Direkte freie Kühlung in Rechenzentren

Potenzial unterschätzt

11. März 2010, 8:24 Uhr | Dr. Dieter Schramm/pf

Die Einführung energieeffizienter Lösungen in Rechenzentren gewinnt in Zeiten hoher Energiepreise eine zunehmende Bedeutung. Ein Lösungsansatz bleibt dabei jedoch meistens im Hintergrund: die direkte freie Kühlung. Gerade in unseren Breitengraden bietet diese jedoch ein erhebliches Energieeinsparpotenzial.

Warum kommt dem Energieverbrauch der Kühlung in der IT eine so hohe Bedeutung zu? Die Antwort
ist einfach: Nur rund die Hälfte des Energiebedarfs entfällt auf die eigentliche IT, der Rest auf
Kühlung, Klimatisierung und die (unterbrechungsfreie) Stromversorgung. Insgesamt beansprucht die
Kühlung eines durchschnittlichen Rechenzentrums rund 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs. Dies
belegen Analysen des Herstellers Dell in den eigenen Rechenzentren (Bild 1): Der größte Anteil am
Energieverbrauch entfällt auf die Kühlung (41 Prozent), gefolgt von Servern (26 Prozent), der
Infrastruktur zur Energieversorgung (18 Prozent) sowie Storage-Systemen (15 Prozent). Zu ähnlichen
Ergebnissen kommt das Green Grid (www.thegreengrid.org), ein Konsortium führender IT-Unternehmen,
das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lösungen und neue Techniken für ein nachhaltig
energieeffizientes Rechenzentrum zu entwickeln. Dell ist Mitglied dieses Konsortiums. Laut
Untersuchungen von Green Grid im amerikanischen Markt entfallen bei der Energienutzung und damit
bei den Betriebskosten im Rechenzentrum 33 Prozent auf Kältemaschinen, neun Prozent auf den
Luftaustausch in den Server-Räumen und drei Prozent auf die Luftbefeuchtung. Die IT-Ausrüstung
fällt mit 30 Prozent ins Gewicht, USV und Stromverteiler folgen mit 18 beziehungsweise fünf
Prozent.

Ein Lösungsansatz zur Kostensenkung ist die Einführung der freien Kühlung. Dies bedeutet ganz
allgemein, dass der Anwender die Außenluft unter Umgehung der Kältemaschinen bei der Kühlung des
Rechenzentrums nutzt. Generell lässt sich die direkte von der indirekten freien Kühlung
unterscheiden. Bei der direkten freien Kühlung wird die Außenluft über Luftklappen direkt in das
Rechenzentrum geleitet und die wärmere Innenluft auf umgekehrtem Weg abgeleitet. Bei der indirekten
freien Kühlung übertragen Wärmetauscher die Wärme aus den Server-Räumen in einen Kühlkreislauf.
Dieser zweite Wärmekreislauf gibt über einen Rückkühler die Wärme an die Außenluft ab.

Direkte und indirekte freie Kühlung

Bei der freien Kühlung saugen Ventilatoren über das Hausdach die Außenluft an. Bevor diese in
die Server-Räume gelangt, bereiten sie Klimageräte (AHU – Air Handling Unit) entsprechend der
Vorgaben der Hardwarehersteller in puncto Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf. Ventilatoren geben
die durch die Server aufgewärmte Luft anschließen wieder an den Außenbereich ab. Sollten die
Temperaturen der Außenluft zu niedrig sein, lässt sich die durch die Server erwärmte Luft zum
Vorheizen der frischen Außenluft nutzen. Der Vorteil ist klar zu erkennen: Bei dieser Art der
Kühlung sind keine Kältemaschinen nötig. Auf diese Weise lassen sich gemäß den oben genannten
Studien theoretisch über 30 Prozent der Stromkosten für ein Rechenzentrum einsparen.

Die gleichen Überlegungen gelten im Prinzip für die indirekte freie Kühlung. Durch den Einsatz
eines zweiten Kühlkreislaufs ist allerdings der Temperaturbereich der nutzbaren Außenluft zu
höheren Temperaturen hin eingeschränkt. Anders formuliert: Die Kältemaschinen sind früher
einzuschalten als bei direkter freier Kühlung.

Die Querschnittszeichnung des in Bild 1 dargestellten Rechenzentrums verdeutlicht zudem: Die
Kühlluft für die Server muss nicht unbedingt durch den Doppelboden in die Server-Räume eingeführt
werden. Es funktioniert auch über die Decke, wenn die warme Luft effizient abgesaugt wird. Klar ist
auch, dass sich dieses Kühlkonzept nicht in allen, sondern nur in gemäßigten Klimazonen umsetzen
lässt. Bei beiden Formen der freien Kühlung muss der Anwender dafür Sorge tragen, dass bei
Außentemperaturen, die über der für Server freigegebenen Betriebstemperatur liegen, eine
Kältemaschine zur Kühlung verfügbar ist.

Kältemaschine nur bei höheren Außentemperaturen

Der Vorteil der freien Kühlung liegt offensichtlich in dem deutlich niedrigeren Stromverbrauch
des gesamten Kühlsystems. Im optimalen Fall einer niedrigen Außentemperatur kann das Gesamtsystem
die notwendige Kühlleistung vollständig durch die freie Kühlung sicherstellen. Die Nutzung von
Kälteanlagen mit ihrem hohen Energieverbrauch ist nur bei Überschreiten der Außentemperatur über
die durch die Hardwarehersteller festgelegte Maximaltemperatur (zum Beispiel 25°C) erforderlich.
Das heißt, der klimatisierungsbedingte Stromverbrauch lässt sich gegenüber dem ausschließlichen
Einsatz elektrischer Kälteaggregate deutlich vermindern. In welchem Ausmaß der Anwender mit einer
Kühlung des Rechenzentrums durch Außenluft Kosten- und Energieeinsparungen erzielen kann, lässt
sich einfach und schnell mit einem kostenlosen Online-Tool von Green Grid berechnen
(cooling.thegreengrid.org/europe/WEB_APP/calc_index_EU.html). Dabei ist es lediglich
erforderlich, Land und Stadt auszuwählen sowie einige individuelle Variablen anzugeben, um das
Energiesparpotenzial eines Rechenzentrums zu ermitteln.

Bei der Konzeption einer Lösung auf der Basis der freien Kühlung muss der Planer allerdings
berücksichtigen, dass das Kühlsystem auch bei höheren Außentemperaturen seine Funktionsfähigkeit
behält. Das heißt, das Kühlsystem ist so zu gestalten, dass die gesamte Wärmelast bei Bedarf auch
ohne freie Kühlung abgeführt werden kann. Bei der direkten freien Kühlung ist zudem zu beachten,
dass auch Investitionen für die Luftaufbereitung (Filteranlagen für die Außenluft, vor allem im
Hinblick auf die Staubbelastung) und den Brandschutz (Brandschutzklappen für Ansaug- und
Abluftöffnung) erforderlich sind.

Ganzheitliches Kühlkonzept

Ein ganzheitliches Kühlkonzept, das die Optimierung des gesamten Kühlsystems zum Ziel hat, darf
sich natürlich nicht nur auf die Entscheidung für oder gegen eine freie Kühlung beschränken. Es
muss viel weit reichender angelegt und in ein umfassendes System-Management eingebettet sein. Ein
Beispiel ist die Integration von Sensoren für die Erfassung von Luft- und Prozessortemperatur. Auf
der Basis der ermittelten Werte lassen sich dann die Geschwindigkeit einzelner Server-Ventilatoren,
Lüfter sowie die Leistung der Klimaanlage anpassen. Dies bedeutet: Die Kühlsysteme müssen nicht
permanent mit voller Leistung arbeiten, und die Energiekosten lassen sich ohne Beeinträchtigung der
Performance reduzieren. Zudem kann es sinnvoll sein, die Wärmenester (Hotspots), an denen die
Hitzeentwicklung besonders stark ist, gesondert zu behandeln. Stark kühlungsbedürftiges
IT-Equipment lässt sich zum Beispiel an einer separaten Stelle gruppieren, die entsprechend
belüftet wird. Um das dafür notwendige Verständnis über die Strömung der Kühlluft in den
Server-Räumen zu erhalten, ist neben Echtzeitmessungen der verschiedenen Temperaturen eine
Simulation der Luftströmung mit CFD-Werkzeugen (CFD – Computational Fluid Dynamics) im Vorfeld
dringend zu empfehlen.

In Kombination mit einer Server- und Speicherkonsolidierung sowie Virtualisierung bietet die
optimierte Kühlung und Klimatisierung vielfältige Möglichkeiten, den Energiebedarf im Rechenzentrum
noch weiter signifikant zu senken. Ein vielfach unbeachteter Ansatz ist dabei die freie Kühlung.
Sie ermöglicht es, sparsamer mit Energie umzugehen und dies nicht nur im Hinblick auf ökologische
Aspekte und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, sondern auch in Anbetracht der hohen
und vermutlich weiter steigenden Energiepreise. Abschließend ist festzuhalten, dass die Reduzierung
der für die Kühlung erforderlichen Kosten natürlich nicht nur für neue, sondern auch für bestehende
Rechenzentren ein Thema ist. Denn steigende IT-Auslastungen führen auch immer zu einem größeren
Energiebedarf für die Kühlung – und damit zu höheren Kosten.

Dr. Dieter Schramm ist Practice Executive Simplify IT bei Dell Deutschland.


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