Wireless LAN in der Industrie

Einsatz unter extremen Bedingungen

1. März 2005, 23:55 Uhr | Bernd Selgrath/pf Dipl.-Ing. Bernd Selgrath ist Presales Engineer bei Funkwerk Enterprise Communications.

Als drahtlose Anbindung an IP-basierende Unternehmensnetzwerke ist die Wireless-LAN-Technologie häufig zu finden. Mit der zunehmenden Verbreitung von IP-Netzen im industriellen Umfeld hält WLAN mehr und mehr auch in der Industrie Einzug. Die Funkvernetzung eröffnet hier ganz neue Anwendungsszenarien. Industrietaugliche WLAN-Komponenten sind allerdings Voraussetzung.

Schon seit einiger Zeit halten IP-Netze Einzug in Produktion und Fertigung. Längst sind
zahlreiche Feldbus-Ethernet-Adapter verfügbar, beispielsweise Modbus- oder
Profibus-Ethernet-Adapter. Auch SPS-Kopplungen (SPS: speicherprogrammierbare Steuerung) werden
heute bereits über Ethernet-Bausteine beziehungsweise über Koppler auf IP-Ebene durchgeführt. Harte
Echtzeitapplikationen lassen sich sicherlich nicht mit einer nicht-deterministischen
Ethernet-Kopplung umsetzen. Ein quasi-deterministisches Verhalten ist bei gering ausgelasteten
Ethernet-Netzwerken mit entsprechender Priorisierung der Dienste (TOS – Type-of-Service-Feld)
allerdings möglich. "Weiche" Echtzeitapplikationen sind mit einer WLAN-Lösung also durchaus
realisierbar.

Vergleich mit konventionellen drahtgebundenen Lösungen

Der Einsatz der WLAN-Technologie in der Industrie bietet nicht nur deutlich mehr Flexibilität,
sondern vor allem auch entscheidende Kostenvorteile gegenüber konventionellen Lösungen. Waren
beispielsweise Sensoren und Aktoren bisher direkt mit einer übergeordneten Steuerung verbunden, so
hat sich dies bei modernen Mess- und Stellgliedern entscheidend geändert: Zum Teil sind solche
Sensoren und Aktoren zu intelligenten Subregelsystemen – so genannten Smart-Reglern –
weiterentwickelt worden, die eine weitaus höhere Regelgüte als herkömmliche Geräte liefern. Im Zuge
dieser Entwicklung lässt sich auch die direkte Anbindung an eine übergeordnete SPS durch eine
Datenverbindung auf Ethernet-Basis über IP-Kommunikation ersetzen. Ein erheblicher Teil der Kosten
einer solchen Regelung entfällt dabei auf die Verkabelung – in diesem Fall die
Ethernet-Verkabelung. Sind im Laufe der Entwicklung einer solchen Regelung Änderungen oder
Anpassungen notwendig, so ist dies mit einem erneuten, kostenintensiven Verkabelungsaufwand für die
Anbindung weiterer Sensoren oder Aktoren verbunden. Teilweise sind nachträgliche Anpassungen
schlichtweg unmöglich, da hierfür Maschinen demontiert werden müssten.

Eine industrietaugliche WLAN-Lösung ersetzt die aufwändige Ethernet-Verkabelung durch ein
drahtloses Netzwerk gemäß der IEEE-Standard-Suite 802.11. Aufgrund der relativ geringen Datenmengen
kommt hier überwiegend der ältere Standard 802.11b mit einer Bruttoübertragungsrate von 11 MBit/s
zum Einsatz. Für datenintensivere Anwendungen wird der neuere Standard 802.11g genutzt, der
Übertragungsraten von bis zu 54 MBit/s brutto bietet. Allerdings "erkauft" der Anwender die höhere
Übertragungsrate durch geringere Reichweite: Für die Ausleuchtung derselben Fläche sind für die
Übertragung mit 54 MBit/s wesentlich mehr Access Points (zirka vier- bis fünfmal so viele)
erforderlich.

Für einzelne Maschinen- oder Robotersteuerungen wird beispielsweise ein Access Point an den
Ethernet-Port der übergeordneten Steuerungseinheit angeschlossen. In der durch diesen Access Point
aufgespannten Funkzelle lassen sich dann die Aktoren drahtlos einbinden. Drahtlose Clients sind mit
einer Ethernet-Schnittstelle für den Anschluss der Sensoren oder Aktoren ausgerüstet, neueste
Entwicklungen integrieren WLAN-Funkmodule bereits direkt in die Smart-Regler. Änderungen an den
Stellgliedern können so schnell durchgeführt werden, und auch die Implementierung zusätzlicher
Sensoren ist problemlos möglich. Der große Vorteil einer solchen Installation ist der unmittelbare
Zugriff auf die Sensoren über die IP-Ebene. Die Smart-Regler bieten zudem oftmals einen
integrierten Webserver zur Parametrierung, über den mit einer WLAN-Lösung ebenfalls der drahtlose
Zugriff auf die Sensoren möglich ist. So lassen sich beispielsweise aktuelle Zustands- und
Diagnosedaten während des laufenden Betriebs außerhalb des Gefahrenbereichs der Maschine zur
Auswertung auf ein Notebook übertragen. Im Automobilsektor sind beispielsweise in die Wartungs- und
Diagnosegeräte WLAN-Adapter eingebaut, sodass vom Büro aus über das Internet aktuellste Software-
und Firmware-Stände auf die Geräte aufgespielt werden können. Auf diesem Wege lassen sich auch die
Fahrzeugdaten online mit den Daten des Herstellers abgleichen.

Da die Rechnertechnik zunehmend in der Produktion Einzug hält, ist eine Vernetzung der
Bearbeitungsstationen und -rechner unumgänglich. Ein drahtloses Netzwerk bietet hierbei die
variabelste Möglichkeit für die Verbindung der PCs untereinander. Mittels mobiler Terminals oder
PDAs lässt sich dabei zusätzlich der Materialfluss kontrollieren und steuern. Darüber hinaus können
sämtliche Produktionsschritte zu jedem Zeitpunkt der Fertigung überwacht sowie eventuell
auftretende Fehler behoben werden. Diese lückenlose Überwachung aller Produktionsschritte optimiert
die Qualitätssicherung im Materialfluss und führt damit auch zu signifikanten
Kosteneinsparungen.

Industrietaugliche Access Points

Voraussetzung für diese Anwendungen sind industrietaugliche Access Points – hier sind die
Hersteller gefordert. Die Geräte müssen den gängigen IP-Normen entsprechen und beispielsweise auch
rauen Umgebungsbedingungen wie Schmutz, Hitze und Kälte standhalten. IP steht in diesem Fall für "
Ingress Protection", der zweistellige IP-Code definiert die entsprechenden Schutzklassen: Die erste
Ziffer bezeichnet den Schutz des Geräts gegen Berührung und Fremdkörper, die zweite den gegen
Feuchtigkeit.

Für raue Umgebungen sind beispielsweise Access Points mit IP40-Edelstahlgehäusen verfügbar. Beim
Einbau in Schaltschränke können Access Points (Gehäusespezifikation IP20) für die direkte Montage
auf Hutschienen zum Einsatz kommen. Dabei werden die Antennenanschlüsse aus dem Schaltschrank
herausgeführt und entsprechende externe Antennen verwendet. Durch die Nutzung von beheizten,
strahlwassergeschützten Gehäusen (IP65) ist auch die Verwendung in so genannten
Deep-Freeze-Umgebungen in Kältekammern möglich. Selbstverständlich eignen sich solche Geräte auch
für den Außeneinsatz bei Kälte, Nässe und Feuchtigkeit.

Funkvermessung

Das industrielle Umfeld stellt besonders hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit eines WLANs –
sowohl hinsichtlich der Erreichbarkeit des Funknetzwerks durch die Clients als auch in Bezug auf
Ausfallsicherheit. Beides lässt sich nur mit einer vorab durchgeführten professionellen
Funkvermessung sicherstellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Clients in den vorher
festgelegten Bereichen einen lückenlosen Netzwerkzugang haben, und ein transparenter Wechsel
mobiler Clients von einer Funkzelle in die Nachbarfunkzelle (Roaming) möglich ist. Durch die
Einplanung entsprechender Funkzellenüberlappungen ist selbst beim Ausfall einzelner Access Points
der Betrieb des Funknetzwerks gesichert. Mit den Messwerten der Funkvermessung lassen sich darüber
hinaus eventuelle Störquellen im Frequenzband oder andere Nutzer aufspüren, sodass die
Administration die Funkparameter darauf abstimmen kann.

Sicherheit im WLAN

Die Sicherheit ist im drahtlosen Netzwerk ein ebenso wichtiger Aspekt wie in drahtgebundenen
Netzwerken. Vor allem der Übergang vom WLAN in das LAN ist abzusichern, damit das WLAN nicht zur
Hintertür in das Unternehmensnetzwerk wird: Dort sind die sensiblen Unternehmensdaten zu finden,
die nicht in unbefugte Hände gelangen dürfen. Dabei gilt es zum einen, das Netzwerk vor dem
unbefugten Zugriff durch externe Dritte abzusichern, zum anderen muss auch das bloße Abhören der
Daten verhindert werden.

Die aktuellen Sicherheitsmechanismen für WLAN-Netzwerke gemäß IEEE 802.11i ("WPA2") schließen
beide Angriffsmöglichkeiten aus. Dabei wird der Zugriffsschutz durch die Authentifizierung
gegenüber einem im Netzwerk implementierten Radius-Server sichergestellt. Über diesen lässt sich
zusätzlich ein Schlüsselpaar für die Verschlüsselung generieren, sodass dadurch auch das Abhören
beziehungsweise Mithören der Klartextdaten unmöglich ist. Eine einfachere Variante stellt die
WPA-Verschlüsselung (WPA: Wi-Fi Protected Access) mit vordefiniertem Schlüssel dar
(WPA-PSK/Preshared Key). Zusätzliche Sicherheit bietet darüber hinaus ein VPN-Netzwerk, zum
Beispiel mit einem IPSec-Gateway und den zugehörigen IPSec-Clients.

Fazit

Die Vorteile von WLANs gegenüber herkömmlichen Industrievernetzungen liegen auf der Hand: höhere
Flexibilität, mehr Mobilität und mehr Komfort bei gleichzeitig geringeren Kosten. Das drahtlose
Netzwerk ist schnell installiert und eröffnet gegenüber verkabelten LANs neue Dimensionen im
industriellen Umfeld. In Fabrik- und Lagerhallen sind zahlreiche Anwendungsszenarien erst über ein
WLAN realisierbar. Oftmals erhöhen drahtlose Anbindungen die Betriebssicherheit: Ein kabelloser
Client ist in jedem Fall sicherer und komfortabler als ein Client, der ein Kabel hinter sich
herzieht. Zudem sind in der Industrie meist hochflexible, teure Kabel erforderlich, die regelmäßig
ausgetauscht werden müssen. Und auch hier kann WLAN punkten: Funk nutzt sich nicht ab.


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