Glosse: Twitter zwischen Ökonomie und Ökosystem

16. April 2010, 7:51 Uhr |

Wie ich kürzlich schon gepostet habe, bin ich ein ausgesprochener Fan von Twitter. Denn dieser Social-Media-Service liegt so ziemlich genau auf halbem Weg zwischen einem News-Ticker und einem Social Network wie etwa Facebook. Für mich als IT-Journalisten ist das ebenso angenehm wie nützlich - besser wird?s nicht.

Im Umfeld der ersten Entwicklerkonferenz namens
Chirp in San
Francisco hat die Twitter-Führungsriege nun kürzlich eine ganze Reihe von News verkündet – darunter
auch einige, die entweder die Benutzerschaft oder aber das Entwicklerumfeld, von dem das
Social-Info-Netzwerk hochgradig lebt, verunsichert haben. Schauen wir uns das also näher an.

Erste große Neuigkeit: Twitter, Inc. hat sich nach langem Anlauf zu einem Geschäftsmodell
durchgerungen – nachdem vor genau einem Jahr das von mir hoch geschätzte Magazin brand eins noch
gespöttelt
hatte
, Twitters Verhältnis von investiertem Wagniskapital zum Ertrag (in Dollar) sei 35.000.000
zu 0.

Jetzt
will Twitter "Promoted Tweets?
einführen
, also von Werbetreibenden bezahlte Einträge in Suchergebnissen. Das lukrative Prinzip
hat man von Google abgeschaut, wo man das schon längst praktiziert.

Zahlreiche Tweeter
äußerten sich
verärgert
darüber, in ihrem Twitter-Feed Werbung vorfinden zu sollen, während  Marktkenner
sich
angetan
zeigten
, dass die beliebte Plattform nun einen Plan hat, wie künftig (jenseits von
Partnerschaften mit Google und Microsoft) die Kohle reinkommen soll. Ich persönlich hätte nichts
gegen solche "Sponsored Tweets? einzuwenden, solange sie klar als solche gekennzeichnet sind und
nicht überhand nehmen. Beides hat Twitter auf der Chirp zugesichert.

Noch wesentlich höhere Wellen haben andere Schachzüge der Chefzwitscherer gesorgt: So  hat
das Unternehmen kürzlich einen offiziellen
Twitter-Client
für Blackberry vorgestellt
und
Atebits, den
Entwickler des laut Fachleuten besten Iphone-Clients Tweetie,
aufgekauft. Ein Android-Client
ist laut Twitter
in Vorbereitung. Denn um seine Promoted Tweets an den Tweeter und die
Tweeterin zu bringen, glauben die San-Franziskaner offenbar, den "Vertriebsweg? kontrollieren zu
müssen. Das Problem: Mit jedem "offiziellen? Stück Twitter-Software fürchten Entwickler aus
Twitters Ökosystem um ihre eigenen Geschäftsmodelle.

Twitter ist im Kern eine spartanische Microblogging-Plattform, aber eben – ein zentrales Element
– mit einer API (Programmierschnittstelle), die Abertausenden von Entwicklern Zugriff auf die
Twitter-Funktionalität bietet. Das heißt, der Twitter-Führung steht nun ein Balanceakt bevor: links
des Drahtseils die ökonomischen Interessen eines gewinnorientierten Unternehmens, rechts davon das
Ökosystem der Entwickler-Community, die das Fundament für den enormen Erfolg der Twittersphere
gelegt hat und legt.

Auf "maximal 140 Zeichen? gepolt, hat es das Team um CEO Evan Williams offenbar nur mit Müh? und
Not geschafft, die Community
wieder zu beruhigen. Inzwischen aber
hat man eine eigene Enwickler-Site gelauncht sowie
betont, dass nach wie vor großer
Bedarf für Zusatzapplikationen
besteht – und dass man die Sponsoring-Gewinne mit den Entwicklungspartnern
teilen werde, die Promoted
Tweets in ihren Applikationen nutzen (statt sie zu blocken, was sicher auch eine Produktgattung
werden wird).

Man darf gespannt sein, wie Twitter in puncto "tragfähiges Geschäftsmodell? den Sprung von 0 auf
1 schaffen wird. Und das alles, wie ebenfalls endlich bekanntgegeben, vor dem Hintergrund
dramatischen Wachstums bei den Benutzerzahlen: Denn laut Twitter gibt es schon über
105 Millionen registrierte
Benutzer
, die täglich drei Milliarden Requests und 400 Millionen Suchanfragen absetzen –
und jeden Tag kommen 300.000 weitere Anwender hinzu.

Wenn Twitter nicht nochmal patzt, dann sind das also durchaus rosige Aussichten. Please retweet.
Und:
Follow LANline on Twitter ?

LANline/
Dr. Wilhelm Greiner


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