Consumerization und das Client-Management

Mehr Fokus auf den Endanwender

21. Dezember 2012, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Der Einfluss privater IT-Nutzung auf die Unternehmens-IT (Consumerization) wächst deutlich, die Endanwender werden immer selbstständiger. Deshalb liegt es nahe, die zunehmende Verbreitung von Computer- und Technik-Know-how auf Anwenderseite auch für den Unternehmensalltag zu nutzen. Jenseits der Debatte um BYOD (Bring Your Own Device) ist hier ein Trend zu beobachten: Der Endanwender übernimmt immer mehr Aufgaben im IT-Alltag sowie zur Störungsbehebung.Der Endanwender ist in den letzten Jahren immer IT-affiner geworden, in mancher Hinsicht hat er sich von der IT-Organisation seines Arbeitgebers emanzipiert - Internet, E-Mail, Social Media und mobilen Gadgets sei Dank. Selbst wenn jeder Administrator Gegenbeispiele wüsste: Für die jüngere Anwendergeneration, die mit dem Internet aufgewachsen ist, gehören Rechner aller Couleur inklusive Always-on-Verbindung mit dem weltweiten Netz zum Alltag. Und auch manch ein älterer Arbeitnehmer hat in den letzten Jahren erstaunlich viel Computer- und Netzwerkkompetenz aufgebaut - insbesondere jene Anwender, die auch im Privathaushalt längst schon ein ordentliches kleines Netzwerk betreiben. Die IT-Abteilung eines Unternehmens spürt dies vor allem in der Form fortschreitender Consumerization. Der Einfluss der Privatanwender-IT auf die Unternehmens-IT nimmt zu: Anwender erwarten gerne, dass im Unternehmen alles auch so einfach, schnell und bequem geht, wie sie das von ihren privat genutzten Geräten, Apps und Services kennen. Wer an seinem Rechner Admin-Rechte besitzt, hilft dabei gerne mal selbst nach, und unter der Überschrift BYOD wird derzeit heftig diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen Endanwendern erlauben sollte, auch private Endgeräte - seien es Notebooks, Tablet oder Smartphones - für berufliche Zwecke zu nutzen. Für manch eine IT-Organisation ist dies ein Alptraum, für viele Anwender - zum Beispiel für zahlreiche Mitarbeiter in IT-Unternehmen, aber auch für selbstständige Versicherungsvertreter - schon längst Alltag. Vor diesem Hintergrund ist das Client-Management mit einer deutlich zunehmenden Vielfalt mobiler Endgeräte konfrontiert - seien sie vom Unternehmen beschafft oder vom Endanwender "eingeschleppt". Das Hauptproblem betrifft dabei das Spannungsfeld Informationssicherheit: zu verhindern, dass unternehmensinterne Informationen abfließen einerseits, bei aller notwendigen Kontrolle die Persönlichkeitsrechte des Endanwenders zu wahren andererseits. Nicht umsonst empfehlen Anbieter wie Citrix oder VMware, die Client-Ressourcen virtualisiert im RZ vorzuhalten und den Zugriff nur rollen- sowie kontextabhängig zu gestatten, um die klare Trennung zwischen Informationsbeständen und Endgeräten zu gewährleisten.   Workaround MDM Großes Interesse herrscht heutzutage an MDM-Lösungen (Mobile-Device-Management), versprechen doch einschlägige Hersteller, für Durchblick im Mobile-Device-Dschungel zu sorgen - bis hin zur Beherrschung von BYOD-Umgebungen. Nicht umsonst findet man auch in den letzten Ausgaben der LANline eine aktuelle Testserie zu MDM-Werkzeugen. Doch die Ergänzung bestehender CLM-Lösungen (Client-Lifecycle-Management) um MDM-Tools (standalone oder als Teil einer CLM-Suite) bedeutet für die IT vor allem mehr Komplexität: Neben dem vertrauten Windows gilt es nun, auch Apple IOS, Android und bald wohl auch Windows Phone zu verwalten. Jedes OS hat dabei seine Besonderheiten und Schwachstellen, von der Unüberschaubarkeit des Mobile-Gadget-Produktangebots ganz zu schweigen. Das Problem dabei: Die Unternehmens-IT muss wieder einmal viel Zeit und Energie aufbringen, um Endgeräte zu verwalten - die aber in vielen Fällen der Endanwender heute auch leicht selbst in Schuss halten könte. Aller Sorge der IT um den "dümmsten anzunehmenden User" zum Trotz: Auch mit MDM ist die IT in vielen Fällen darauf angewiesen, dass der Anwender letztlich selbsttätig den Button "OK" oder "Update" drückt - das ist bei IOS und Android konzeptbedingt. Im Hinblick auf die Consumerization ist die aktuelle Smartphone-Generation damit ein Schritt in Richtung eigenständiger Anwender, im Hinblick auf ein sicheres, möglichst hochgradig automatisiertes IT-Service-Management aber ist MDM bestenfalls eine Brückentechnologie. "MDM alleine löst nicht die Herausforderungen, die sich durch den Einsatz mobiler Endgeräte im Unternehmen ergeben", kommentiert Markus Nispel, Chief Technology Strategist und Vice President Solutions Architecture bei Enterasys Networks. "Eine Kombination aus einer universellen, für alle Devices anwendbaren netzwerkbasierten Access-Control-Lösung und Security-Monitoring ist hier erforderlich."   Windows 7 und Windows 8 Nicht minder heftig diskutiert wird die Frage, welche Rolle Microsofts neues Client-Betriebssystem Windows 8 in den Unternehmen spielen wird. "Nachdem Microsoft mit Windows 7 die Unzulänglichkeiten von Windows Vista behoben hat, ist der Windows-8-Vorgänger in den letzten Jahren zu einer stabilen, skalierbaren und bewährten Plattform für Unternehmensanwendungen herangereift", betont Sebastian Weber, Product Manager ACMP bei Aagon. Bei Windows 8 habe Microsoft hingegen mit viel Vertrautem gebrochen, so etwa mit dem klassischen Startmenü, was vielen Benutzern bei einem Umstieg Schwierigkeiten bereiten werde. "In der Summe mag Windows 8 für Privatanwender durch seine Tablet-ähnliche Bedienung durchaus attraktiv erscheinen", so Weber, "Unternehmen haben davon bis auf jede Menge Ärger jedoch erst einmal nichts." Wie Weber, so raten derzeit viele Fachleute den Unternehmen dazu, sich auf ihre Windows-7-Rollouts zu konzentrieren und Windows 8 zunächst keine Beachtung zu schenken. Verbreitet ist auch die Argumentation, dass man erfahrunsgemäß sowieso nur jede zweite Windows-Generation im Unternehmen einführen müsse - diesmal also ein künftiges Windows 9. Den Vorbildern Apple und Google folgend setzt Microsoft jedoch mit Windows 8 offenbar ganz gezielt auf die Macht des Privatanwenders. Und so liegt die Vermutung nahe, dass Windows 8 in dem Maße in die Unternehmen einziehen wird, wie es Windows 8 (mit seinen Geschwistern Windows RT und Windows Phone 8) gelingen wird, Marktanteile im Consumer-Segment zu erobern - nämlich über ein genehmigtes und mitunter sicher auch ein ungenehmigtes BYOD: Sobald der Chef eines Tages sein privates Surface-Tablet im Unternehmensnetz vorfinden will, kommt die IT um dieses Thema nicht mehr herum.   Consumerization nutzbar machen Während IT-Organisationen BYOD und Consumerization gerne vorrangig als Störung ihrer geregelten IT-Service-Abläufe, als Compliance- und Sicherheitsrisiko oder als Bedrohung ihrer Arbeitsplätze betrachten, gibt es auch Softwareanbieter, die diesem Trend positive Seiten abgewinnen können: Sie machen sich die gewachsene IT-Affinität der Endanwender zunutze und setzen für diverse Aufgaben aus dem Client- und dem IT-Service-Management (ITSM) auf die Devise: "Selbst ist der Endanwender!" Funktionen wie Enterprise App Stores für die selbsttätige Bestellung von Applikationen oder auch Workflows für Passwort-Resets per Self-Service-Interface gibt es schon seit einiger Zeit. Neuere Lösungen für das Client-Management und den Service-Desk gehen aber noch darüber hinaus. So hat zum Beispiel BMC kürzlich die Lösung My IT vorgestellt, deren Zweck es ist, dem Endanwender über ein modernes App-Interface den Überblick über den Status der von ihm bezogenen IT-Services zu geben (Bild 1). Bei einer Störung kann er in der Knowledge-Base selbst nach Lösungswegen suchen, dank Verzahnung mit der Service-Desk-Lösung Remedy aber notfalls von dieser App aus auch ein Trouble-Ticket eröffnen. My IT ermöglicht auch Szenarien wie das folgende: Der Anwender sucht in einem ihm nicht vertrauten Gebäude seines Unternehmens nach einem passenden Drucker. Dank Verknüpfung von Asset-Management und der Geolokation seines Smartphones zeigt ihm die App die nächstgelegenen Drucker in seinem Umkreis an (Bild 2). Falls er nun zum Beispiel nicht weiß, wie er das Gerät zum beidseitigen Druck veranlasst, kann er sich eine Bedienungsanleitung als PDF aus der Knowledge-Base laden. Was heute noch nach Science Fiction klingt, könnte künftig Alltag sein und den First-Level-Support entlasten. Allerdings, so Dirk Schäfer vom MDM-Anbieter Seven Principles, sei das Device Tracking per Geolocation nicht in allen Unternehmen erwünscht, weshalb 7P MDM dies in einem separaten Modul abbilde. Einen ganz ähnlichen Weg wie BMC beschreitet der deutsche ITSM-Anbieter USU aus Möglingen: Seine neue Lösung namens Lifebelt (zu Deutsch: "Rettungsring" und deshalb auch als solcher stets erreichbar in der Task-Leiste visualisiert) ist ebenfalls darauf ausgelegt, dem Endanwender bei Störungen und Problemchen zunächst Hilfe zur Selbsthilfe zu geben: Er soll via Lösungsvorschlägen aus der Knowledge Base eine Störung zunächst möglichst selbsttätig beheben (Bild 3). Erst wenn dies nicht auf Anhieb gelingt, meldet er sich beim Service-Desk. Im Sinne der Consumerization funktioniert auch Strataapps von Appsense. Der Anbieter hat sich ganz der User Virtualization verschrieben, also der Abstraktion aller User-spezifischen Daten und Einstellung eines PCs und deren Bündelung in einem User Layer. Mit dem Tool Strataapps kann die IT-Abteilung einen Pool von Anwendungen definieren und einrichten, die der Anwender sich bei Bedarf selbst installieren kann, ohne dafür die IT einschalten zu müssen (Bild 4).   Consumerization und die Cloud Immer mehr Softwarehersteller bieten ihre Lösungen inzwischen nicht nur zur lokalen Installation, sondern auch als Cloud-Service an. So hat zum Beispiel HP jüngst mit Service Anywhere eine Lösung für Service-Desk-as-a-Service vorgestellt, die dank hinterlegte Best-Practice-Workflows und codierungsfreier Anpassung besonders benutzerfreundlich sein soll. Und Matrix42 wird in Kürze sein Workplace-Management ebenfalls als Cloud-Lösung vorstellen und damit die Bestellung von Software via Web in ähnlichem Gewand wie eine Bestellung bei Amazon anbieten (Bild 5). Bei derartigen Cloud-Lösungen wird die IT-Abteilung eines Unternehmens selbst zum Anwender beziehungsweise zum Kunden. Je benutzerfreundlicher die gewählten Client-Management- und Service-Desk-Lösungen sind, desto mehr Aufgaben lassen sich direkt an den Endanwender delegieren. Dies kann einer IT-Organisation bei sinnvoller Gestaltung der Workflows, einer gründlich redigierten Knowledge-Base und benutzerfreundlich gestalteten Interfaces Zeit und Geld sparen. Der Autor auf LANline.de: wgreiner

Bild 2. Dank Verknüpfung des Asset-Managements mit der Geolokationsfunktion eines Smartphones gibt My IT dem Anwender Hinweise wie zum Beispiel, wo der nächstgelegene Drucker zu finden ist. Bild: BMC

Bild 3. Lifebelt des deutschen ITSM-Spezialisten USU bietet dem Anwender Hilfe zur Selbsthilfe, um den First-Level-Support zu entlasten. Bild: USU

Bild 4. Mit Strataapps von Appsense kann eine IT-Organisation einen Pool von Anwendungen definieren, die der Endanwender selbsttätig installieren darf. Bild: Appsense

Bild 5. Matrix42 bietet sein Workplace-Management künftig auch per Software as a Service an. Anwender können damit ihre Applikationen per Cloud bestellen. Bild: Matrix42

Bild 1. Mit BMC My IT hat der Endanwender den Status seiner IT-Services im Blick. Bild: BMC
LANline.

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