Netzwerk-Monitoring

Fehlerquellen auf der Spur

22. März 2017, 8:00 Uhr | Von Dr. Martin Klapdor.

Die digitale Transformation krempelt die Unternehmenslandschaft um. In der Industrie bewirkt sie, dass die Vernetzung von Maschinen, Fertigungsteilen und Produktionsumgebungen immer stärker zunimmt. Mit der Zahl der vernetzten Geräte steigen auch die Anforderungen an die IT - ebenso wie potenzielle Fehlerquellen. Ein systemübergreifendes Netzwerk-Monitoring wird daher immer wichtiger.

Glaubt man den Marktauguren aus dem Hause Gartner, sollen in spätestens drei Jahren weltweit über 20 Milliarden Geräte über das Internet verbunden sein. Neben dem Consumer-Umfeld betreffen die Innovationen des Internets of Things (IoT) vor allem die industrielle Fertigung: Immer mehr Anwenderunternehmen sind offen für eine IoT-Initiative. Ausschlaggebend für diese Offenheit war die Ankündigung der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Plattform Industrie 4.0 und des Industrial Internet Consortium (IIC), ihre Referenzarchitekturen RAMI respektive IIRA zusammenzuführen. Beiden wollen künftig bei der Standardisierung kooperieren und dadurch die Interoperabilität der Systeme sicherstellen.

Industrie 4.0 ist in vollem Gange. Die bisher separate Operational Technology (OT) wird in Produktionsumgebungen durch smarte Geräte in die IT integriert. Dies hat zur Folge, dass man Maschinen, Fertigungsteilen und Produktionsumgebungen immer mehr miteinander vernetzt. Die Vorteile dieser Vernetzung sind vielseitig und betreffen nicht nur die Prozesse, sondern die gesamte Wertschöpfungskette: Zum einen kann die Versorgung von Maschinen mit Daten oder Produktionsmaterial durch automatisierte Prozesse und Algorithmen autonom erfolgen. Zum anderen lassen sich Bestellungen dank des umfassenden Datenvolumens on demand auslösen und Produktionsprozesse unternehmensübergreifend so steuern, dass sie Ressourcen und Energie sparen.

Außerdem ist es durch die Vernetzung der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette möglich, nicht mehr nur einen Produktionsschritt zu optimieren, sondern auch vor- und nachgelagerte Schritte mitzudenken.

Der Markt hat diesen Potenzial bereits erkannt: Die Beratungsfirma Oxford Economics schätzt, dass die Branchen, in denen das Industrial Internet of Things (IIoT) Anwendung findet, einen Anteil von 62 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der G20-Staaten beitragen. Schon im Jahr 2012 lagen die Investitionen für entsprechende Technik weltweit bei über 20 Milliarden Dollar, wie Accenture ermittelt hat. Allerdings ist das IoT/Industrie-4.0-Terrain laut Gartner derzeit noch unübersichtlich und voller Stolpersteine.

Höhere Anforderungen

Denn mit der bloßen Ausstattung von Maschinen mit Sensoren ist die Umstellung auf Industrie 4.0 nicht getan. Um die Vorteile voll auszuschöpfen, müssen Komponenten systemübergreifend miteinander kommunizieren. Dies bedeutet, dass man bisher getrennte Teilsysteme harmonisieren und Daten zu eingehenden Aufträgen in Echtzeit an die Produktionshallen übertragen muss. Außerdem lassen sich zentrale Funktionen wie CRM, ERP oder Supply-Chain-Management immer mehr in Form von Software as a Service (SaaS) bedienen oder verstärkt über die Cloud bereitstellen. Dadurch fluktuiert der Traffic, müssen Server und Netzwerkkomponenten nach Bedarf zu- und abgeschaltet und neu konfiguriert werden können.

IIoT - Chancen und Risiken - ohne Logo
Das IIoT bietet Unternehmen viele Chancen, jedoch auch zahlreiche Risiken. Bild: Netscout

Dabei offenbart sich die eigentliche Herausforderung: Je mehr sich die Industrie digitalisiert und vernetzt, desto mehr steigen auch die Anforderungen an die IT. Und höhere Anforderungen bedeuten eine erhöhte Fehleranfälligkeit sowie ein erhöhtes Risiko. Der hohe Grad an Vernetzung führt dazu, dass einzelne Prozesse viel stärker voneinander abhängig sind. Auf diese Weise kann ein Ausfall einer Komponente gleich gravierende Auswirkungen auf das gesamte System haben. Mit jedem (Sicherheits-) Update wird das System zusätzlich komplexer, die Fehlerwahrscheinlichkeit nimmt zu. Auslöser können etwa fehlerhafte Hardware, Integrationsprobleme, automatisierte Konfiguration oder menschliche Fehler sein. Unvorhergesehene Probleme, zum Beispiel eine schlechte Konnektivität, können außerdem die Produktivität oder die Rentabilität beeinflussen.

Auch die zunehmende Nutzung von Cloud-Services bedeutet ein höheres Risiko für die IT-Infrastruktur von Unternehmen. Daten fließen von Endpunkten zum Kern des Netzwerks und in die Cloud, wo man sie in zahlreiche Anwendungen und Plattformen einspeist. Von dort fließen sie auch wieder zurück zum Nutzer. Dies hat zur Folge, dass Fehler noch schwieriger zu finden sind.

Proaktiv Fehlerquellen erkennen und beheben

Für Unternehmen, die sich in der Industrie 4.0 behaupten wollen, werden eine störungsfreie Performance aller Komponenten und eine daran angepasste IT also immer wichtiger. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn vernetzte Produktions- und Steuerungssysteme geschäftskritische Funktionen mit Millionen von Endpunkten unterstützen. Wie eine Studie von Vision Solutions ergab, sind produzierende Unternehmen mit Kosten für IT-Ausfälle von durchschnittlich 1,8 Millionen Dollar pro Stunde konfrontiert. Bei durchschnittlich 27 ungeplanten Ausfällen pro Jahr in deutschen Unternehmen entstehen beträchtliche Schäden.

Um diesen vorzubeugen, kann eine genaue Überwachung der Service-Bereitstellungsinfrastruktur in Echtzeit sicherstellen, dass sich Daten fehler- und unterbrechungsfrei übertragen und ungewöhnliche Muster gleich erkennen lassen. Dies hilft dabei, die Ursachen für Störungen aller Art schnell zu beheben, wo immer sie auch auftreten, und Schäden vorzubeugen.

Dazu ein Praxisbeispiel: Ein amerikanischer Pharmahersteller hatte immer wieder mit Problemen in seiner automatisierten Produktionsanlage zu kämpfen, die man nur durch einen Neustart der gesamten Umgebung beheben konnte. Dieser dauerte in der Regel mindestens 20 Minuten. Lösen ließ sich das Problem durch die Einführung eines systemübergreifenden Netzwerk-Monitorings: Sobald in einem der angeschlossenen Systeme eine Fehlfunktion auftritt, wird nun die IT-Abteilung über den Vorfall informiert, sodass sie den Fehler beheben kann, bevor die Produktion zum Stillstand kommt.

Doch mit einem engmaschigen Monitoring gelingt digitalen Unternehmen nicht nur eine effizientere Produktion. Anhand der Masse an Nutzerdaten können sie Bedarfe schneller erkennen und darauf basierend neue Produkte und Services entwickeln. Sie ermöglichen auch, die Bedarfsplanung zu optimieren: Mithilfe genauer Prognosen zu Auslastung und Nachfrage erhalten sie einen bedarfsgerechten Mix aus internen und externen IT-Ressourcen und können so die Effizienz von IT-Infrastrukturinvestitionen erhöhen. Veränderungen in Nutzungsmustern von Kunden geben beispielsweise Aufschluss über Nachfrageschwankungen.

Thema Sicherheit ist nicht zu vernachlässigen

Es bleibt das Thema Sicherheit. Die physische Sicherheit von Produktionsanlagen war schon in der Vergangenheit Gegenstand vielfältiger Maßnahmen, von Zugangskontrollen über hochsichere Bauweisen und Notstromversorgung. Doch dass durch die Vernetzung von Maschinen neue Sicherheitslücken entstehen, ist anscheinend nicht für jedes Unternehmen entscheidend. Laut einer Studie des Social-Media-Netzwerks des Management-Spezialisten Spiceworks hat gerade mal ein Viertel der befragten Unternehmen in der EMEA-Region Maßnahmen ergriffen, die Bedrohung durch Cyberangriffe, die IoT-Geräte mit sich bringen, abzuwehren. Oft handelt es sich dabei um unternehmenskritische Systeme, was das Problem nur noch dringlicher macht. Treten dabei Störungen oder Beeinträchtigungen auf, können große Schäden die Folge sein.

Die häufig geringen Sicherheitsstandards smarter Geräte machen es Angreifern leicht. Ein weiterer begünstigender Faktor ist der steigende Netzwerk-Traffic, der es Angreifern erlaubt, sich im Grundrauschen zu verstecken. Um sich vor Eindringlingen zu schützen, müssen Unternehmen die Aktivitäten in ihrem Netzwerk rund um die Uhr im Auge behalten und auf jede ungewöhnliche Bewegung reagieren. Dazu lassen sich sowohl historische Daten heranziehen als auch Daten aus Anwendungen und Produktionssystemen.

Auch wenn die Umstellung mit Hindernissen und Stolperfallen einhergeht, haben Unternehmen viel zu gewinnen. Indem sie sicherstellen, stets einen Überblick über ihre Ressourcen zu behalten, um auf Probleme und Risiken schnell reagieren zu können, stellen sie die Weichen für eine erfolgreiche digitale Transformation.

Dr. Martin Klapdor ist Senior Solutions Architect bei Netscout Systems ().

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