Interview mit Borderstep-Forscher Dr. Jens Clausen

Home-Office: Nicht so grün wie gedacht

27. Januar 2022, 7:00 Uhr |
Dr. Jens Clausen, Mitgründer und Senior Researcher des Borderstep Instituts.
© Tom Deutschmann

Zu Beginn der Pandemie-Lockdowns lobten viele die potenziellen Umweltvorteile von Remote Work über den grünen Klee: weniger Pendelfahrten, weniger Dienstreisen, also weniger Treibhausgase! In der Tat entlastet der Rückgang des Dienstreisenaufkommens die Umwelt. Doch laut einer Borderstep-Studie vom Herbst letzten Jahres ist mit Blick auf die ökologischen Vorteile der Home-Office-Nutzung nicht alles Gold, was grünlich schimmernd glänzt.

„Durch vermehrte Arbeit im Home-Office, so ist von zahlreichen Instituten immer wieder berichtet worden, wird der Pendelverkehr reduziert. Dies leiste einen Beitrag zum Klimaschutz. Dieser Schluss greift aber, wie wir jetzt deutlich zeigen können, zu kurz und wirft kritische klimapolitische Fragen auf“, so ein Ergebnis des Borderstep-Reports „Klimaschutzpotenziale der Nutzung von Videokonferenzen und Home-Office (Teil 2)“ von Dr. Jens Clausen, Mitgründer und Senior Researcher des Borderstep Instituts, und Stefanie Schramm. „Es entspricht aber nicht der Realität, dass eine Fahrt immer nur einem Zweck dient“, heißt es in dem Bericht. „Mit der Fahrt zur Arbeit wird es verbunden, die Kinder in die Schule zu bringen, einzukaufen oder bei den pflegebedürftigen Eltern vorbeizuschauen.“

Denn weiterhin stehen beim Autoverkehr die Zeichen auf grün – damit aber eben gerade nicht für die Umwelt. So gaben 45 Prozent der 500 im Juni 2021 von Borderstep Befragten an, dass sich an ihrer täglichen Fahrstrecke nicht viel ändern werde. 24 Prozent erwarteten, dauerhaft weniger fahren zu müssen, während aber zugleich 18 Prozent die Erwartung äußerten, künftig mehr fahren zu müssen, im Schnitt zirka 44 km pro Tag. Die Folgerung der beiden Borderstep-Forschenden: „Unsere Befragung lässt also den Schluss, dass die gefahrenen Strecken aufgrund von Home-Office zurückgehen werden, explizit nicht zu.“ Über die ökologischen Auswirkungen der verstärkten Home-Office-Nutzung und des veränderten Dienstreiseverhaltens sprach LANline mit dem Studienleiter Dr. Jens Clausen.  

LANline: Herr Clausen, was sind die ökologischen Auswirkungen des Home-Office-Trends?

Jens Clausen: Bei einer Borderstep-Umfrage erklärten 70 Prozent der Beschäftigten, dass sie künftig zwei Tage oder mehr die Woche im Home-Office arbeiten wollen. Dabei nutzen die Beschäftigten die Geräte, die sie sonst im Büro brauchen, nun eben zu Hause. Ökologisch gesehen macht das kaum einen Unterschied. Bei zwei Borderstep-Befragungen haben einmal 20 Prozent, das andere Mal 24 Prozent gesagt: Wir haben eine größere Wohnung gemietet oder werden eine größere mieten, denn wir brauchen Platz fürs Home-Office. Andere haben ein bislang nicht genutztes Zimmer – etwa ein Dach- oder Gästezimmer – als Home-Office in Betrieb genommen und beheizen es nun regelmäßig. Dies belastet zwar den Wohnungsmarkt nicht, steigert aber ebenfalls den Energieverbrauch. Ein dritter Trend: Einige, die im Home-Office arbeiten können, ziehen in die Nähe von Freunden oder Verwandten, in eine andere Stadt oder wollen einfach weiter draußen wohnen, da sie weniger pendeln müssen. Wenn man aber einmal pro Woche 100 Kilometer ins Büro pendelt statt fünfmal die Woche 20 Kilometer, dann hat man nach Adam Riese wenig gewonnen.

LANline: Das bedeutet also: keine Verbesserungen durch mehr Home-Office?

Jens Clausen: Eltern mit kleinen Kindern profitieren sehr vom Home-Office, ebenso Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen. Und dass man die gesparte Mobilitätszeit nun vorteilhafter nutzen kann, finden sogar diejenigen Befragten mehrheitlich positiv, die mit dem Home-Office sonst eher unzufrieden sind. Allerdings macht Home-Office die Welt eigentlich nicht „grüner“ – größere Wohnungen fressen die Einsparungen bei der Mobilität wieder auf.

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