DCIM und Gebäudeleittechnik

Anforderungen an das RZ-Management

12. Februar 2018, 7:00 Uhr | Albrecht Kraas

DCIM (Datacenter-Infrastructure-Management) wird heute als Oberbegriff für viele Funktionen genutzt, auch solche, die eigentlich zur Gebäudeleittechnik und -automation (GLT) gehören. Die Anforderungen an beide Disziplinen sind sehr unterschiedlich, auch wenn sie vielfach in einer Softwaresuite zusammengefasst sind. Das Gebäude-Management, die Kontrolle über die Energiezufuhr, die Kühlung der IT-Komponenten und nicht zuletzt die Sicherheit und das Notfall-Management zählen zu den wichtigsten Aufgaben für den unterbrechungsfreien RZ-Betrieb.

Um ein Rechenzentrum optimal zu betreiben, benötigt man sowohl GLT als auch DCIM. Zwar existiert eine enge Verbindung der beiden Disziplinen, und viele Hersteller vereinen beides unter einem Dach, doch gibt es gute Gründe, die beiden Welten im ersten Schritt getrennt zu betrachten. Zur Definition: Das GLT übernimmt das Gebäude-Management, das Monitoring und die Steuerung der technischen Komponenten aus Facility-Sicht. Das Gebäude und seine technische Einrichtung lassen sich auf drei unterschiedlichen Ebenen betrachten: Auf der Feldebene erfassen Sensoren den Zustand der einzelnen Komponenten, darunter Temperatur, Feuchtigkeit oder Stromverbrauch. Auf der nächsten Ebene, der etwas intelligenteren Automatisierungsebene, reguliert man über Aktoren - beispielsweise Stellmotoren - überall im Gebäude die Zufuhr von Wärme, Kälte oder Feuchtigkeit. Die dritte Ebene ist die GLT-Management-Ebene. Hier kann der Verantwortliche überwachen, bedienen, koordinieren, auswerten sowie automatisieren. Auf dieser Ebene finden auch Analysen und sowie die Aufzeichnung und Archivierung der Daten statt. Das DCIM wiederum spielt seine Stärken in anderer Form aus. Hier sind Aufgaben wie das Asset-Management, das Kunden-Management, die Verteilung der Fläche im Rechenzentrum oder das Management der Racks angesiedelt.

In einem homogenen Rechenzentrum, dessen Betreiber zugleich der Betreiber der darin befindlichen IT ist, lassen sich GLT und DCIM leicht vereinen und in einer Softwaresuite abbilden. Von der Erstellung über die Einrichtung bin hin zum Betrieb ist in diesem Fall von Anfang an klar, welche Komponenten zu betreuen sind. Insbesondere beim Betrieb einer definierten IT erweist sich die Kombination aus GLT und DCIM als äußerst nützlich. Diverse DCIM-Hersteller verfolgen diese Strategie.

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Die Gebäudeleittechnik unterteilt sich in Feld-, Automations- und Management-Ebene. Bild: Maincubes

Für Unternehmen und Rechenzentrumsbetreiber, die Colocation nutzen beziehungsweise anbieten, stellt sich die Situation jedoch anders dar. Während die GLT hauptsächlich Organisation und Betrieb der Facility abdeckt, beleuchtet und orchestriert das DCIM technische, administrative und planerische Aspekte des RZ-Betriebs mit Blick auf die Nutzer des RZs und deren IT. Da der IT-Betrieb jedoch nicht vom RZ-Betreiber definiert, sondern an den unterschiedlichsten Ansprüchen der Kunden orientiert ist, kann man hier nicht von Anfang an mit festen Größen rechnen. Im Colocation-Betrieb muss also eine klare Trennung zwischen GLT und DCIM stattfinden.

Der Colocation-Betreiber hat streng genommen mit der IT seiner Kunden nichts zu tun. Größere Unternehmen, die Teile ihres Rechenzentrums an einen externen Betreiber auslagern, werden vielfach über DCIM-Systeme verfügen und diese auch im externen Rechenzentrum beibehalten wollen. Kleinere Unternehmen hingegen, die vielleicht sogar erstmals den Schritt in eine Colocation-RZ gehen, müssen entweder ohne DCIM auskommen oder sich ein solches für ihre Ansprüche beschaffen. Hier kann der moderne RZ-Betreiber Hilfe leisten. Ist die eingesetzte DCIM-Software mandantenfähig und entsprechend funktional, kann er seinen Kunden die DCIM-Nutzung im Sinne eines DCIMaaS (DCIM as a Service) anbieten. Dies hat gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen wesentliche Vorteile: Erstens ist der DCIM-Auswahlprozess sehr komplex und kann kleine Unternehmen überfordern. Zweitens ist ein DCIM meist sehr kostspielig, sodass es sich kleinere Unternehmen nicht leisten können oder wollen. Und drittens ist das DCIM des RZ-Betreibers auf die existierende Infrastruktur abgestimmt, womit sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein besseres Management wie auch eine bessere Auslastung der IT pro Fläche erzielen lässt.

Integration von DCIM und GLT

Viele Unternehmens-, aber auch Colocation-Rechenzentren wurden vor Jahren eingerichtet. Die Anforderungen sind über die Jahre gewachsen, die Rechenzentren müssen immer mehr und leistungsfähigere IT beherbergen. Eine höhere IT-Dichte, mehr Strom oder die höhere Kühlleistung sind nur die offensichtlichsten Folgen des ständigen Fortschritts. Neue Rechenzentren haben hier einen entscheidenden Vorteil: Sie sind nach heutigem Wissen geplant, für künftige Anforderungen ausgelegt und mit modernen Komponenten ausgerüstet. Doch alte wie auch neue RZs kommen nicht ohne ein vernünftiges Management inklusive regelmäßiger Optimierung aus. Das DCIM ist die Schaltzentrale, die es dem Betreiber erlaubt, alles unter Kontrolle zu behalten.

Im ersten Schritt muss der RZ-Betreiber seine Infrastruktur kennen. Das DCIM ist mit allen RZ-Komponenten zu koppeln, um die Daten zu erfassen. Dies ist bei betagteren Rechenzentren eine Sisyphosarbeit denn es existieren eventuell ältere Komponenten, die nicht für den Einsatz eines modernen DCIMs ausgelegt sind. Es gilt, Schnittstellen zu schaffen oder aber neu zu programmieren, um wirklich alle relevanten RZ-Komponenten mit dem DCIM zu verbinden. Beim Neubau eines Rechenzentrums ist diese Aufgabe ungleich einfacher, denn moderne Komponenten lassen sich vergleichsweise leicht mit einem DCIM verbinden, sie sind von Grund auf dafür ausgelegt. Ein DCIM zeigt auf diversen Konsolen anschaulich, wie das Rechenzentrum aufgebaut ist; es veranschaulicht, welche Geräte wo im RZ vorhanden sind - aus räumlicher Sicht als auch aus Sicht der Verkabelung, der Belegung der Kernkomponenten wie des Stromverteilnetzes oder der Vernetzung aller Systemkomponenten.

Im zweiten Schritt sammelt das DCIM alle verfügbaren Daten der angeschlossenen Systemkomponenten und korreliert sie. Es zeigt, wie stark welche RZ-Bereiche ausgelastet sind, darunter auch den Stromverbrauch und die Kühlleistung bis hinunter auf Rack-Ebene. Wichtig ist hier einerseits die Taktung der Abfragen bei den Systemkomponenten als auch das zugrunde liegende Datenbanksystem des DCIMs. So lassen sich Lastspitzen, beispielsweise im Stromverbrauch, besser bewerten und mit weiteren Protokolldaten in Relation setzen. In mittelgroßen und größeren Rechenzentren kann man hier nach kurzer Zeit von Big Data sprechen. Die Datenbanken müssen also auch unter hoher Belastung und mit großen Datenmengen über einen längeren Zeitraum hinweg gut zurechtkommen.

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DCIM muss diverse Aspekte von der operativen bis hin zur Business-Sicht abdecken. Bild: Maincubes

Der dritte Schritt trennt bei der DCIM-Wahl oft die Spreu vom Weizen. Für einen optimalen Betrieb muss die Software nicht nur die Zustände protokollieren: Sie muss möglichst intelligent alle verfügbaren Werte in Korrelation setzen und Beziehungen schaffen. Relativ leicht bezeichnen lässt sich der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness), also die Energieeffizienz des Rechenzentrums. Die benötigte Strommenge für Komponenten wie Kühlung, Licht, Sicherheit, USV-Anlagen etc. wird in Relation mit der benötigten Strommenge für den IT-Betrieb im Rechenzentrum gesetzt. Der Koeffizient sollte möglichst nahe an 1,0 sein.

Ein gutes DCIM-System verdeutlicht zuverlässig Hotspots, beispielsweise Racks oder einzelne Server, die kontinuierlich auf Volllast laufen und daher viel Strom und Kühlung fordern. Es kann aber auch sehr gering ausgelastete Bereiche und somit Optimierungspotenzial aufzeigen. Beispielsweise kann man für wenig belastete IT ein anderes Raumklima definieren - sofern Räume voneinander klimatisch abtrennbar sind. Eine nur ein oder zwei Grad höhere Temperatur kann die erforderliche Kühlleistung deutlich verringern. Das Resultat: Die IT fühlt sich nach wie vor wohl, doch man spart deutlich Strom und Kosten. Die im DCIM integrierte Kostenverrechnung wird dem Unternehmen oder Kunden im Colocation-RZ niedrigere Kosten abverlangen - ein Gewinn für alle Seiten.

Da Rechenzentren und deren Infrastruktur zunehmend komplexer geraten und der Kostendruck in einem hart umkämpften Markt stetig wächst, ist das DCIM eine Schlüsselkomponente für den optimierten Betrieb. Mittel- bis langfristig ist mit noch intelligenteren DCIM-Systemen zu rechnen. RZ-Betreiber können sich Technologien wie Machine Learning oder Deep Learning - heutzutage gerne unter dem Dachbegriff künstliche Intelligenz (KI) subsumiert - zunutze machen, um den RZ-Betrieb und die Kostenverrechnung für den Nutzer durch automatisiertes Lernen und Handeln weiter zu optimieren.

Aus technischer Sicht muss das DCIM einige Voraussetzungen für den unternehmensinternen wie auch für den Colocation-Betrieb mitbringen. Neben einer redundanten und flexiblen Ausrichtung zählt die Skalierbarkeit. Denn unternehmensinterne und insbesondere Colocation-Rechenzentren wachsen kontinuierlich. Mag ein neues RZ zu Beginn nicht völlig ausgelastet sein, ist nach einer gewissen Betriebszeit deutlich mehr zu kontrollieren und zu verwalten. Auch wenn man das RZ durch ein zusätzliches erweitern muss, will man möglichst weiter mit derselben Management-Plattform arbeiten.

Zudem ist eine offene Plattform eine entscheidende Eigenschaft. Diese erlaubt die nahtlose Anbindung an weitere Systeme, darunter CRM- (Customer-Relation-ship-Management) oder Accounting-Lösungen. Offene Schnittstellen sind die Grundlage dafür, dass der Betreiber die Systeme über vordefinierte oder eigens programmierte Knotenpunkte optimal integrieren kann. Für den 24×7-Betrieb ist zudem ein offenes Frontend wünschenswert. Service-Mitarbeiter können so über Web-Frontends oder Mobilgeräte-Apps den Zustand im Rechenzentrum verfolgen, Warnungen erhalten und im Notfall schnell reagieren.

Security ist ebenfalls ein wichtiges Thema für das DCIM. Einerseits muss das System alle gängigen gesetzlichen Anforderungen erfüllen, darunter die der ab 2018 gültigen EU-DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung). Doch auch die üblichen Industriestandards müssen gewährleistet sein, darunter das Management der Informationssicherheit gemäß ISO 27001. Für den Betrieb in einem Colocation-Rechenzentrum stellen sich hinsichtlich Sicherheit besondere Aufgaben im Bereich des Zugriffs. Hier haben nicht nur Mitarbeiter des Betreibers, sondern auch die Kunden unterschiedliche Zugriffsrechte, die es zu organisieren gilt. Grundvoraussetzung für ein gutes DCIM-System sind daher rollenbasierte Zugriffsrechte, eine mandantenfähige Konfiguration für Accounts, Gruppen und Rollen sowie die nahtlose Überwachung der Zugriffe sowohl online als auch physisch.

Albrecht Kraas ist CTO von Maincubes, www.maincubes.com/de.


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