Datacenter im Klimawandel

Grüner rechnen

17. Januar 2022, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Der Spagat ist keine leichte Übung – den RZ-Betreibern steht einer bevor. Seit 2010 hat sich die Zahl der Internetnutzer weltweit verdoppelt, der globale Internetverkehr ist um das 15-fache gestiegen, so die IEA (International Energy Agency) in einem Report vom November 2021 – nur ein Indiz für die steigende Bedeutung von Rechenzentren in Zeiten der Digitalisierung. Doch die digitale Ära ist auch eine der Überhitzung unserer Lebenswelt. Zirka ein Prozent des weltweiten Stromverbrauchs entfallen laut IEA auf Datacenter, weitere 1,1 bis 1,4 Prozent auf die Netze. Die RZ-Branche ist gefordert, immer mehr Leistung zu liefern, zugleich aber den Ausstoß an Treibhausgasen zu minimieren. Über diese technologisch-ökologische Akrobatik sprach LANline mit Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut, einem der führenden Forscher zum Thema Green IT.

LANline: Die IT gilt unter den Branchen als Saubermann, weil sie Effizienzsteigerungen ermöglicht und so auch häufig hilft, Energie zu sparen. Zugleich aber betrug laut IEA im Jahr 2020 der Energiebedarf der Rechenzentren weltweit 200 bis 250 TWh, zuzüglich zirka 100 TWh für das Mining von Kryptowährungen, das damit unglaublich umweltschädlich ist. Laut Borderstep-Berechnungen ist der RZ-Energiebedarf hierzulande letztes Jahr von 15 auf 16 TWh (wörtlich: „Milliarden kWh“) gestiegen. Wie gut stehen die deutschen Rechenzentren damit im internationalen Vergleich in puncto Energieeffizienz da?
Ralph Hintemann: Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. In Skandinavien zum Beispiel ist es wesentlich einfacher als hier, einen niedrigen PUE-Wert und damit eine hohe Effizienz der Klimatisierung zu erreichen, in Spanien ist es wiederum deutlich schwieriger. Generell kann man sagen, dass in Deutschland im internationalen Vergleich relativ viel Aufwand betrieben wird, um effizient zu sein. Untersuchungen belegen, dass die RZ-Infrastrukturtechnik in deutschen Rechenzentren gut dasteht, auch weil wir relativ viele neuere Rechenzentren haben. Insbesondere in den letzten fünf Jahren sind die Rechenzentrumskapazitäten nochmals deutlich gewachsen. Und wer heute ein neues Rechenzentrum baut, der schaut allein schon wegen der Strompreise auf die Effizienz. Die ganz großen Betreiber bauen natürlich überall auf der Welt nach dem gleichen Standard. Für sie lohnt es sich nicht, in Deutschland ganz anders vorzugehen, wobei allerdings letztlich jedes Rechenzentrum doch ein bisschen individuell geplant wird. Ein Wermutstropfen: Wir haben in Deutschland und Europa noch deutlich mehr On-Premise-Rechenzentren als beispielsweise asiatische Länder oder die USA. Diese sind im Durchschnitt nicht so effizient wie große Cloud-Rechenzentren.

LANline: Haben Sie da eine konkrete Zahl für mich, wie hoch der Anteil der On-Premise-Rechenzentren in Deutschland ist?
Ralph Hintemann: Hier muss man unterscheiden: Geht man nach der Zahl der Rechenzentren? Dann wäre der On-Premise-Anteil riesig. Oder geht man nach Fläche oder Leistung? Der Anteil reiner Cloud-Rechenzentren in Deutschland – bei denen man davon ausgehen kann, dass sie auf höchste Effizienz getrimmt sind – liegt dann bei rund einem Drittel, bezogen auf die IT-Leistung wie auch nach Quadratmetern. Der restliche Bestand ist aber nicht automatisch On-Premise, es gibt ja noch Colocation und Managed-Service-Provider etc. Internationale Studien gehen weltweit von einem Anteil von 60 bis 70 Prozent Cloud-Rechenzentren aus, aber in Europa erreichen wir solche Zahlen bislang nicht. Laut Eurostat nutzen nur ein Drittel der europäischen Unternehmen überhaupt Cloud-Services.

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 Dr. Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut
Sieht im RZ-Markt noch einigen Bedarf, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu vereinen: Dr. Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut.
© Borderstep Institut

LANline: Lässt sich sagen, welcher Anteil des hiesigen Anstiegs von 15 auf 16 TWh 2020 durch verstärktes mobiles Arbeiten, also zum Beispiel durch die vielen Online-Videokonferenzen, entstanden ist und was Teil des seit Jahren ohnehin steigenden RZ-Energiehungers war?
Ralph Hintemann: Eine exakte Zahl lässt sich da nur schwer nennen. Erhöht sich bei gleicher Infrastruktur die Auslastung, dann steigt der Energiebedarf – aber meist nur in geringem Umfang. Zugleich wurde aber einiges ausgebaut, insbesondere wurde sehr schnell zusätzliche Netzwerktechnik installiert, einfach weil Bedarf bestand. Umgekehrt gab es durch Corona aber auch weniger On-Premise-Investitionen – insbesondere im KMU-Bereich – und auch weniger Nutzung von klassischen Anwendungen zum Beispiel im produzierenden Gewerbe. Deshalb hat sich das im Vergleich zum Wachstum in den vorherigen Jahren ungefähr ausgeglichen. Im Cloud-Segment hat sich das deutliche Wachstum letztes Jahr fortgesetzt – es wäre aber wohl noch deutlich größer ausgefallen, hätte es keine Probleme gegeben wie etwa, dass Planungs- und Genehmigungsprozesse verzögert wurden, keine Fachleute auf den Baustellen waren oder die Hardware gar nicht so einfach zu beschaffen war. Die Server-Verkaufszahlen in Deutschland sind letztes Jahr jedenfalls etwas eingebrochen. Allerdings beschaffen die großen Cloud-Provider ihre Server nicht unbedingt über den deutschen Markt.


  1. Grüner rechnen
  2. Technikstand im RZ
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