Interview mit BCS-Chef Jim Hart

Nachhaltigere Rechenzentren

4. November 2021, 7:00 Uhr |
© Wolfgang Traub

BCS ist Spezialist für Entwicklung und Deployment von Rechenzentren. Der Dienstleister mit seinen 40 Beschäftigten hat laut Auskunft seines CEOs Jim Hart bereits den Aufbau von über 2,5 GW an RZ-Kapazitäten in Europa betreut, von Skandinavien bis Italien und Spanien, hierzulande etwa für Colt, Iron Mountain oder CloudHQ. LANline sprach mit Jim Hart über Nachhaltigkeit bei RZ-Planung und -Bau, das Verhältnis von Hyperscale-Rechenzentren und Edge Computing sowie die Effekte unseres Umgangs mit Daten.

LANline: Herr Hart, haben Sie bei den RZ-Betreibern einen verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit festgestellt, der über den Einsatz der neuesten und besten Server- und Kühltechnologie hinausgeht, um Geld zu sparen und die Betriebskosten zu senken?

Jim Hart: In den letzten zehn Jahren hat sich die Sichtweise der RZ-Betreiber allmählich grundlegend gewandelt. Rechenzentren verbrauchen sehr viel Strom, daher ist ihr CO2-Fußabdruck enorm. Die EU hat gerade eine Studie vorgestellt, die besagt, dass europäische Rechenzentren bis 2030 etwa 100 TWh Strom pro Jahr verbrauchen werden, und dass Rechenzentren etwa drei Prozent der weltweiten Stromerzeugung ausmachen werden. In den letzten drei bis fünf Jahren hat sich also der Umgang mit der Umwelt und der Nachhaltigkeit bei der Entwicklung und dem Einsatz von Rechenzentren massiv intensiviert.

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Sieht die Sanierung bestehender Bausubstanz als einen Weg zum nachhaltigen modernen RZ-Betrieb: Jim Hart, CEO des RZ-Planungsbüros BCS. Bild: BCS
Sieht die Sanierung bestehender Bausubstanz als einen Weg zum nachhaltigen modernen RZ-Betrieb: Jim Hart, CEO des RZ-Planungsbüros BCS.
© BCS

RZ-Technik ist sehr stromhungrig und erfordert viel Kühlung, und verschiedene Technologien sind im Einsatz, um dies zu verringern. Dazu gehören, wie Sie bereits erwähnten, die Effizienz der IT-Ausrüstung selbst, aber auch die Suche nach effizienteren Kühllösungen, nach erneuerbaren Energiequellen und nach Orten, an denen man freie Kühlung nutzen kann, wie etwa in Skandinavien, wo das im Überfluss vorhanden ist. Aber jetzt gibt es einen Ansatz, bei dem wir die Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachten. Der Bau von Rechenzentren erfordert in der Regel viel Stahl und Beton, und das durchschnittliche RZ in Europa ist etwa neun Jahre alt. Laut Gartner sind Rechenzentren, die älter als sieben Jahre sind, angesichts derzeitiger Effizienzsteigerungen bereits veraltet. Das bedeutet, dass es da draußen eine Menge Gebäude gibt, die ineffiziente Rechenzentren beherbergen. Viele dieser Gebäude haben einen Lebenszyklus von 40, 50 oder sogar 60 Jahren. Der Beton hat einen eingebetteten CO2-Fußabdruck von etwa 20 oder 30 Prozent, sodass der Abriss dieser Strukturen Verschwendung wäre. Deshalb denken unsere Kunden darüber nach, wie sie diese Strukturen sanieren, wiederverwenden oder umwidmen können, statt sie abzureißen und wieder von vorn zu beginnen.

LANline: Können Sie mir konkrete Beispiele nennen, wie eine solche Sanierung bei Ihren Kundenprojekten aussehen könnte oder tatsächlich aussieht?

Jim Hart: Ein gutes Beispiel sind derzeit die Finanzinstitute. Vor dem Crash von 2007/08 haben viele Finanzinstitute ihre eigenen Rechenzentren gebaut – große Tier-4-Anlagen. Seitdem hat sich jedoch gezeigt, dass viele Banken nicht in der Lage waren, diesen Platz voll auszunutzen. Es zeichnet sich ein Trend ab, diese Flächen an RZ-Betreiber oder -Entwickler zu verkaufen oder zu vermieten. Der Entwickler übernimmt den laufenden Betrieb der Einrichtung, installiert dann effizientere Kühlsysteme etc. und baut den Bereich in einen Colocation-freundlicheren Raum um. Diese Tendenz ist zunehmend zu beobachten. Wir sehen auch, dass viele große Entwickler wie Digital Realty oder Equinix über Bestände verfügen, die in den frühen 2000er-Jahren gebaut wurden und nun das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Also widmen sie diese Standorte um. Für einen Kunden führen wir beispielsweise eine systematische Modernisierung seines gesamten Portfolios in London durch, bei der wir effizientere Methoden einbringen.

LANline: Könnten Sie mir etwas detaillierter erläutern, wie diese Modernisierung in realen Projekten umgesetzt wird?

Jim Hart: Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass Datennutzung und Datenerzeugung zwar deutlich zugenommen haben, die Emissionen aber ziemlich konstant geblieben sind. Dies ist jedoch aufgrund des exponentiellen Wachstums der Datenerzeugung und Datennutzung offensichtlich nicht nachhaltig. In einigen Umgebungen mit hoher Datendichte sehen wir daher eine effiziente In-Row-Kühlung, die den PUE-Wert (Power Usage Effectiveness, d.Red.) auf unter 1,15 senkt. Wir sehen auch eine effizientere Raumnutzung. Ein häufiges Problem in der Branche sind Zombie-Server: Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass 25 Prozent der Server zu einem bestimmten Zeitpunkt gar nichts tun. Hier geht es also um Virtualisierung, Workload-Sharing und die effizienteste Nutzung von Servern.


  1. Nachhaltigere Rechenzentren
  2. Das RZ als Fernwärmequelle

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