Energieoptimierung im Colocation-Umfeld

RZ auf Sparkurs

2. September 2015, 6:00 Uhr | Donald Badoux, Managing Director bei Equinix Deutschland, www.equinix.de./wg

Wenn es um die Steigerung der Effizienz des Energieeinsatzes in Colocation-Szenarien geht, ist zunächst einmal der Rechenzentrumsnutzer gefordert: Ein gangbarer Weg ist der Einsatz energieeffizienter Server, Router und Speichersysteme. Hier gibt es beim Energiebedarf zwischen den Anbietern für Geräte gleicher Leistungsklassen teilweise Differenzen von mehr als 50 Prozent. Zudem lassen sich IT-Geräte heute bei höheren Temperaturen als früher betreiben. Auch Virtualisierung und DCIM-Tools (Datacenter-Infrastructure-Management) leisten ihren Beitrag. Doch vieles liegt in der Hand des Colocation-RZ-Betreibers.

Um Energiesparpotenziale möglichst effizient zu nutzen, bieten Lösungen für das Datacenter-Infrastructure-Management (DCIM) mit der sensorbasierten Echtzeitüberwachung von Energieverteilung und -verbrauch in Rechenzentren ebenso wie Virtualisierungskonzepte eine gute Basis, um den Energieverbrauch von Servern, Speichersystemen und Appliances zu senken. Andere Einflussfaktoren wie etwa die Umgebungstemperaturen, bauliche Spezifika oder auch Maßnahmen in puncto Sicherheit, die für eine redundante Auslegung der Versorgungssysteme stehen, liegen weniger im Einflussbereich der RZ-Kunden. Vielmehr sind sie Sache des RZ-Betreibers, der einen großen Teil dazu beitragen kann, dass die Energieeffizienz steigt und die Umweltbelastungen durch die energieintensive IT-Branche sinken.
 
Im Fokus: Colocation-Rechenzentren
Gerade für Anwender, die Colocation-Angebote eines unabhängigen RZ-Betreibers nutzen und ihre IT-Infrastruktur in dessen Anlagen platziert haben, ist es wichtig, diese Faktoren, die nicht im direkten Einflussbereich eines Colocation-Kunden liegen, im Vorfeld einer Entscheidung für einen bestimmten Anbieter zu berücksichtigen. Denn zum einen konterkarieren fehlende Effizienzmaßnahmen des RZ-Betreibers die eigenen Bemühungen, mehr Energieeffizienz zu erreichen; um anderen verursachen Energiefresser in der bereitgestellten Infrastruktur eines Colocation-RZs Aufwendungen, die auf die vom Kunden zu tragenden Kosten umgelegt werden. Schlüssige Konzepte des RZ-Betreibers zur Energieoptimierung und entsprechende Zertifizierungen sind daher ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.
Die operative Seite eines Rechenzentrums energieeffizient zu gestalten, ist ein komplexer, fortlaufender Prozess. Dazu zählen natürlich der Austausch veralteter Geräte, die unnötig viel Energie verbrauchen, aber auch bautechnische Maßnahmen, die bereits in der RZ-Planungsphase Berücksichtigung finden sollten. So lassen sich eine optimale Verteilung der Versorgungseinheiten, eine strikte Trennung der Warmluft- von den Kaltluftbereichen sowie ein flexibler Einsatz von Klimatisierungslösungen realisieren.
 
Kühl ist nicht gleich kühl
Eines der größten Potenziale für RZ-Betreiber zur Steigerung der Energieeffizienz liegt im Bereich der Kühlung und Klimatisierung. Adaptive Steuerungen klimatechnischer Anlagen sowie freie Kühlung bieten deutliche Optionen zur Energieeinsparung. Moderne Lösungen sorgen so dafür, dass energieintensive Klimasysteme nur dann aktiv werden, wenn die Umgebungstemperatur einen bestimmten Wert überschreitet und die Wärmetauscher für die Rohrleitungsverteilsysteme des Kaltwassers einer Unterstützung bedürfen. Sinnvoll, allerdings abhängig von der Konzeption und Bauart eines Rechenzentrums, sind auch Kaltgangeinhausungen, die für eine strikte Trennung von Warm- und Kaltluft sorgen. Dadurch wird verhindert, dass abgegebene Warmluft in den kühlen Bereich gelangt, was zu einem Temperaturanstieg der Kaltluft sorgt, der bei seiner Kompensierung einen zusätzlichen Energiebedarf im zweistelligen Prozentbereich verursacht.
Wichtig ist es zudem, regionale Aspekte zu berücksichtigen, die sich abhängig vom Standort ergeben. So reduziert zum Beispiel moderne Klimatisierungstechnik wie Aquifer Thermal Energy Storage (ATES) den Energieverbrauch und damit die Kosten deutlich. Dabei wird die thermische Speicherfähigkeit des Grundwassers sowie des wasserführenden Gesteins genutzt, um sowohl Wärme als auch Kälte zu speichern. Weltweit relativ verbreitet ist inzwischen auch, dass Abwärme und im Kühlungsprozess gewonnene Wärme standortintern oder auch durch externe Nutzer weiterverwendet werden.
In der nahen Zukunft wird an Brennstoffzellen, die für den breiten kommerziellen Einsatz bereit sind, kein Weg vorbeiführen. Brennstoffzellenanlagen erzeugen wie traditionelle Blockheizkraftwerke Strom, Wärme und Kälte - dies aber durch die direkte Umsetzung der chemischen in elektrische Energie weitaus effizienter. Sinniger Nebeneffekt beim Einsatz der Brennstoffzellen: Die saubere, sauerstoffarme Kathodenabluft lässt sich in vielen Bereichen des Rechenzentrums zum Brandschutz verwenden.
 
Ab in den Norden?
Gerade in Hinblick auf die direkten Energiekosten tendieren etliche Unternehmen dazu, sich bei der Auswahl eines Colocation-Anbieters in Richtung von Ländern wie Schweden, Norwegen oder Island zu orientieren, um bei der Kühlung von den niedrigeren Außentemperaturen vor Ort zu profitieren. In Betracht ziehen sollte man bei dieser Entscheidung allerdings, dass weiter entfernte Standorte nicht für alle Arten von Anwendungen und Daten geeignet sind. Die drei entscheidenden Faktoren sind hier die Energiekosten, die Rechtslage in Sachen Datenschutz und die Netzwerkanbindung. Der erste Faktor spricht sicherlich gegen, die anderen beiden dafür umso mehr für den Standort Deutschland.
Durch hohe Latenzzeiten sowie die teuren und teilweise unzuverlässigen Netzwerkverbindungen können operative Probleme entstehen. Salopp gesagt: Für die geringen Latenzen, die für Applikationen wie CRM, ERP oder im Finanzbereich erforderlich sind, können die nordischen Länder gar nicht sorgen. Die Gesetze der Physik gelten überall, und auch die Skandinavier können Daten nicht schneller als das Licht versenden.
Zudem gilt für viele Unternehmenskunden, dass kritische Applikationen wie ERP-Systeme oder Datenbanken aus datenschutzrechtlichen und regulatorischen Gründen in Deutschland platziert sein müssen. Und schließlich unterschätzen viele Unternehmen den Reise- und Transportaufwand sowie die damit einhergehenden Umweltbelastungen und Kosten, die entstehen, wenn man die RZ-Infrastruktur in größerer Entfernung implementieren, auditieren und instandhalten will.
 
Nähe als Argument
Die räumliche Nähe zu anderen Unternehmen, die sich als potenzielle Partner, Kunden oder Zulieferer darstellen, ist ein gewichtiges und nachvollziehbares Argument der Betreiber unabhängiger Rechenzentren, das gegenüber dem Neubau oder der Modernisierung eines unternehmenseigenen RZ angeführt wird. Und auch mit Blick auf die Energieeffizienz sind Colocation-Angebote sinnvoll.
Ein erster Schritt ist die Konsolidierung: Es ist schlichtweg effizienter, statt vieler kleiner Rechenzentren zentrale große Rechenzentren zu nutzen. Dies rückt die einzelnen Komponenten einer IT-Infrastruktur näher zusammen und eröffnet zudem die Möglichkeit, vor Ort den Einsatz umweltfreundlicherer Technik in größerem Maßstab und durchgängig zu realisieren.
Zudem ist das Bestreben vieler Colocation-Anbieter darauf ausgerichtet, in ihren Anlagen auf neueste Standards und Technik zu setzen, um eine möglichst geringe PUE-Kennzahl (Power Usage Effectiveness) zu erreichen, die eine Grundlage für die Beurteilung der Energieeffizienz der angebotenen Infrastruktur liefert. Niedrige PUE-Werte sind eine gute Eigenwerbung, denn sie stehen für geringere Energiekosten der bereitgestellten Infrastruktur, was sich direkt auf die laufenden Kosten für die Colocation-Kunden auswirkt.
Das direkte Nebeneinander mehrerer Unternehmen in einem RZ-Campus verbessert die Energiebilanz aber auch auf einem anderen Weg: Durch direkte Verbindungen zwischen Unternehmen von Rack zu Rack entfallen aufwendigere Verbindungswege, die sich automatisch im Energieverbrauch niederschlagen. Schließlich muss auch kein Mensch in sein Auto steigen, um den Nachbarn im selben Gebäude zu besuchen.

Im Hinblick auf den Energieverbrauch ist es effizienter, statt vieler kleiner Rechenzentren zentrale große Rechenzentren zu nutzen. Bild: Equinix

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