Power over Ethernet

Spannungsquelle für IP-Telefonie

27. Juli 2018, 7:00 Uhr | Dan Payerle Barrera

Power over Ethernet (PoE) stellt heute ein kritisches Element der Netzwerkinfrastruktur dar, denn Ethernet-Konvergenz und IP-Geräte benötigen PoE als wichtigste Spannungsquelle.

Auch wenn PoE eine robuste Technologie ist, können vielfältige Fehler bei der Materialauswahl, Installation und Konfiguration zu Problemen bei der Implementierung und Bereitstellung führen, die nur schwer zu erkennen sind. Kenntnisse zur PoE-Technik und die richtige Mess- und Prüftechnik verringern den Zeitaufwand für die Fehlerdiagnose und die Reparatur.

Das Herzstück eines PoE-Systems ist ein Energieversorger (PSE, Power Sourcing Equipment), der auf Anforderung von einem Verbraucher (PD, Powered Device) eine definierte Leistung bereitstellt. Ein IEEE-standardbasierter PSE speist erst dann Strom in das Kabel ein, wenn der PD es anfordert.

Ein PSE legt eine Gleichspannung von 48 bis 52 V (typisch) an ein Twisted-Pair-Kabel an. Dafür werden zwei Leiter eines Signalpaares für die positive Spannung und zwei Leiter eines anderen Signalpaares für die negative Spannung genutzt. Es ist möglich, die DC-Spannung in die Ethernet-Verkabelung einzuspeisen, ohne die Datensignale zu stören, wenn man die folgenden Bedingungen grundsätzlich beachtet: Der RJ45-Steckverbinder ist nach der Ethernet-Norm IEEE 802.3 beschaltet, beide Leiter eines Aderpaares müssen die gleiche DC-Polarität aufweisen und an jeden Leiter des Aderpaares wird genau die gleiche Spannung angelegt.

Wie ist es möglich, dass der über das Ethernet-Kabel übertragene Gleichstrom die Datenübertragung nicht stört? Das Ethernet nutzt die differenzielle Signalübertragung, um Daten über ein Kabel zu übertragen. Ein differenzieller Sender speist Daten in ein Twisted-Pair ein, wobei eine Signalhälfte aus einer positiven Spannung auf dem ersten Leiter und die andere Signalhälfte aus einer negativen Spannung auf dem zweiten Leiter besteht.

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Bild 1. Differenzielle Signalübertragung: Um das gewünschte Signal zu erhalten, wird ein Signal von dem anderen subtrahiert. Bild: Ideal Networks

Am anderen Ende der Leitung subtrahiert ein differenzieller Empfänger die Spannung eines Leiters von der Spannung des anderen Leiters, um die gewünschte Signalspannung zu ermitteln. Daher ist es möglich, dass sich differenzielle Signale, die man mit gegensätzlicher Polarität in die beiden Leiter eines Aderpaares einspeist, am anderen Ende fehlerfrei empfangen lassen.

Bei Beachtung der genannten drei Bedingungen sieht die PoE-Spannung für den Signalempfänger wie ein Störsignal aus. Bild 1 zeigt das Ergebnis der PoE-Gleichtaktspannung, die in ein Signalpaar eingespeist wird und das Datensignal, das sich nach Entfernen der PoE-Spannung ergibt.

Die ersten orangen und violetten Kurven stehen für die Spannungen von Pin 1 und 2: Die tatsächlichen Spannungswerte sind identisch und ohne den manuellen Versatz würden sie übereinander liegen.

Die rote Kurve verdeutlicht den Unterschied zwischen den lilafarbenen (Pin 1) und den orangen (Pin 2) Signalen. Auf den ersten Blick scheint die rote Kurve die Summe der Kurven zu sein. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Wellenformen wird deutlich, dass die rote Kurve die Differenz zwischen der lilafarbenen und der orangen Kurve darstellt.

Bild 2 zeigt die Auswirkungen einer positiven PoE-Spannung, die an die Pins 1 und 2 angelegt wird. In diesem Fall steigt sowohl die lilafarbene als auch die orange Kurve an, da sie beide vom PSE eine positive Spannung erhalten. Die Datensignale sind auf der lilafarbenen und orangen Kurve noch erkennbar.

Wenn die an die Pins 1 und 2 angelegten Spannungen (einschließlich PoE) die gleichen Amplituden aufweisen, werden sie vom Differenzempfänger aus dem gewünschten Datensignal entfernt. Wenn der Empfänger die Differenz zwischen beiden Kurven misst, ist die sich ergebende rote Kurve flach und nur die Datensignale sind erkennbar. Da die PoE-Spannung an jedem Pin die gleiche Polarität und den gleichen Spannungswert aufweist (Bedingung 2 und 3), lässt sie sich aus der Leitung entfernen, ohne die Integrität des Datensignals zu beeinträchtigen.

Häufige Probleme mit PoE-Systemen

An PoE-Geräten (PD) in aktiven Netzwerken treten folgende Fehler am häufigsten auf: Das Gerät fährt nicht hoch, es führt während des Hochfahrens immer wieder Neustarts aus oder es startet in unregelmäßigen Abständen neu.

Bei allen drei genannten Fehlfunktionen ist die Vorgehensweise ähnlich. Entweder wird nicht ausreichend Leistung für den Betrieb des PDs zur Verfügung gestellt, sie erfüllt nur ein Minimum der Anforderungen des PDs oder die Spannungsversorgung bricht zeitweise ab.

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Bild 2. Datensignal und PoE-Spannung. Bild: Ideal Networks

Zur Fehlerdiagnose muss der Techniker mehrere WLAN-Zugangspunkte (Access Points, APs) des gleichen Modells an Kabel anschließen, die man zum Teil schon vor zehn Jahren oder erst kürzlich verlegt hat. Anschließend treten folgende Fehler auf: Einige APs starten, schalten dann ab, warten einige Sekunden oder versuchen erneut hochzufahren. Andere APs starten hingegen überhaupt nicht. Hier kann oftmals ein Blick in das Datenblatt die Fehlerursache erschließen.

Ist die Leistungsaufnahme des APs im Datenblatt mit 9 Watt angegeben, darf man nicht davon ausgehen, dass der AP niemals mehr Leistung als 9 Watt aufnehmen wird. In der Praxis nimmt ein PD beim Hochfahren möglicherweise deutlich mehr Leistung auf, wenn seine CPU mit voller Leistung läuft und er verschiedene Applikationen testet. Für die Fehlerdiagnose ist es wichtig zu wissen, welche Leistung der PD maximal aufnimmt. Diese muss das Netzwerk dem PD zur Verfügung stellen.

Tatsächliche PD-Anforderungen ermitteln

Mit einem Tester, der über einen PoE-Inline-Modus verfügt, kann ein Techniker die maximale Leistungsaufnahme eines PDs während des Hochfahrens ermitteln. Dazu schließt er den Tester zwischen Netzwerk und AP an und lässt den AP normal starten. Im Anschluss wird die maximale Leistung ermittelt, die der AP während des Hochfahrens aufnimmt. Zu beachten ist der verbrauchte Spitzenstrom (mA) und die Spannung zu diesem Zeitpunkt. Jetzt werden die Spannungs- und Stromwerte miteinander multipliziert, um die Leistung in Watt zu berechnen. In unserem Fall hat der Test ergeben, dass der AP tatsächlich eine Spitzenleistung von 11 Watt benötigt, um vollständig hochzufahren.

Anschließend folgt ein Endpunkt-Lasttest, der die Leistung anzeigt, die dem AP an seinem Installationsort zur Verfügung steht. Wenn der Tester die Funktion zur Verfügung stellt, trägt man in einem Feld zur Angabe der benötigten PoE-Mindestleistung die ermittelten 11 Watt ein, um ein schnelles Gut/Schlecht-Ergebnis zu erhalten.

Sollte der Endpunkt-Lasttest einen Fehler ergeben, wird der Testprozess weiter in Richtung Netzwerk-Switch verlagert, um die Fehlerursache zu ermitteln. Manche Tester können die MAC-Adresse, den Namen und die Port-Nummer des Switches anzeigen. Anderenfalls muss der Techniker über das "Port-Blinken" den betreffenden Switch-Port finden. Am Switch selbst wird der PoE-Endpunkt-Lasttest mithilfe eines Patch-Kabels wiederholt.

Wenn auch hier der Lasttest einen Fehler anzeigt, hat man den Port wahrscheinlich auf einen leistungsschwächeren Modus eingestellt. In diesem Fall muss sich der Netzwerkadministrator in den Switch einwählen und die Port-Konfiguration prüfen und gegebenenfalls ändern.

Wurde der Lasttest bestanden, ist das Kabel die nächste wahrscheinliche Fehlerursache. Ursprünglich ist PoE für den Betrieb über ein 100 Meter langes Kabel der Kategorie 5e oder höher konzipiert. Wenn ein Kabel eine hohe PoE-Dämpfung aufweist, dann wurde es wahrscheinlich mit Kupferlitze, Leitern mit einem Durchmesser von unter 0,51 mm (AWG 24) oder mit Leitern aus kupferummantelten Aluminium (CCA) hergestellt.

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Bild 3. Der Tester wird zwischen PSE und PD angeschlossen, um die Leistungsaufnahme zu ermitteln. Bild: Ideal Networks

Bei relativ neuen Verkabelungen sollte man zuerst danach suchen, ob der Hersteller CCA-Leiter verwendet hat. Sie bestehen aus Aluminium und sind mit einer sehr dünnen Kupferschicht kaschiert. Sie erfüllen nicht die Anforderungen der Installationsnormen.

Häufig fallen CCA-Leiter nicht auf, da sie normalerweise die Datenübertragung bei den typischen Installationslängen unterstützen. Dabei entsteht der sogenannte Skin-Effekt, der besagt, dass elektromagnetische Wellen mit steigender Frequenz nicht in das Innere des Leiters eindringen, sondern an der Oberfläche verbleiben. Die Datensignale werden auf dem äußeren Teil, der "Haut" (engl.: Skin), des Leiters übertragen, da die dünne Kupferschicht ihnen einen dämpfungsarmen Übertragungsweg zur Verfügung stellt.

Demgegenüber wird die DC-Leistung durch die Leitermitte übertragen. Daher bieten CCA-Kabel, deren Leitermitte aus Aluminium besteht, einen deutlich größeren DC-Widerstand als Kupfer-Massivleiter und begrenzen die an einen PD übertragbare Leistung. Längere CCA-Kabel können deshalb aufgrund des hohen DC-Widerstands nur eine viel geringere PoE-Leistung übertragen als Kabel aus Kupfer-Massivleitern.

Der Zeitaufwand für die Fehlerbehebung spielt eine große Rolle, da PoE die bevorzugte Methode zur Stromversorgung praktisch aller Kommunikationsgeräte wie IP-Telefone, Wechselsprechanlagen, Paging-Systeme und Sensoren für die Gebäude-Automatisierung wird. Feldtester helfen, während der Installation potenzielle Problemstellen zu erkennen und Betriebsstörungen im Netzwerk einzugrenzen. Einfache "PoE-Detektoren", die nur wenige Angaben zur PoE-Funktion anzeigen, sind für den Techniker kaum von Nutzen. Vollwertige Tester, die umfassende Informationen zur verfügbaren PoE-Leistung am Ende des LAN-Kabels zur Verfügung stellen, sind eine kritische Voraussetzung für den Techniker, um Ausfallzeiten zu verringern und Dienstunterbrechungen zu verhindern.

Dan Payerle Barrera ist Global Product Manager Data Cable Testers bei Ideal Networks, www.idealnetworks.com.


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