Im Interview: Tobias Schneider, ThousandEyes

Der Blick durch die Wolken

22. März 2021, 7:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper
© Wolfgang Traub

Wie muss ein zeitgemäßes Monitoring aussehen? LANline sprach darüber mit Tobias Schneider, Digital Experience Monitoring Sales Specialist bei ThousandEyes, das kürzlich von Cisco übernommen wurde. Althergebrachte Werkzeuge können die Anforderungen moderner IT-Architekturen jedenfalls nicht mehr erfüllen.

LANline: Herr Schneider, was hat sich grundsätzlich am Einsatzszenario von Monitoring verändert?
Schneider: Fast alles. ThousandEyes setzt genau an dem Punkt an, an dem die traditionellen Tools einfach nicht mehr funktionieren, also nicht mehr den Anforderungen an das Cloud-Zeitalter genügen. Früher gab es in der IT-Landschaft einen klar definierten Perimeter mit einem unternehmenseigenen Datacenter im Zentrum und nach außen angebundenen Zweigstellensystemen. Sicher ist dieses Bild sehr vereinfacht, aber es spiegelt doch gut die bis vor einer Weile oft vorhandene Situation wider. Unternehmen griffen dabei auf eigene Ressourcen zurück, also zum Beispiel auf Infrastruktur und Applikationen, und dies erledigten eigene Mitarbeiter. Die Unternehmen hatten die SLAs unter eigener Kontrolle. Dafür gab es Werkzeuge, die zum Beispiel eine Kontrolle innerhalb der Perimetergrenze darüber erlaubten, wie gut alles läuft oder vielleicht auch nicht. Diese Welt hat sich jedoch grundlegend gewandelt, wie wir alle wissen. Ein Unternehmen ist heute Teil des Kosmos namens Internet. Stichworte sind etwa SaaS-Lösungen oder Cloud-Infrastrukturen. Dem muss auch das moderne Monitoring gerecht werden.

LANline: Dies betrifft in der Realität gleich eine Vielzahl von Ebenen.
Schneider: Das ist richtig. Die Leistung über das Internet ist bisweilen fragil und schwankend, es ist komplex und kompliziert. Zudem gibt es viele beteiligte Player und Dienstleister, die ein Unternehmen nicht so einfach kontrollieren kann wie seine eigenen Ressourcen. Es gibt einen zumindest teilweise externen Infrastruktur-Stack, wenn man IaaS einsetzt. Es gibt einen externen Applikations-Stack bei SaaS und so weiter. Die Welt ist heterogener und die Kontrolle daher zwangsläufig komplexer. Man kann sagen, dass es heute tatsächlich sehr viele kleine Zahnrädchen gibt, die ineinander greifen müssen, damit alle Teile perfekt funktionieren.

LANline: Was ist die größte Herausforderung?
Schneider: Die Sichtbarkeit der einzelnen Komponenten hat sich stark verändert. Natürlich haben die meisten Unternehmen noch immer so etwas wie einen eigenen IT-Campus, den sie gut im Blick behalten können. Aber etwa beim SaaS-Einsatz taucht das Unternehmen ja zum Teil in das Netzwerk des Service-Anbieters ein, über das es viel weniger Kontrolle hat und auf das es viel weniger Einfluss ausüben kann.

LANline: Die internen IT-Abteilungen sind im Zuge dieser Entwicklung auch zu internen Dienstleistern geworden, die häufig nach Business-Prozessaspekten und nicht mehr rein nach der Technik bewertet werden. Wie wirkt sich das aus?
Schneider: In den alten Zeiten, wenn man dies einmal so nennen möchte, ging es beim Aufrüsten der IT-Leistung sehr oft nur um Technik und gar nicht um Budgets oder wirtschaftliche Aspekte. Heute ist IT ein wichtiger Business-Enabler. Sie ist zwar noch immer für die Versorgung der Anwender mit den Daten verantwortlich, die diese benötigen. Sie erschließt heute jedoch auch ganz neue Geschäftsbereiche, was sich natürlich auch darauf auswirkt, an welcher Stelle ein modernes Monitoring zu erfolgen hat.

LANline: Wie wirkt sich die aktuelle Situation aus?
Schneider: Das Stichwort Home-Office muss man gar nicht weiter kommentieren. Im Grunde ist das Konzept aber nur Teil von Remote Work oder Arbeiten von überall aus. Diesen Trend gibt es schon länger, und er zeigt sich im Moment sogar verstärkt. Das Internet ist damit zum Teil des Unternehmens-Backbones geworden. Die Firmen müssen sich trotz der bereits erwähnten Fragilität auf die Kommunikation über das Internet verlassen können.

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Tobias Schneider, Digital Experience Monitoring Sales Specialist bei ThousandEyes: „Infrastructure as a Service, SaaS und auch die Internet-Verbindung selbst sind heute wichtige Objekte für das Monitoring.“
© Bild: ThousandEyes

LANline: Was heißt das nun konkret für das Monitoring?
Schneider: Infrastructure as a Service, SaaS und auch die Internet-Verbindung selbst sind heute wichtige Objekte für das Monitoring. Zusätzlich gibt es natürlich den Aspekt, dass Unternehmen selbst Services über das Web anbieten, etwa ein Portal für Kunden oder Mitarbeiter. Auch dabei tolerieren die Nutzer heute keine Ausfallzeiten. Zur Betrachtung gehört auch die Gattung von Firmen, die ihr Geschäft komplett online abwickelt. So entstehen Monitoring-Szenarien, die es in dieser Form bislang noch gar nicht gegeben hat.

LANline: Die Pandemielage hat unter anderem verdeutlicht, wie wichtig es bisweilen ist, auch bei der Infrastruktur sehr schnell auf sich verändernde Anforderungen reagieren zu können. Dies ist ja zum Beispiel ein Vorteil von Infrastructure as as Service. Welche Herausforderungen ergeben sich dabei für das Monitoring?
Schneider: Die Grundproblematik besteht darin, dass ein Unternehmen Infrastrukturen überwachen muss, die es selbst nicht verantwortet. Es gibt nach meiner Einschätzung zwei Schlüsselanforderungen. Man muss zunächst in der Lage sein, die Systeme tatsächlich Ende-zu-Ende und über alle Infrastrukturen hinweg zu monitoren, und zwar unabhängig von der Art der Infrastruktur. Für die Monitoring-Werkzeuge bedeutet dies, dass sie es schaffen müssen, alle potenziell involvierten Probleme zu identifizieren. Die zweite Herausforderung ist es, den Paketweg exakt verfolgen zu können, um die Störung lokalisieren zu können.
Hinzu kommt ein Vergleich mit dem Verhalten in der Vergangenheit, also etwa die Beantwortung der Frage, wie sich das System am Vortag verhalten hat, als zur selben Tageszeit der Fehler nicht aufgetreten ist. Man muss die Daten vergleichen und die Differenz zur Lösung einsetzen können. Dazu gehört auch eine Korrelation von solchen Daten dazu, die beschreiben, wie sich das Internet selbst zu der Zeit verhält. Also etwa, ob sich Beschwerden verschiedener Nutzergruppen häufen oder Ähnliches. Thousand­Eyes nutzt dazu ein Konzept, das man gewissermaßen als Live-Karte des Internet-Datenverkehrs ansehen kann.

LANline: Welche Daten sammeln Sie dabei?
Schneider: Wir aggregieren beispielsweise die Informationen, die aus den unzähligen Tests stammen, die unsere Kunden jeden Tag fahren. Wichtig ist dabei etwa die Erkenntnis, dass auch ein Ausfall in Übersee für Nutzer in Deutschland Auswirkungen haben kann. Man benötigt neben dem Ende-zu-Ende-Monitoring vielfach aber auch eine globale Sicht auf den momentanen Zustand des Internets.

LANline: Wie gewinnen Sie diese Art von Information?
Schneider: Grundsätzlich durch eine Art synthetischen Test. Wir platzieren eine Software im Internet, die eine Test-Applikation untersucht. Damit sammeln wir kontinuierlich Daten, Zustandsparameter oder Alerts. Dieses Konzept unterscheidet sich vom traditionellen Monitoring also ganz erheblich.

LANline: Herr Schneider, vielen Dank für das Gespräch.


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