durchsetzen konnte sich diese Lösung damals nicht. Was jedoch aktuell beispielsweise Commscope in Verbindung mit Quareo anbietet, folgt interessanterweise dem gleichen Prinzip wie seinerzeit die in Halberstadt entwickelte Lösung. Auch die nun verwendete Technik namens Connection Point Identification (CPID) basiert auf RFID und die Erkennung einer Steckverbindung läuft ebenfalls über die Ortung des entsprechenden Chips an einer Empfängerleiste am Panel oder Switch. Größter Vorteil einer solchen Overlay-Technik ist es, dass es dabei belanglos ist, um welche Art Kabel es sich handelt. Sie funktioniert in gleicher Weise mit Kupfer- und Glasfaserverbindungen. Die jeweiligen Patch-Kabel und deren Stecker muss der Betreiber allerdings durch solche mit integriertem CPID-Chip ersetzen.

ISO/IEC 18598
Die ISO/IEC-Norm 18598 beschreibt, welche Informationen aus den physischen Verbindungen abzuleiten sein sollen - der Kern liegt jedoch auf der standardisierten Darstellung und Weitergabe dieser Informationen an übergeordnete Management-Systeme. Bislang haben erst wenige Hersteller angekündigt, ihre physischen Infrastruktur-Management-Lösungen an den neuen AIM-Standard anzupassen. Mit zu den ersten gehört sicher Quareo, das dies für seine ICM-Server-Applikation (Infrastructure Configuration Manager) bereits getan hat. Mit Publikation des Standards werden jedoch zahlreiche weitere Ankündigungen in ähnlicher Richtung folgen. Gemäß seinen Schöpfern soll das Dokument, das als Beschreibung des Standards dienen soll, für sehr unterschiedliche Zielgruppen wichtige Informationen und Orientierung bieten, darunter für Gebäudeverwalter und -eigentümer, Anbieter von AIM-Lösungen, Planer von Netzwerkinfrastrukturen, Netzwerkadministratoren, Rechenzentrumsleiter, IT-Verantwortliche, Anbieter von Management-Systemsoftware und Softwareintegratoren.
Stefan Mutschler.

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