Superschnelles Ethernet gewinnt weiter an Fahrt

10 Gigabit Ethernet als Prophylaxe

10. April 2005, 22:55 Uhr | Stefan Mutschler

Geht es nach einem aktuellen Report von Communications Industry Researchers (CIR), steht der Absatz von 10-Gigabit-Ethernet-Ports vor einem großen Sprung: Bereits in diesem Jahr soll der Markt ein Volumen von 570 Millionen Dollar erreichen. Bis 2009 prognostizieren die Marktforscher ein Wachstum auf 3,3 Milliarden Dollar.

Zumindest in Richtung des Netzwerkrandes (Edge) – zwischen Etagenverteilern und
Backbone-Switches – ist ein echter Bedarf für 10-GBit/s-Bandbreiten selbst mittelfristig kaum in
Sicht. Auch die Integration von Sprache in die Unternehmens-IT, bei vielen Unternehmen fest im
Plan, erfordert an dieser Stelle keine derartigen Ressourcen. Erst eine breite Nutzung von Video
over IP wird 10 Gigabit Ethernet (10 GbE) richtig ausreizen können.

Unterdessen sind die Marketingmaschinerien von Cisco, Extreme, Force10, Foundry und weiteren
Herstellern voll angelaufen. In den meisten Fällen findet sich 10 GbE nicht nur in den Core- und
Aggregations-Switches, sondern auch in den Edge-Verteilern. Wenigstens die optionale Bestückung mit
10-GbE-Ports gehört am Netzwerkrand inzwischen zum Standard. Für die Verbindung zu den
Arbeitsplätzen gibt es in der Regel eine Auswahl von Einschüben unterschiedlicher Bestückung mit
Gigabit-Ethernet-Ports, oft wahlweise mit Power over Ethernet (siehe Marktübersicht auf Seite
93).

10 GbE vs. Infiniband und FC

Der CIR-Report vom Dezember 2004 sieht die Triebfedern für den Bedarf an
10-GBit/s-Geschwindigkeiten nicht mehr nur im Bereich von Forschungszentren und
Regierungsorganisationen, wie das bis Anfang letzten Jahres noch der Fall war, sondern inzwischen
auch ganz klar bei den Unternehmen. Hier konkurriere 10 GbE weniger gegen Sonet/SDH, wie bei den
WAN-Stecken über zehn Kilometer bei Carriern und Service-Providern; vielmehr stehe 10 GbE dabei im
Wettbewerb mit 10-GBit/s-Infiniband und künftig auch mit der 10-GBit/s-Variante von Fibre Channel
(FC). Besonders Infiniband hätte nach Auffassung der Marktforscher weit mehr Interesse verdient,
als das bisher der Fall ist: "Medienanalysen vergleichen sehr oft Ethernet mit Sonet", so CIR, "in
der Praxis gibt es jedoch weit mehr IT-Entscheider, die Ethernet gegen Infiniband austesten, da die
neuen Linux-Cluster die Rechenzentren zur Neugestaltung ihrer Netzwerkarchitekturen zwingen."

Die Preise für OC-192-Router-Ports liegen nach den Beobachtungen der Marktforscher inzwischen
deutlich über dem durchschnittlichen Preis für 10-GbE-Ports. Die älteren und bewährten Technologien
dürfen jedoch ebenfalls auf ein moderates Marktwachstum hoffen: Im Zuge des sehr starken Trends in
Richtung Multiservicenetze würden viele Service-Provider im MAN und WAN weiterhin auf Sonet setzen.
CIR erwartet für Sonet bis 2009 ein gemächliches Wachstum des Markts auf etwa 460 Millionen
Dollar.

Bis zum Jahr 2009 soll Ethernet der CIR-Studie zufolge mit einem Marktanteil von fast 80 Prozent
unter den 10-GBit/s-Techniken fest im Sattel sitzen, obwohl dann auch FC in dieser Liga
mitstreitet. Von besonderem Interesse seien dabei die 10-GbE-Schnittstellen auf Kupferbasis. Deren
Marktanteil fällt derzeit kaum ins Gewicht. Denn heute steht lediglich die auf 15 Meter Reichweite
begrenzte CX4-Variante zur Verfügung, während ein 10GBase-T-Standard erst für 2006 erwartet wird.
Bis 2009 soll der Anteil der Kupferverbindungen dann laut CIR rund ein Viertel des 10-GbE-Markts
ausmachen.

Rapider Preisverfall

Einer der größten Trümpfe von Ethernet ist seit jeher der günstige Preis beziehungsweise der
rasche Preisverfall bei neuen Entwicklungen. Das gilt in besonderem Maße auch für 10 GbE: 2003
waren die durchschnittlichen Verkaufspreise für 10-GbE-Ports laut einer Dell’Oro-Statistik extrem
schnell und überraschend weit gefallen: von knapp 32.000 auf 7260 Dollar. So steil fällt die
Preiskurve seither zwar nicht mehr ab, dennoch ist die 5000-Dollar-Grenze längst durchbrochen, und
einige Anbieter nähern sich sogar schon rasch der 4000-Dollar-Marke. Ein Preistreiber sind nach wie
vor die recht teuren optischen Komponenten.

In diesem Preiskampf mischen auch Unternehmen an vorderster Front mit, die viele Experten dort
nicht erwartet hätten. So hat beispielsweise Foundry Ende Januar seine neuen 10-GbE-Switches der
Serie Super X vorgestellt und mit den Preisen klar Front gegen Platzhirsch Cisco und Extreme
gemacht. Ein vergleichsweise unbekannter Player im deutschen Markt ist mit Force10 einer der
amerikanischen 10-GbE-Pioniere. Das Unternehmen hat jedoch mit Sellbin Technologies Anfang dieses
Jahres ein Systemhaus in Süddeutschland unter Vertrag genommen und will nun von hier aus den
Verkauf in Deutschland ankurbeln. Neben bekannten Anbietern wie Alcatel, Nortel, Enterasys und 3Com
flankieren auch kleinere Unternehmen wie D-Link, MRV und SMC den 10-GbE-Markt. Sie wollen meist mit
speziellen Angeboten oder Kampfpreisen Nischen besetzen.

Preisschlacht auf Kosten der Hochverfügbarkeit

Einer der interessantesten Schauplätze in der 10-GbE-Arena ist derzeit das Duell zwischen
Foundry und Extreme. So reklamiert Foundry mit seinen drei neuen Modellen der Super-X-Serie die
höchste derzeit verfügbare Port-Dichte für sich: In einem Rack sollen wahlweise 128 10-GbE- oder
1632 GbE-Ports Platz finden, wobei der Switch laut Hersteller die Daten an allen Ports
nicht-blockierend und in Wire-Speed befördert. Kompakte Module in halber Rack-Breite ermöglichen
diese hohe Port-Dichte, womit Foundry sicher vor allem bei Rechenzentrumsleitern punkten wird.
Darüber hinaus will das Unternehmen auch beim Port-Preis neue Maßstäbe setzen: So koste
beispielsweise ein Bigiron-Super-X-Core-Switch mit 96 GbE- und zwei 10-GbE-Ports nur zirka 82.500
Dollar, während die Konkurrenz hier sechsstellige Listenpreise aufweise. Noch deutlicher sei der
Preisunterschied am Edge: Dort will Foundry den Aspen 8810 von Extreme Networks mit dem Fastiron
Super X in allen Bestückungsvarianten um mehr als die Hälfte unterbieten.

Teure Redundanzausstattungen fallen bei Foundry allerdings unter das Bedarfsgesetz und sind
somit nicht standardmäßig fester Bestandteil der Hardware. Konträr dazu lautet Extremes Motto: Eine
schnelle Netzwerkverbindung – gleichgültig ob zur Anbindung von PCs und IP-Telefonen im
Access-Layer oder zur Kopplung von Servern in einem Cluster – ist nur nützlich, wenn sie auch
hochverfügbar ist. Ausgedehnte Hardwareredundanz, ein modulares Betriebssystem (Extremeware XOS)
sowie die Unterstützung fehlertoleranter Netzwerkprotokolle mit schnellem Failover gehören hier
durchgängig zum Basisrüstzeug. Foundry hingegen setzt für Redundanzszenarien auf den Kauf eines
zweiten Geräts und die Routenumleitung mittels VRRP (Virtual Router Redundancy Protocol).

Bei den Themen Security und Unterstützung von Sprachservices gehen die Philosophien der
Top-Player weitgehend konform, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Realisierungsansätzen.
Hier hat Cisco mit dem Konzept des "Intelligent Information Network" (IIN) die Marschrichtung
vorgegeben. So ist auch die im Herbst 2004 vorgestellte Reihe von Integrated Services Routern (ISR)
ab Werk mit Sicherheits- und VoIP-Funktionen (Voice over IP) ausgerüstet. Ende des letzten Jahres
legten die Kalifornier mit der Ankündigung von 20 neuen Produkten bei ihrem Switching-Portfolio
noch einmal kräftig nach. Neben 10/100/1000-PoE-Produkten für die Catalyst-Switches der 6500er-,
3750er- und 3560er-Serien, diversen Hochverfügbarkeitslösungen und einem GbE-fähigen IP-Telefon
waren darunter auch Supervisor-Engines für die Catalyst-Switches der 6500er- sowie der
4500er-Serie. Sie bringen 10 GbE nun auch bei Cisco an den Netzwerkrand. So ist die neue Supervisor
Engine 32 für den Catalyst 6500 mit wahlweise zwei 10-GbE- oder acht GbE-Uplinks (kleiner
Formfaktor) erhältlich. Für die Serie Catalyst 4500 gibt es nun die Layer-2/3/4-Supervisor-Engine
V-10GE, die sich ebenfalls mit GbE- wie auch 10-GbE-Ports ausrüsten lässt.

Fazit

10 Gigabit Ethernet kommt mit Siebenmeilenstiefeln. Technisch überzeugende Konzepte und stark
fallende Port-Preise ebnen den Weg für diesen Markt – auch wenn viele Anwender und Administratoren
insbesondere in der breiten Masse der Unternehmen dessen Existenz heute noch gar nicht als
notwendig erachten.


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