Alternative USV-Technik

Stromversorgung mit Schwung

12. August 2011, 6:00 Uhr | Uwe Schrader-Hausmann/jos, Chief Technical Officer and Vice President Engineering bei Active Power

Anlagen für die unterbrechungsfreie Stromversorgung sind über viele Jahre hinweg im Dauerbetrieb. Die Verlustleistungen summieren sich über die Zeit bei Kosten und CO2-Emission zu enormen Beträgen. Durch einen Leistungssprung beim Wirkungsgrad und eine lange Lebensdauer sollen batteriefreie Lösungen die Belastungen erheblich verringern.Rechenzentren sind Stromfresser. In Deutschland verbrauchen sie nach Angaben des Borderstep-Instituts ungefähr die Jahresproduktion von vier mittelgroßen Kohlekraftwerken, für den Betrieb der IT-Last als solcher und der für ihren Betrieb notwendigen Infrastruktur, Klimatisierung und unterbrechungsfreie Stromversorgung. Einer Untersuchung von Intel aus dem Jahr 2008 zufolge beläuft sich der Anteil der Stromversorgung auf sechs bis sieben Prozent der gesamten Energieaufnahme in Rechenzentren, andere Schätzungen kommen auf bis zu 15 Prozent.

Wenn es darum geht, die Betriebskosten im Rechenzentrum zu senken oder den PUE-Wert (Power Usage Effectivness) zu verbessern, lohnt sich ein Blick auf das Einsparpotenzial bei den USV-Systemen, die die Versorgung kritischer Lasten bei Stromstörungen sichern. Sie nutzen Energiespeicher - in der Regel Batterien - aus denen sie die Last versorgen, wenn der Netzstrom ausfällt oder qualitative Grenzwerte nicht einhält.

Wirkungsgrad

Ausschlaggebend für den Energieverbrauch ist in erster Linie der Wirkungsgrad der USV, definiert als Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsleistung unter festgelegten Betriebsbedingungen. Er wird zum einen durch den Eigenverbrauch der USV-Anlage verringert, zum anderen durch Prozesse, die im Zusammenhang mit dem Energiespeicher anfallen. Vergleichbar mit einem Auto im Leerlauf nehmen alle USV-Typen eine Basisleistung beispielsweise für Steuerung auf. Der Löwenanteil der Verluste entstehen jedoch durch die Wandlungsprozesse, die für die Energiespeicherung in Batterien erforderlich sind: Die üblicherweise in Rechenzentren eingesetzten Doppelwandler (VFI-SS-III) wandeln permanent Wechselstrom aus dem Netz in Gleichstrom um, mit dem die Batterie versorgt wird, die dann die Last speist und bei Ausfall des Primärnetzes die Energiezufuhr aufrechterhält. Für den Betrieb der angeschlossenen AC-Lasten müssen die Systeme den Gleichstrom wieder zu Wechselstrom konvertieren.

Effizienzverbesserungen ergeben sich zum einen durch optimierte Stromrichterventile und digitale Komponenten in IGBT-Technik (Isolated Gate Bipolar Transistor), wie sie im Wesentlichen alle USV-Hersteller einsetzen, zum anderen aus dem so genannten Eco-Modus, dem Betrieb der USV über den Bypass, allerdings unter Verzicht auf Funktionen der Spannungsaufbereitung. Moderne Doppelwandler kommen heute deshalb ohne Weiteres auf Werte von 95 Prozent und darüber. Allerdings kommt selbst der beste Wirkungsgrad nur dann voll zum Tragen, wenn die Auslastung der USV-Anlage stimmt - im Dauerbetrieb bei etwa 70 bis 90 Prozent. Üblich im Rechenzentrum jedoch ist Teillastbetrieb, abhängig von der Architektur mit einer Auslastung zwischen 30 und 60 Prozent.

Da der Basisbedarf der USV unabhängig von der angeschlossenen Last besteht, sinkt der Wirkungsgrad fast direkt proportional zur Last: Messungen im Praxisbetrieb, die das Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) an USV-Systemen im Normal-Modus vorgenommen hat, zeigten Werte von meist 80 bis 90 Prozent bei einer Belastung von 33 Prozent und von 85 bis 94 Prozent bei einer Belastung von 50 Prozent (Bild 1).

Kinetische statt elektrochemische Energie

Eine andere Möglichkeit der Effizienzverbesserung besteht darin, für die Energiespeicherung andere als das herkömmliche elektrochemischeVerfahren zu nutzen. Active Power hat nach eigenen Angaben dazu die so genannte Clean-Source-Technik entwickelt. Dabei speichert ein Schwungrad (Flywheel) kinetische Energie in rotierenden Massen. Im Normalbetrieb dreht sich das Schwungrad mit gleichbleibender Geschwindigkeit; die Last wird aus dem Versorgungsnetz gespeist. Ist dieser Stromfluss unterbrochen, wandelt das System die im Schwungrad gespeicherte Energie in elektrische Energie um. Liegt wieder Spannung vom Versorgungsnetz an, schaltet das System sowohl die Last als auch das Schwungrad für die Wiederaufladung auf das Versorgungsnetz zurück. Das System bereinigt außerdem sämtliche in IEEE aufgeführten Netzstörungen. Bei einer Überschreitung der Grenzwerte schaltet es absolut unterbrechungsfrei ohne jegliche Verzerrung der Ausgangspannung auf die Versorgung über das Schwungrad um (Bild 2).

Das Schwungrad hat die volle Ladungskapazität mit 7.700 Umdrehungen pro Minute erreicht, einsatzbereit ist die USV bei 4.000 Umdrehungen pro Minute. Je nach Entladungstiefe dauert die Ladezeit zwischen wenigen Sekunden und zwei Minuten und bleibt selbst bei der Inbetriebnahme der Anlage unter fünf Minuten. Der Wirkungsgrad von Active Powers Flywheel-basierenden USV-Systemen lag den LBNL-Untersuchungen zufolge bei 98 Prozent bei optimalen Lastbedingungen und sank selbst bei ungünstigen Lastverhältnissen von 33 Prozent nicht unter 95 Prozent.

Der Wirkungsgrad beeinflusst nicht nur die Betriebskosten der USV, sondern auch die Kosten für die Klimatisierung. Die beim Betrieb entstehenden Verluste sind als Wärme abzuführen. Je geringer der Wirkungsgrad, desto mehr Wärme geben die Systeme ab. Außerdem ist für die Batterien aufgrund der chemischen Prozesse ein eng gefasster Temperaturbereich von 20 °C bis 25 °C einzuhalten, damit sich ihre Lebenszeit nicht verkürzt. Dies zieht zusätzlich zur Kühlung der Server-Racks Bedarf an Klimatisierung für USV und Batterien in Form leistungsfähigerer Systeme und höherer Betriebskosten nach sich. Da die Flywheel-USV im Temperaturbereich von 0 °C bis 40 °C ohne Einschränkungen arbeitet, ist laut Hersteller nur für ausreichende Belüftung zu sorgen.

Das Schwungradverfahren ermöglicht zudem eine sehr kurzfristige Bereitstellung hoher Energiemengen und eignet sich für die zuverlässige Absicherung großer Lasten bei Kurzzeitausfällen - 96 Prozent der Stromausfälle in Deutschland sind kürzer als eine Sekunde. In Rechenzentren ab Bitkom-Kategorie C bezeihungsweise Tier II muss darüber hinaus bei einem Stromausfall der Dieselgenerator innerhalb von 15 Sekunden die Versorgung der Last übernommen haben. Beim Einsatz der Cleansource UPS geht die Last innerhalb von 13 Sekunden nach dem Netzausfall an den Generator über. (Bild 3). Die für die Stromversorgung von Rechenzentren übliche Überbrückungszeit von 15 Minuten erhöht die Wahrscheinlichkeit nicht, dass der Diesel nach einem Fehlstart bei einem zweiten Startversuch anspringt, da häufig Batterieprobleme den Dieselausfall verursachen. Sie verschärft lediglich das Temperaturproblem im Rechenzentrum: Die integrierte Server-Temperaturüberwachung schaltet einen 15-kW-Bladeserver-Schrank nach rund 45 Sekunden wegen Überhitzung ab, unabhängig von der verbleibenden Batteriekapazität.

Der Ersatz der Batterien durch die Flywheel-Technik bringt über Energieeinsparungen hinaus weitere Vorteile, so die Verfechter. Beispielsweise entfallen die Kosten für neue Batteriesätze. Da jeder Lade- und Entladevorgang der Batterie unabhängig von den verwendeten Inhaltsstoffen Material verbraucht, muss ein Austausch alle drei bis fünf Jahre erfolgen, damit sich ein Höchstmaß an Verfügbarkeit sicherstellen lässt. Die Batteriekosten für eine Überbrückungszeit von 15 Minuten bei einer 500-kVA-Anlage belaufen sich auf 20.000 Euro, in den etwa zehn bis zwölf Jahren Lebenszeit einer USV-Anlage fallen durch das Austauschen der Batterien zusätzlich mindestens weitere 20.000 Euro an.

Schwungräder dagegen sind auf eine Lebenszeit von bis zu 20 Jahren ausgelegt und sind so lange nutzbar wie die USV-Anlage, in die sie eingebaut sind. Die Flywheel-Technik stellt damit ein hohes Maß an Nachhaltigkeit im Umgang mit den Ressourcen sicher, die für den Bau der Anlagen zum Einsatz gekommen sind. Außerdem entfallen Umweltbelastungen, wie sie bei der Entsorgung oder beim Recyceln der in Batterien verwendeten giftigen Inhaltsstoffe entstehen.

Die Kosten für Schwungrad-USV-Anlagen liegen über denen für eine USV-Anlage derselben Leistungsklasse in herkömmlicher Bauweise. Die Differenz ist in erster Linie den höheren Kosten für das Hightech-Schwungrad geschuldet. Den Mehrkosten bei der Anschaffung stehen Einsparungen bei Wartung und Ersatz von Batterien, beim Platzbedarf und bei den Stromkosten gegenüber. Die Schwungradlösungen machen sich im Schnitt nach zweieinhalb Jahren bezahlt: Geht man von einen um vier Prozentpunkte höheren Wirkungsgrad gegenüber einem Doppelwandler aus, liegen bei der Cleansource UPS die Einsparungen im Verbrauch im Jahr bei rund 380.000 kWh. Dies beläuft sich bei den Stromkosten für den Betrieb der USV auf rund 45.600Euro jährlich, die Kosten für die Kühlung sinken um bis zu 15.000 Euro. Der CO2-Ausstoßvermindert sich um bis zu 273 Tonnen jährlich.

Bild 3. Der Ablauf der Dieselzuschaltung.

Bild 2. Schaltbild des Funktionsprinzips der Schwungrad-USV.

Bild 1. Messungen des USV-Wirkungsgrads.
LANline.

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