Digital Twin: Definition, Möglichkeiten, Anwendungsbeispiele

Das nützliche Ebenbild

30. Juni 2022, 12:30 Uhr | Patrick Büch/jos
© Wolfgang Traub

Infrastrukturen in Unternehmen und Behörden sind mittlerweile so komplex, dass Verantwortliche bei der Planung, Umsetzung und dem Betrieb schnell an Grenzen kommen. Banale Fragen können dann ganze Heerscharen an Mitarbeitenden in Unruhe versetzen: Wo verläuft nochmal die Kabeltrasse? Welche Ports sind belegt? Welche Infrastrukturen sind kritisch und müssen redundant und hochverfügbar sein? Mit einem digitalen Zwilling ihrer IT-, Telekommunikations- und Rechenzentrumsinfrastrukturen erhalten Verantwortliche ein exaktes digitales Abbild der Realität. Damit können sie den Status quo erfassen, Changes planen und umsetzen, potenzielle Störungen präventiv erkennen und vieles mehr.

Bei der Umsetzung eines digitalen Zwillings gibt es allerdings einiges zu beachten. Ansonsten kann sich dieser schnell als „doppeltes Lottchen“ entpuppen und ein unerwünschtes Eigenleben entwickeln. Der digitale Zwilling ist per Definition eine digitale Replikation von „etwas“. Digitale Zwillinge können dabei viele Formen annehmen und unterschiedliche Dinge replizieren, etwa eine Organisation, ein Gebäude, eine Stadt, ein Produkt und sogar einen Prozess.

Das gesamte Netzwerk eines Telekommunikationsanbieters oder Teile davon sind potenzielle Kandidaten für einen digitalen Zwilling, ebenso Rechenzentren sowie die IT-Infrastrukturen von Unternehmen. Ein digitaler Zwilling basiert auf Daten über die Infrastrukturen, meist in Form von Dokumentationen. Allerdings trennt sich bei der Wie-Frage schnell die Spreu vom Weizen: Dokumentation heißt nicht, alles Vorhandene „irgendwie“ abzubilden. Eine Tabelle, in der sämtliche in der Infrastruktur vorhandenen Komponenten fein säuberlich aufgelistet sind, ist noch lange keine „echte“ Dokumentation, geschweige denn die Basis für einen digitalen Zwilling.
Denn eine Tabelle, eine Zeichnung oder ähnliche Dokumentationsformen erlauben nicht, auch komplexe logische und funktionale Zusammenhänge darzustellen. Fehlt dieses „Was passiert wenn“-Wissen, also das Beziehungswissen, lassen sich beispielsweise keine Simulationen erstellen.

Datenqualität

Für die Arbeit mit einem digitalen Zwilling ist die Datenqualität entscheidend. Professionelle Dokumentations-Tool basieren in der Regel auf einer sich automatisch aktualisierenden Next-Generation-CMDB/Datenbank und sind in der Lage, sämtliche Ebenen einer Infrastruktur abzubilden: Gebäude und Standorte, physische Komponenten, logische und virtuelle Geräte, Netzwerke und Verbindungen, Anwendungen sowie Services (Bild 1). Sie erlauben es, Inhalte aus verteilten und spezialisierten Datenbanken zu konsolidieren, siloübergreifende Abhängigkeiten darzustellen und zu einem „Single Point of Truth“ zusammenzuführen.

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Dokumentation einer Infrastruktur
Bild 1. Die Dokumentation einer Infrastruktur sollte alle Ebenen vom Gebäude bis zum Business-Service umfassen und zusätzlich alle Abhängigkeiten darstellen.
© FNT

Geschlossener Kreislauf

Ist die Dokumentation einmal erstellt, ist sie schnell wieder veraltet. Denn Infrastrukturen sind dynamisch und unterliegen einem konstanten Wandel. Und darin liegt auch die Crux: Das Ziel des digitalen Zwillings ist, den tatsächlichen Zustand des Objekts, das er nachbildet, ganzheitlich darzustellen und Veränderungsbedarfe oder Optimierungsmöglichkeiten sichtbar zu machen. Er fungiert als Spiegel, um das Verhalten seines realen Gegenstücks zu simulieren, und zu prognostizieren. Es muss also gewährleistet sein, dass der digitale Zwilling auch tatsächlich die Realität abbildet und nicht einen Zustand der Realität in der Vergangenheit.

Damit dies gelingt, muss stets das sogenannte Closed-Loop-Prinzip eingehalten sein. Der „Closed Loop“ ist ein geschlossener Kreislauf von der Planung über die reale Ausführung zur Rückführung in den digitalen Zwilling. Der Kreislauf ist erst dann geschlossen, wenn zum Beispiel in Betrieb genommene oder befindliche Ressourcen mit dem ursprünglich geplanten Zustand verglichen und eventuelle Datendiskrepanzen behoben sind. Nur dann lässt sich gewährleisten, dass der nächste Planungszyklus auf geprüften und akkuraten Daten aufbaut und dass das Technikteam bei der Installation neuer Komponenten vor Ort keine bösen Überraschungen erwarten.


  1. Das nützliche Ebenbild
  2. So arbeitet der digitale Zwilling

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