Glosse: Alles meins – die rechtliche Seite der Cloud

12. Juli 2011, 6:10 Uhr | LANline/Dr. Wilhelm Greiner

Dieser Tage feiert man in Peru das 100. Jubiläum der Wiederentdeckung von Machu Picchu. Beim Anblick der Bilder der beeindruckenden Inka-Ruinenstadt fragt man sich unwillkürlich, wie solch eine hochentwickelte Zivilisation untergegangen sein könnte. Schließt man von unserer heutigen Zivilisation auf die damalige, kommen zwei Ursachen in Frage: entweder ein Patentrechtsstreit darüber, wer das Prinzip "künstliche Bewässerung" erfunden hat, oder aber der große Inka-Medienkonzern So-Nih hat sein Copyright auf das Geräusch plätschernden Wassers geltend gemacht und der Gebirgsstadt den Hahn abgedreht.

Denn das Entstehen einer menschlichen Zivilisation erfolgt bekanntlich immer in drei Schritten: Erst kommen die Bauern, dann die Ingenieure und zuletzt die Anwälte.

Ähnliches lässt sich heute beim Aufbau einer virtuellen Zivilisation – in Fachkreisen „Cloud“ genannt – beobachten: Erst kommen diejenigen, die dank wolkiger Wolken neue Computing-Äcker fruchtbar machen, dann bauen Ingenieure ihre Suchmaschinen und Dropboxen darauf, und nun kommen Advokaten aus jedem Winkel gekrochen, um das Ruder zu übernehmen.

Zum Beispiel hat kürzlich der auch von mir geschätzte und genutzte File-Service Dropbox – offenbar dem Rat schlauer Justitiare folgend – neue Nutzungsbestimmungen (Terms of Service, kurz ToS) aus seiner File-Service-Wolke auf die Welt herabregnen lassen. Das Problem für den IT- und Cloud-affinen Benutzer liegt darin, dass er sich in seinen Lesegewohnheiten umstellen muss: von Handbüchern, die er nicht lesen will, hin zu Juristengebrabbel, das er nicht versteht (und wohl auch nicht verstehen soll).

So hieß es am 2. Juli plötzlich in den aktualisierten Terms of Service von Dropbox: “By submitting your stuff to the Services, you grant us (and those we work with to provide the Services) worldwide, non-exclusive, royalty-free, sublicenseable rights to use, copy, distribute, prepare derivative works (such as translations or format conversions) of, perform, or publicly display that stuff to the extent we think it necessary for the Service.” Hier meine laienhafte Übersetzung: „Indem Sie Ihre Sachen an unsere Services übergeben, gewähren Sie uns (und denen, mit denen wir zusammenarbeiten, um die Services bereitzustellen) weltweite, nicht-exklusive, tantiemenfreie, weiter lizenzierbare Rechte, die Sachen in dem Maße, das wir für den Service als notwendig erachten, zu nutzen, zu kopieren, zu verteilen, abgeleitete Werke (wie Übersetzungen und Umformatierungen) anzufertigen, durchzuführen und öffentlich darzustellen.“

Die Cloud-Company versucht hier einerseits, sich mit flapsigen Formulierungen wie „your stuff“ jugendlich-cool zu geben, sich aber zugleich mit juristischem Kauderwelsch weitestmöglich abzusichern. Was auf dieses ToS-Update folgte, war zunächst ein durch die Dropbox-Benutzerschaft hallendes „Häh?“ und dann ein veritabler Wolkenbruch im Wasserglas. Denn das „Kleingedruckte“ erschütterte das Vertrauen vieler erschreckter Benutzer, die plötzlich um ihr gestern noch bedenkenlos in die Cloud gekipptes geistiges Eigentum bangten. So verkündete zum Beispiel der Analyst Simon Bramfitt kurzerhand auf Twitter, er werde seine Dropbox-Nutzung einstellen.

Andere Benutzer, darunter zum Beispiel der Betreiber des Offmessage-Blogs, drängten Dropbox zu konkreteren, benutzerfreundlicheren Formulierungen. Auch der Schreiber dieser Zeilen hat sich erdreistet, die Dropboxler sogar als Nicht-Native-Speaker und Nicht-Jurist per E-Mail auf ihren etwas zu laxen Umgang mit juristoider englischer Terminologie hinzuweisen. Denn letztlich geht es bei der Cloud-Nutzung um Vertrauen, und dieses leidet bei allzu schwammigen Formulierungen – das gilt für Dropbox ebenso wie für Google, Facebook und Co.

Die beanstandeten Zeilen sind inzwischen von www.dropbox.com/terms verschwunden. Das Grundproblem aber bleibt: Die Anwender wollen möglichst bequeme Cloud-Services, die Provider hingegen wollen sich rechtlich absichern. Hier werden Cloud-Provider und -Nutzer sicher noch zueinander finden. Aber  an eines werden wir uns gewöhnen müssen: Cloud Computing bedeutet weniger Arbeit für die IT-Fachleute, aber mehr Arbeit für die Juristen.


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