Natural Free Cooling

Kühl, sauber und sparsam

19. April 2012, 6:00 Uhr | Christian Steininger/jos, Geschäftsführer von Cancom Physical Infrastructure.

Die Kühlung von Rechenzentren mit Umgebungsluft spart Energie, kann jedoch unerwünschte Nebeneffekte durch den Eintrag von negativen Luftbestandteilen bewirken. Eine Klimatisierung auf Basis des Heatpipe-Prinzips vermeidet die Kontamination der Hardware und ermöglicht PUE-Werte von unter 1,1.

 

Das Prinzip der freien Kühlung macht sich die Tatsache zunutze, dass die Außenluft an vielen Tagen des Jahres kühl genug ist, um damit Server zu kühlen. In diesen Phasen muss man also keine Strom fressende Kompressionskältemaschine anwerfen – zur effektiven Klimatisierung genügt ein Ventilator, der die kühle Außenluft in den Kaltgang des Rechenzentrums bläst.
 
Doch Temperatur ist nicht alles, und Luft ist nicht gleich Luft. Umgebungsluft enthält immer auch Staub, also feste Partikel oder gar aggressive Gase, und bei Rechenzentren in Ballungszentren können durch die freie Kühlung erhebliche Mengen Feinstaub in die Server-Räume gelangen. Um Schädigungen der empfindlichen Hardware zu vermeiden, sind daher Filteranlagen und regelmäßige Wartungen notwendig.
 
Weniger offensichtlich und daher oft unterschätzt ist das Problem der Luftfeuchtigkeit. Dort stellt sich in unserem gemäßigten Klima seltener das Problem, dass mit der Außenluft zu viel Feuchte an die Geräte gelangt. Vielmehr berichten Rechenzentrumsbetreiber immer wieder davon, dass sich Jahr um Jahr in den Wintermonaten unerklärliche Ausfälle von Hardware häufen. Führt man sich vor Augen, dass bei kaltem, trockenem Winterwetter die relative Luftfeuchtigkeit auf bis zu 15 Prozent sinken kann, liegt es nahe, den Grund in der freien Kühlung zu suchen. Denn sehr trockene Luft im Rechenzentrum erhöht die statische Aufladung der aktiven Komponenten. Dadurch ziehen diese mehr Staub an, der sie langfristig beschädigen kann. Tatsächlich führte in betroffenen Rechenzentren eine Überwachung der Humidität und gezielte Luftbefeuchtung im Bedarfsfall zum Verschwinden der winterlichen Hardwareprobleme.
 
Indirekte freie Kühlung mit Heatpipe
 
Probleme mit Partikeln und Feuchtigkeit lassen sich vermeiden, wenn man die Umgebungsluft nicht direkt ins Rechenzentrum saugt, sondern sie indirekt zur Kühlung nutzt. Möglich wird dies beispielsweise durch eine Lösung auf Basis des Heatpipe-Prinzips, wie sie unter dem Schlagwort „Natural Free Cooling“ (NFC) bereits in mehreren Rechenzentren erfolgreich eingesetzt wird, um den Kaltgang auf einer Temperatur von 23 bis 24 °C zu halten. Im Gegensatz zu direkten Freikühlungssystemen stellen die NFC-Module die erste Lösung am Markt für das Problem der gegenseitigen Beeinflussung von Kalt- und Warmbereichen und für Feuchtigkeit innerhalb des Rechenzentrums dar.
 
Heatpipes oder Wärmerohre begegnen der IT-Welt vor allem als Kühler von Prozessoren, beispielsweise an Notebooks. Doch auch die hier beschriebene Variante, die groß genug ist, um ganze Räume zu kühlen, macht sich dieselben physikalischen Prinzipien zunutze. Die relativ simple Konstruktion dieser Heatpipe besteht aus Kupferrohr, an dessen Innenwand sich ein Geflecht befindet. Das Zentrum des Rohrs ist hohl. In das Geflecht, den so genannten Docht, ist eine Kühlflüssigkeit eingebracht. Aufgrund des Kapillareffekts von Flüssigkeiten in engen Hohlräumen setzt sich dieses Kältemittel in Bewegung. Derselbe Effekt ist beispielsweise auch dafür verantwortlich, dass beim Eintauchen einer Pipette die Flüssigkeit entgegen der Schwerkraft in dem Glasrohr nach oben steigt.
 
In der Praxis stellt sich die Heatpipe als ein spulenartiger Kühlkörper aus mehrfach gebogenem Rohr dar. Damit erhöht sich die Oberfläche, die für den Kühlprozess zur Verfügung steht. Die Heatpipe wird so angebracht, dass ein Ende mit der warmen Abluft des Rechenzentrums in Berührung kommt, das andere Ende hingegen mit kühler Luft aus dem Freien. Dadurch sind das Rohr und das darin befindliche Kältemittel am äußeren Ende kälter als am inneren. An einem bestimmten Punkt beginnt die Flüssigkeit am warmen Ende zu verdampfen. Der Dampf wandert durch den Hohlraum im Rohr zu dessen kühlerem Ende. Dort kondensiert der Dampf wieder zu Flüssigkeit.
 
Dabei wird thermische Energie abgeführt, die entstehende Kondensflüssigkeit saugt der Docht auf. Im Docht wandert die Flüssigkeit aufgrund des Kapillareffekts wieder zurück ans warme Ende des Rohrs. Dort beginnt der thermische Kreislauf von Neuem.
 
Angetrieben vom Temperaturgefälle zwischen Innen- und Außenraum führt die Heatpipe somit permanent Wärme aus dem Server-Raum ab, ohne dass die Luftmassen miteinander in Berührung kommen. Der Transport der Wärme erfolgt ausschließlich innerhalb des Rohrs. Eine Verschmutzung der Luft im Innenraum durch von außen angesaugte Partikel ist also gar nicht möglich. Ein weiterer Vorteil gegenüber der herkömmlichen freien Kühlung betrifft direkt die Energiebilanz. Bei Außentemperaturen bis 19 °C treibt sich dieser Wärmeaustausch nämlich ganz von selbst an und verursacht kaum Betriebskosten. Zudem hat das Rohr keine beweglichen Teile und auch keinen anderen „Single Point of Failure“. Ein ausfallsicherer Dauerbetrieb der Heatpipe-Kühlung ist somit praktisch ohne Wartungsaufwand möglich.
 
Dank eines intelligenten Steuerungssystems ermöglichen NFC-Module eine jederzeit wirtschaftliche Anpassung ihres Betriebsmodus. Sie können selbsttätig zwischen Luft-Luft-Kühlung, adiabatische Kühlung und Kompressionskühlung wechseln. An Tagen mit mehr als 19 Grad Außentemperatur kann unterstützend auf das Prinzip der so genannten adiabatischen Zustandsänderung zurückgegriffen werden. Im konkreten Fall handelt es sich um eine adiabatische Verdunstungskühlung. Dies bedeutet: In die Luft, die das kühle Ende der Heatpipe umgibt, wird Wasser als feiner Nebel versprüht. Durch die Vernebelung des kalten Wassers sinkt die Lufttemperatur in der Umgebung. Damit lässt sich der Einsatz der Heatpipe auf Tage mit Außentemperaturen von bis zu 24 °C ausdehnen. Prinzipiell jedoch ist das Funktionieren der Heatpipe-Kühlung von der Feuchtigkeit der Außentemperatur unabhängig.
 
Kaltwassersatz
 
Um die vom ASHRAE-Standard (American Society of Heating, Refrigeration and Air Conditioning Engineers) geforderten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbereiche einzuhalten und um auch an Tagen mit mehr als 25 °C einen reibungslosen IT-Betrieb aufrechtzuerhalten, kommt ein konventioneller Kaltwassersatz zur Unterstützung hinzu.

Typischer Aufbau im herkömmlichen Rechenzentrum: Links im Bild das Rechenzentrum mit Kalt-/Warmgangtrennung. Neben dem RZ-Gebäude ist ein Container aufgestellt, der das Heatpipe-System und die Ventilatoren enthält. Diese pumpen Warmluft aus dem beziehungsweise Kaltluft in den Doppelboden des Rechenzentrums.

Adiabatische Kühlung: An warmen Tagen gelangt über eine Sprinkleranlage kaltes Wasser als feiner Nebel in die von außen angesaugte Luft, um diese herunter zu kühlen - mit weitaus geringerem Energieverbrauch als bei einer Kompressionskühlung.

Exemplarischer Aufbau einer Natural-Free-Cooling-Lösung: Die dunkle Säule in der Mitte ist die Heatpipe. Oben links saugt das System Kaltluft (blaue Pfeile) aus dem Freien an deren kaltes Ende an. Unten rechts ist die Warmluft (rote Pfeile) aus dem Server-Raum an das warme Ende geführt.
LANline.

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