Kältemittel: Der Wandel ist bereits in vollem Gang

Weniger Treibhausgase

1. Juni 2022, 7:00 Uhr | Oliver Fronk/jos
© Wolfgang Traub

Ein Paradigmenwechsel steht für Kälteanlagen in Rechenzentren an. Fast alle Fachleute sind sich einig: Die Zeit der natürlichen Kältemittel ist angebrochen – eine Bestandsaufnahme ist nötig.

Rechenzentren sind in der digitalisierten Welt unverzichtbar. Aber: Rechenzentren sind auch Umweltsünder. Sie benötigen einerseits viel Strom. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur verbrauchen Rechenzentren etwa 200 Terawattstunden (TWh) Strom jährlich, was fast einem Prozent des weltweiten Strombedarfs entspricht, und tragen zu 0,3 Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen bei. Dabei beträgt der Aufwand nur für die Kühlung der sensiblen IT-Systeme bis zu einem Drittel des Strombedarfs in einem Rechenzentrum. Andererseits tragen die für die Kühlung eingesetzten Kälteanlagen zusätzlich zur schlechten Umweltbilanz von Rechenzentren bei. Denn für zur Kühlung dienen umweltschädliche Kältemittel.

Was nur wenigen bekannt ist: Rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind auf die Kälte-/Klimatechnik zurückzuführen. Ein Viertel davon entfällt auf die Freisetzung klimaschädlicher Kältemittel. In den vergangenen Jahren hat sich viel bewegt, was die Verbesserung der Energieeffizienz angeht. Die Thematik der Kältemittel rückt jedoch erst jetzt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Gängige Kältemittel mit hohem Treibhauspotenzial

Derzeit nutzen Betreiber für die Kühlung von Rechenzentren vorwiegend synthetische Kältemittel. Diese bieten einen hohen Grad an Sicherheit und sind daher in der Handhabung einfach. Das Problem: Sie haben ein hohes Treibhauspotenzial (GWP, Global Warming Potential ist der potenzielle Beitrag eines Stoffs zum Treibhauseffekt) und damit negativen Einfluss auf den Klimawandel. Es handelt sich in der Regel um fluorierte oder teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW). Sie tragen bis zu 4.000-mal stärker zur Erderwärmung bei als CO2. Obwohl sie im Kyoto-Protokoll als Treibhausgase aufgeführt sind, kommen sie nach wie vor in hoher Zahl in Kälteanlagen zum Einsatz. Seit den Klimaabkommen von Paris (2015) und der Ergänzung zum Montreal-Protokoll von Kigali (2016) steht allerdings fest, dass die HFKWs künftig nicht mehr eingesetzt werden dürfen – und zwar nicht nur in Europa, das aufgrund seiner F-Gase-Verordnung auf diesem Gebiet Vorreiter ist.

HFO-Kältemittel sind nicht die Lösung

Die EU-F-Gase-Verordnung reglementiert die Verwendung, um die „Inverkehrbringung“ und den Einsatz dieser klimaschädlichen Stoffe deutlich zu reduzieren. Die Regulierung verknappt jedoch lediglich die Menge der Gase und erhöht ihren Preis, was sie unattraktiver macht. F-Gase sind bislang aber nicht generell verboten. Zudem besteht ein florierender Schwarzmarkt für HFKW-Kältemittel. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden nach Angaben des EFCTC (European Fluorocarbons Technical Committee) bis zu 73 Millionen Tonnen CO2-äquivalente HFKWs illegal in die EU eingeführt.

Als Alternative preist die Kältemittel-Industrie sogenannte HFO-Kältemittel an, die allerdings inakzeptable Nachteile aufweisen. Sie werden in der Natur zu persistenter Trifluoressigsäure (TFA) abgebaut, die sich in Oberflächengewässern, im Grundwasser und in den Meeren anreichert. TFA ist nur sehr schwer wieder aus dem Wasser zu entfernen und findet sich inzwischen auch in geringen Mengen im Trinkwasser. TFA ist bereits in verdünnter Form schädlich für Wasserorganismen und steht in Verdacht, auch das menschliche Zentralnervensystem zu beeinflussen.
Aus diesen Gründen sind HFO-Kältemittel kein akzeptabler Ersatz für die Kühlung in Rechenzentren, auch wenn sie einen niedrigen GWP vorweisen können. HFO-Kältemitteln ersetzen nur ein Umweltproblem durch ein anderes.

Die klimafreundliche Alternative

Bei natürlichen oder naturidenten Kältemitteln handelt es sich um Stoffe, die in der Natur bereits in erheblichen Mengen vorhanden sind. Auch diese Kältemittel werden synthetisch hergestellt, ihre Moleküle kommen jedoch seit Millionen von Jahren in der Natur vor. Bei all diesen Stoffen liegt das Treibhauspotenzial (GWP) deutlich unter 10. Ihre Freisetzung in die Atmosphäre durch den Menschen, ob absichtlich oder unabsichtlich, stört daher das ökologische Gleichgewicht nicht. Dies ist zum Beispiel bei Ammoniak, Kohlendioxid und bei Kohlenwasserstoffen wie Propan oder Isobutan, bei Wasser und Luft der Fall. Allerdings bringen diese Stoffe andere Nachteile mit sich. Sie sind zum Teil leicht brennbar oder hochentzündlich und/oder toxisch. Deshalb hat man in der Vergangenheit auf ihre Nutzung in Kälteanlagen verzichtet.

Entflammbarkeit und Toxizität sind wichtige Überlegungen bei der Bewertung von Kühlmitteln. Vor allem bei kritischen Infrastrukturen wie Rechenzentren hat der Brandschutz oberste Priorität, sodass leicht entflammbare Optionen wie Ammoniak und Propan bislang nicht in Frage kamen. Mittlerweile ist die Technik vorhanden, die eine niedrige Füllmenge ermöglicht, sodass sich das Risiko dieser Stoffe auf ein akzeptables Niveau reduziert. Nicht zuletzt ist die lokale Sicherheit bei Verwendung von brennbaren oder giftigen Kältemitteln definitiv einfacher in den Griff zu bekommen als die globalen Umweltprobleme, die durch den Einsatz von HFKW entstehen. Die Lösungen sind da - jetzt liegt es an den Rechenzentrumsbetreibern, die Art des Kältemittels nicht nur nach Sicherheits- und Kostenaspekten auszuwählen, sondern auch in Bezug auf deren Umweltbelastung.

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