Wie Umwelt und Business von der IT profitieren

Intelligenter haushalten

11. März 2010, 8:09 Uhr | Jörg Lenuweit/wg

Durch vielerlei Maßnahmen lässt sich der Energieverbrauch in der professionellen IT ohne wesentliche Neuinvestitionen um bis zu 25 Prozent reduzieren. Vor allem der Einsatz intelligenter Messtechnik und Analysesoftware erlaubt es, zu erkennen, wo gespart werden muss oder kann. Handlungsbedarf und Lösungen sind damit auch außerhalb der IT-Welt schneller aufzuspüren.

Laut Schätzungen von Gartner ist der Betrieb der IT-Infrastrukturen in etwa so energieaufwändig
wie der weltweite Flugverkehr. Rund zwei Prozent der gesamten CO2-Emissionen entfallen auf den
IT-Betrieb. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Gelänge es, den CO2-Ausstoß heutiger Rechenzentren um
die Hälfte zu reduzieren, wäre der Effekt derselbe, wie wenn nur noch halb so viele Flugzeuge die
Atmosphäre verpesteten. Hier hat der Einsatz für eine grüne IT bereits zu beachtlichen Ergebnissen
geführt. Aber der Beitrag der IT für die Umwelt beschränkt sich nicht allein auf die
energieeffizientere Nutzung der eigenen Ressourcen. Die zunehmende Digitalisierung mittels
Sensoren, deren Vernetzung und Anbindung an Analysesoftware eröffnet heute intelligente Wege, um
generell wirtschaftlicher mit Energie zu haushalten.

Dies beginnt bei der Messung. Moderne Software misst den Stromverbrauch von Geräten oder
Infrastrukturen über die Zeit. Dabei zeigt sich nicht nur genau, in welchen Zeiträumen weniger
Energie erforderlich ist, als bereitgestellt wird, sondern auch, wie hoch die Beträge und
Grenzwerte sind. Nicht nur den Verbrauch macht dies transparent. Mittels moderner
Service-Management-Software lässt sich auch die Energiebereitstellung flexibel und automatisiert
dem tatsächlichen Bedarf anpassen. Sinkt beispielsweise der Rechenaufwand für einen bestimmten
Vorgang, dann lassen sich die entsprechenden Prozessoren in Ruhemodus setzen. Sie benötigen dann
auch keine Kühlenergie mehr.

Was für die Versorgung mit IT-Leistung gilt, trifft in noch größerem Ausmaß für die Stromnetze
von heute zu. Sie wurden zu einer Zeit entwickelt, als Strom billig und die Umwelt noch nicht
Topthema waren und der Kunde in der Unternehmensstrategie nicht besonders berücksichtigt werden
musste. Deshalb arbeiten sie für heutige Maßstäbe extrem ineffizient: Da keine oder nur wenige
intelligente Systeme vorhanden sind, um für Lastausgleich zu sorgen und den Leistungsfluss zu
überwachen, geht in den Stromnetzen weltweit so viel Elektrizität verloren, dass damit Indien,
Deutschland und Kanada versorgt werden könnten.

Versorger im digitalen Zeitalter

Daher müssen Versorgungsunternehmen heute ihre Stromnetze um digitale Intelligenz erweitern. In
diesen intelligenten Stromnetzen kommen Sensoren, Messgeräte, digitale Steuerungselemente und
Analyseinstrumente zum Einsatz, um den bidirektionalen Energiefluss bereichsübergreifend zu
automatisieren, zu überwachen und zu steuern – vom Kraftwerk bis zur Steckdose. Durch Technik wie
beispielsweise Service- und Asset-Management-Software kann ein Energieversorger die Leistung des
Stromnetzes optimieren, Ausfälle vermeiden und die Stromversorgung nach Ausfällen schneller
wiederherstellen. Er kann es seinen modernen, umweltbewussten Kunden ermöglichen, den
Energieverbrauch bis auf Ebene des einzelnen vernetzten Geräts zu steuern. "Intelligente"
Stromnetze integrieren auch neue, nachhaltige Energiequellen wie Wind- und Solarenergie, selbst
dezentrale Stromquellen und elektrische Fahrzeuge lassen sich lokal einbinden.

Ein führender spanischer Energieversorger beispielsweise nutzt ein automatisches
Energie-Management-System, das über 300 Industriekunden, 900 Dienstleistern und 11.000
Privathaushalten hilft, ihren Energieverbrauch zu kontrollieren. Die Kunden erhalten detaillierte
Verbrauchsprotokolle und sehen so, wann und wo sie ihre höchsten Ausgaben haben und wie sie diese
minimieren können. Außerdem ermöglicht ihnen das System den flexiblen Wechsel oder Bezug ihrer
Energie rein aus erneuerbaren Quellen. Das Modell einer intelligenten, bedarfsorientierten
Versorgung ist aber nicht auf die Energieversorgung beschränkt. Auch die Gas- oder Wasserzuteilung,
ja sogar die Ernährung ließe sich über intelligente Monitoring- und Steuerungssysteme effizienter
und damit umweltschonender managen.

Weltweit stockender Verkehr

Eine weitere umwelttechnische Problemzone ist der Verkehr. In den USA wuchs die Bevölkerung
zwischen 1982 und 2001 beispielsweise um 20 Prozent, der Verkehr hingegen um 236 Prozent. Die
Innenstädte sind bereits heute überlastet. Dabei schreitet die Urbanisierung mit großen Schritten
voran. Man nimmt an, dass in dreißig Jahren 70 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in Städten
leben wird. Diese Entwicklung stellt die städtische Infrastruktur vor enorme Herausforderungen, die
ohne intelligente Technik gar nicht zu bestehen sein werden.

Denn häufig ist der Neu- und Ausbau von Straßen einfach nicht mehr möglich – Straßen und
Fahrzeuge hingegen können noch intelligenter gestaltet werden: mit Sensoren am Straßenrand,
Transpondern und GPS. Auf Basis solcher Technik arbeitet beispielsweise in Stockholm ein neues
intelligentes Mautsystem, das erheblich zur Reduktion von Verkehr und damit CO2-Emissionen
beiträgt. In London ließ sich mithilfe eines Stau-Management-Systems das Verkehrsaufkommen sogar
auf den Stand von Mitte der Achtzigerjahre senken. In Singapur vereinfacht ein System zur
Verkehrsvorhersage die Umleitung und Steuerung des Verkehrs im gesamten Stadtgebiet, um größere
Staus und Überlastungen zu vermeiden.

Ressourcenschonend arbeiten

Auch in der Arbeitswelt eröffnen die Methode der kleinen Schritte und intelligente Technik viele
Möglichkeiten, schonender mit den Ressourcen umzugehen. Ein einfaches Beispiel ist der Einsatz
zentraler Drucker. Durch sie lässt sich der Papierverbrauch der verschiedenen Abteilungen oder
sogar einzelnen Mitarbeitern genau messen. Je nach den Messergebnissen lassen sich die Geräte dann
so konfigurieren, dass das Papier und Toner den unterschiedlichen Aufträgen möglichst
wirtschaftlich zugewiesen wird.

Ein weiterer Bereich der Arbeitswelt, der neben viel Geld auch viel Energie kostet, betrifft die
Geschäftswege und -reisen. Da es hier häufig um den reinen Informationsaustausch geht, also keine
Güter bewegt werden müssen, kann die Kommunikation prinzipiell auch über andere Wege zustande
kommen. Moderne "E-Work"-Technik wie Web-Konferenzen, Videotelefonie oder Social Media bieten ein
ressourcenschonendes Äquivalent, das für die meisten Zwecke mehr als ausreichend ist.

Die Umweltschutzorganisation WWF hat bereits 2008 errechnet, dass jedes Jahr 22 Millionen
Tonnen CO2 eingespart werden können, wenn die Firmen in der Europäischen Union auf 20 Prozent ihrer
Geschäftsreisen mit dem Flugzeug verzichteten und stattdessen Videokonferenzen über das Internet
nutzten. Umgerechnet geht es hier um eine Menge an CO2, die den Abgasen von vier Millionen Autos
oder dem jährlichen Energiebedarf von zwei Millionen Haushalten entspricht.

Simulationen sparen Energie

Einen starken Beitrag leistet die IT auch, wenn es darum geht, die unzähligen Einflussfaktoren
auf die Umwelt in ein Modell zu bringen und deren Wirkung in Zukunft zu berechnen. Zum einen sind
Computersimulationen in der Regel ressourcenschonender als reelle Simulationen. Die Ausbildung von
Piloten und Schiffskapitänen zum Beispiel würde sehr viel mehr Energie verbrauchen, wenn die Flug-
und Schifffahrtsschüler alle ihre Praxisstunden in realen Cockpits oder auf echten Kommandobrücken
absolvieren müssten.

Simulationen sind heute aber auch eine unverzichtbare Hilfe, um ökologische Zusammenhänge ins
Bild zu setzen und aus dem Modell die richtigen Maßnahmen abzuleiten. In der Wasserwirtschaft
spielen entsprechende Visualisierungs- und Prognose-Tools bereits eine Schlüsselrolle. Hier ist der
Handlungsbedarf enorm: Jedes Jahr verschwendet beispielsweise allein die Agrarindustrie 60 Prozent
der 2.500 Billionen Liter Wasser, die sie weltweit benötigt.

Dagegen entwickeln beispielsweise IBM und die weltweite Organisation Nature Conservancy
innovative Werkzeuge für das Management von Flusseinzugsgebieten. Computersimulationen
visualisieren dabei in einer raumbezogenen 3D-Umgebung mögliche Auswirkungen veränderter
Richtlinien für Land- und Wassernutzung auf das Ökosystem und den Artenreichtum. Durch IT lassen
sich somit große Flüsse wie zum Beispiel heute bereits das Paraguay-Paraná-Flusssystem nachhaltiger
managen.

Wichtige Voraussetzungen für mehr Effizienz

Die CO2-Überlastung der Atmosphäre, die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und die
zunehmende Urbanisierung stellt die Welt vor große Herausforderungen. Doch die technische
Entwicklung zeitigt auch wirkungsvolle Hilfsmittel gegen diese Bedrohungen: Durch die massenhafte
Verbreitung von Transistoren und Sensoren, durch die Vernetzung von Menschen, Systemen und Dingen
und durch deren Verbindung mit intelligenter, hochleistungsfähiger Analysetechnik gewinnen wir die
Möglichkeit, die verfügbaren Ressourcen mit bisher nicht gekannter Effizienz zu nutzen. Diese
Chance müssen wir er-greifen.

Jörg Lenuweit ist Fachautor in München.


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