Gastkommentar von René Büst, Crisp Research

AWS Summit: Indikator für mehr Cloud-Interesse

15. April 2016, 7:34 Uhr | René Büst, Senior Analyst, Crisp Research/wg

Am 12. April 2016 stand Berlin stellvertretend für Deutschland wieder im Zeichen der Cloud. Auch wenn der AWS Summit von Amazon Web Services (AWS) eine rein anbietergetriebene Veranstaltung ist, gibt es neben den großen Salesforce-Events in Deutschland bisher keine andere Cloud-relevante Veranstaltung, die an einem Tag so viele Menschen an einem Ort versammelt: Rund 3.000 Teilnehmer zeigten sich in diesem Jahr in der "Station Berlin".

Eines vorweg: Auf dem AWS Summit 2016 in Berlin gab es keine neuen Ankündigungen. Diese sind für den kommenden AWS Summit in Chicago und dann später in jeden Fall im Rahmen der Reinvent im Dezember zu erwarten.

Für den 2016er-Summit hat AWS noch einmal kräftig aufgerüstet. Der Wechsel in die „Station Berlin“ bot deutlich mehr Platz, und auch das industrielle Ambiente passte einfach besser als der im Vorjahr doch deutlich sterilere „Cube“. Der Platz spiegelte sich auch im Veranstaltungsbereich wider, der auf zwei Ebenen verteilt war. Eine Keynote-Area mit Platz für 2.500 Menschen, ein großer Partnerbereich (34 Sponsoren), eine Startup-Area, mehrere Breakout Sessions sowie ein „Ad-hoc Popup Loft“ schafften den Rahmen für die Veranstaltung.

Die Breakout Sessions waren in diesem Jahr in acht Bereiche, jeweils nach Themen und nicht Zielgruppen, aufgeteilt. Dies ergibt viel mehr Sinn. Schließlich haben in der Cloud sowohl Startups als auch Unternehmen im Kern mit denselben Herausforderungen wie Sicherheit, Compliance und Technik zu kämpfen.

Die zweistündige Keynote der komplett englischsprachigen Veranstaltung machte aus zweierlei Hinsicht auf sich aufmerksam: Neben einem wie immer gut aufgelegtem Amazon CTO Werner Vogels zeigten Kunden wie Siemens, Glomex (Prosieben-Tochter), Air Berlin und Dubsmash, wie sie die Public Cloud in der digitalen Transformation nutzen.

Superlative, Superlative, Superlative

Was der AWS Summit Berlin bereits im letzten Jahr gezeigt hatte, konnte der diesjährige Summit noch einmal deutlich unterstreichen. Amazon Web Services ist nicht mehr nur das Mekka der Startups, sondern zieht mittlerweile verstärkt Unternehmenskunden an.

War in den Anfangsjahren noch ein klares Verhältnis von 90:10 (Startups vs. Unternehmen) zu erkennen, hat sich das Blatt nun gewendet – zugunsten der Unternehmen von etwa 40:60 (Startups vs. Unternehmen). Mützen- und Hoodie-Träger haben zahlenmäßig abgenommen und wurden durch Hemden und Anzugträger „ersetzt“.

Das haben nicht nur AWS Partner wie Tecracer, Stormreply oder Equinix bescheinigt, die von einem positiven Zulauf an ihren Ständen berichteten. Und auch eine Crisp-Research-Studie unter deutschen Mittelständlern bestätigt AWS in diesem Unternehmenssegment eine klare Marktführerschaft.

82 Prozent der befragten Entscheider haben die Cloud-Plattform von AWS auf dem Radar oder bereits im Einsatz. Hierbei sind es insbesondere das sehr breite Ökosystem, ein umfangreiches Portfolio und zahlreiche Micro- und Plattform-Services sowie eine hohe Innovations- und Release-Frequenz sind klare Argumente, die AWS derzeit ein starkes Momentum und eine breite Wahrnehmung verschaffen.

Dies betont AWS noch einmal anhand von zwei Fakten:

* Die EU-Region in Frankfurt ist die am schnellsten wachsende AWS Region weltweit.

* Zwei Drittel der deutschen DAX-Unternehmen nutzen Amazon Web Services.

Weiterhin erklärte AWS Solutions Architect Constantin Gonzalez in einem persönlichen Briefing, dass immer mehr Kunden von außerhalb Deutschlands die Cloud-Region in Frankfurt nutzen, um deutsche Kunden zu erreichen – sei es, um die Daten in Deutschland zu speichern oder die Lösungen mit einer geringeren Latenz bereitzustellen.

Ein Beispiel für einen deutschen Kunden, der auf AWS während seiner digitalen Transformation setzt, ist Air Berlin. Im Rahmen einer Hybrid-Cloud-Strategie hat Air Berlin bereits seine globalen Load Balancer, zwei Rechenzentren, über 50 Server, acht Mysql-Datenbanken, 200 Domains sowie einen Zend-Server-Cluster auf AWS umgezogen.

Siemens Industry Software CEO Urban August kündigte an, dass Siemens im September 2016 eine erste Cloud-Version seiner PLM-Software (Product-Lifecycle-Management) auf den Markt bringen wird. Weiterhin berichtete August von derzeit 300.000 miteinander verbundenen Systemen weltweit, die monatlich im Schnitt 17 TByte an Betriebsdaten liefern, aus denen Siemens Informationen extrahieren kann.

Im Rahmen des Summits präsentierte AWS weitere Fakten, an denen sich der direkte Mitbewerb messen lassen muss:

* AWS erwartet im Jahr 2016 die Umsatzmarke von zehn Milliarden Dollar zu knacken.

* Der Anbieter hat mehr als 1.000.000 aktive Kunden in 190 Ländern pro Monat.

* 2.000 Regierungsstellen, 5.000 Bildungseinrichtungen und 17.500 gemeinnützige Einrichtungen nutzen AWS.

* In Amazon S3 werden Billionen von Objekte gespeichert.

* An Amazon S3 werden Millionen von Anfragen pro Sekunde gestellt.

* AWS hat seit 2006 51 Mal die Preise gesenkt.

* Das AWS Cloud-Portfolio umfasst 70 Services.

* Im Jahr 2015 wurden 722 neue Funktionen und Services hinzugefügt.

* Allein im März 2016 wurden 98 neue Funktionen hinzugefügt.

* Die AWS-Cloud besteht derzeit aus zwölft Regionen und 33 Availability Zones.

* Amazon RDS hat 100.000 aktive Kunden.

* Amazon Aurora ist der am schnellsten wachsende Service überhaupt.

Im Rahmen der Keynote fiel auf, dass Werner Vogels den AWS Lambda Service sehr prominent in den Vordergrund stellte. Hierbei handelt es sich um einen Service, bei dem lediglich der Programmcode auf AWS hochgeladen wird. Lambda führt anschließend die Anwendung automatisch in einem hochverfügbaren Infrastruktur-Setup aus und kümmert sich um die Skalierung der Infrastruktur sowie der Administration der Betriebssysteme und übernimmt das Patchen und Protokollieren.

Hierbei wird auch von einer „Serverless Infrastructure“ gesprochen, da sich der Kunde nicht mehr um die Server selbst kümmern muss – der Begriff „Platform as a Service 2.0“ würde aber auch durchgehen. AWS Kunden wie Thomsen Reuter, Periscope und Associated Press setzen Lambda bereits in Produktion ein. Die Prosieben-Tochter Glomex hat von einer Server-zentrierten auf eine Lambda-Umgebung umgestellt und verarbeitet darüber fünf Millionen Datensätze pro Tag.

Im Rahmen eines Experten-Panels, in dem die Digitalisierung der Energiebranche diskutiert wurde, zeigte Jan-Hendrik Sewing, President Lifecycle Services, dass eine Siemens-Gasturbine pro Tag 25 GByte an operationalen Daten erzeugt, aus denen sich Informationen gewinnen lassen. Public Cloud Infrastrukturen wie Amazon Web Services dienen aufgrund ihrer Eigenschaften hierbei als die idealen IoT-Backends (Internet of Things), um diese immensen Datenmengen gewinnbringend zu verarbeiten. Welche IoT-Backend-Anbieter dafür in Frage kommen, hat Crisp Research im „Crisp Vendor Universe: IoT-Backend-Anbieter“ untersucht.

AWS wird Schwergewicht im deutschen IT-Markt

Seit dem vergangenen Jahr lässt sich der AWS Summit Berlin als guter Indikator für das wachsende Interesse an der Cloud in Deutschland festmachen. Investitionen von Amazon Web Services in den Summit und steigende Besucherzahlen untermauern erneut, dass sich AWS im deutschen IT-Markt aufmacht, auch hier zum Schwergewicht zu avancieren. Das belegen auch die Planungen seitens AWS, kurzfristig 130 neue technisch versierte Mitarbeiter einzustellen, um damit das Wachstum der Cloud-Region Frankfurt zu stemmen.

Eine während des Summits immer wieder aufkommende Frage betraf das Thema, wie es AWS schaffen kann, die eigene Innovationsgeschwindigkeit den Kunden nahezubringen, damit diese davon auch schnellst- und vor allem bestmöglich profitieren können. Denn Fakt ist: AWS ist für den aktuellen Reifegrad des Marktes und die meisten Kunden zu schnell.

Neben AWS selbst sieht Crisp Research vor allem das Partnernetzwerk in Form der „Managed Public Cloud Provider (MPCP)“ in der Pflicht, diese Aufgabe proaktiv anzugehen. MPCPs entwickeln und betreiben die Systeme, Applikationen und virtuellen Umgebungen ihrer Kunden auf den Public-Cloud-Infrastrukturen von Hyperscalern wie Amazon Web Services, Microsoft Azure, IBM Softlayer oder Profitbricks und helfen dabei, die Umgebungen in einem Managed-Services-Modell zu nutzen.

Dieser Typ von Partner wird für AWS zu einer kritischen Variable, wenn es darum geht, neue Kunden zu gewinnen oder bestehende mit den Innovationen auf der Infrastrukturplattform zu halten. So war es eine der Schlussfolgerungen, die Air-Berlin-CIO Michael Ruplitsch in seiner Keynote dem Publikum mit auf dem Weg gab: „Go with a strong partner“.

AWS steigert die Zahl neuer Funktionen und Services stetig. Bild: Amazon Web Services/Crisp Research

"Fakt ist: AWS ist für den aktuellen Reifegrad des Marktes und die meisten Kunden zu schnell. Neben AWS selbst sieht Crisp Research vor allem das Partnernetzwerk in Form der "Managed Public Cloud Provider" (MPCP) in der Pflicht, diese Aufgabe proaktiv anzugehen", so René Büst, Senior Analyst bei Crisp Research. Bild: Crisp Research

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