Interview mit Josh Caid, Vice President Innovation, Cherwell

ML kann Service-Desk-Personal nicht ersetzen

20. März 2018, 8:05 Uhr | Von Dr. Wilhelm Greiner.

Die Anbieter klassischer ITSM-Lösungen (IT-Service-Management) wie etwa ServiceNow, hier in Deutschland Matrix42 (LANline berichtete) oder - jüngst im LANline-Interview - Efecte haben ihren Einzugsbereich längst auf Prozesse quer durch das ganze Unternehmen ausgedehnt und offerieren heute ein ESM (Enterprise-Service-Management). Immer stärker setzen die namhaften Player hier auf AI (Artificial Intelligence, künstliche Intelligenz) - vorrangig vertreten in der vergleichsweise einfachen Form des Machine Learnings (ML). LANline diskutierte mit Josh Caid, Vice President Innovation des US-Anbieters Cherwell mit Hauptsitz in Colorado, den Trend zu ESM, ML und Self-Service nach Consumer-Manier.

LANline: Herr Caid, immer mehr namhafte ITSM-Anbieter sehen sich schon längst als ESM-Hersteller, somit als Provider unternehmensweiter Service-Management-Lösungen. Wie liegt Cherwell hier im Rennen?

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Per Dashboard verschafft Cherwell dem IT-Verantwortlichen den Überblick über den Status quo im IT-Service-Management. Bild: Cherwell

Josh Caid: Über 75 Prozent der Anwender nutzen unsere Lösung für Prozesse außerhalb der IT: HR, Facility-Management, Raumreservierungen, Asset-Management oder im Security-Bereich, um Requests, Events und Eskalationen zu verwalten. Hier ergänzt Cherwell dann das SIEM-System (Security-Information- und Event-Management, d.Red.). Einer unserer Anwender, ein US-amerikanisches Finanzinstitut, betreibt sogar über 275 Prozesse mit Cherwell: alles von der Ausstellung der Besucherausweise bis zu Banking-Prozessen.

LANline: Wie fügt sich Ihre ESM-Lösung in die bestehende Applikations- und Datenbank-Landschaft ein, um Workflows auch jenseits der klassischen IT zu automatisieren?

Josh Caid: Für Integrationen und die Orchestrierung ist unsere Plattform erweiterbar. Unser Toolkit umfasst dafür REST-APIs ebenso wie SOAP- und .Net-Schnittstellen oder direkte Datenbankintegrationen. Dank unseres Workflow-Systems OneStep lassen sich automatisierte Tasks leicht erstellen und ebenso einfach wiederverwenden.

LANline: Die Anpassung an individuelle Anläufe ist ein kritischer Punkt. State of the Art ist heute, dies ohne Coding, sondern rein mittels Konfiguration vornehmen zu können - wie sieht das bei Ihnen aus?

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Bearbeitung eines Service-Requests in Cherwell Service Management. Bild: Cherwell

Josh Caid: Das Cherwell Service Management lässt sich auf der Basis unserer Business-Logik einfach konfigurieren, ohne Programmierung zu erfordern. So kann ein Anwender das System auch problemlos nachträglich anpassen, sobald Änderungen in den Geschäftsabläufen dies erfordern.

LANline: Wie flexibel ist Ihr Lizenzmodell, wenn es um Nutzungsschwankungen geht, Stichwort SaaS?

Josh Caid: Wie bieten eine On-Premise-Lösung ebenso an wie eine SaaS-Variante. Das Anwenderunternehmen hat somit also die Wahl zwischen einem Capex- oder einem Opex-Modell - Letzteres übrigens auch bei der On-Premise-Version.

LANline: Bei ESM-Lösungen scheint "SaaS" allerdings gar nicht mehr das passende Wort, handelt es sich doch mitunter eher um Plattformen, die "as a Service" angeboten werden, also um PaaS. Wie sehen Sie sich hier positioniert?

Josh Caid: Unsere Lösung lässt die Grenzen zwischen SaaS und PaaS verschwimmen: Cherwell hatte eigentlich schon immer ein PaaS-System, die ITSM-Prozesse sind lediglich Konfigurationen dieser Plattform. Dadurch ist die Software so flexibel nutzbar. Wir treten nur eben nicht aktiv als PaaS-Anbieter auf.

LANline: Welche wesentlichen Trends sehen Sie im Service-Management?

Josh Caid: Als wichtige Trends erachten wir zunehmenden Self-Service, die Vollautomation der Erfüllung von Requests sowie Predictive Analytics, also die Analyse von Trends im Hinblick auf deren Verwertung für vorausschauendes Handeln.

LANline: In welche Richtung entwickeln sich die Ansprüche der Endanwender an die Interaktion mit dem Service-Desk oder einem Service-Request-Portal?

Josh Caid: Die Erwartungen der Endanwender, wie sie mit der IT interagieren, ändern sich rapide. Anwender erwarten heute einen eher beratenden, weniger technischen Ansatz, vergleichbar mit Apples Genius Bar. Wir arbeiten deshalb an einer ?Consumerization? der Benutzererfahrung. Die nächste Version wird deshalb vollständig neu designte User Interfaces bieten. Zudem haben wir kürzlich die Mehrsprachigkeit der Lösung ausgebaut: Wir haben Übersetzungs-Tools entwickelt, sodass man maschinelle Übersetzungen um individuellen Korrekturen ergänzen kann. Ziel ist es auch hier, dem Anwender die Bedienung möglichst leicht zu machen.

LANline: AI (Artificial Intelligence, künstliche Intelligenz) - vorrangig vertreten in der vergleichsweise einfachen Form des Machine Learnings (ML) - gilt heute als ein Pferd, auf das man heute als IT-Anbieter setzen muss. Wie sieht Cherwells ML-Strategie aus?

Josh Caid: In puncto Machine Learning gibt es einige Bereiche, in die wir investieren, vor allem im Hinblick auf die Endanwender-Schnittstelle. Die Endanwender erwarten heute Chatbots ebenso wie Support von Skype oder Slack. Wir investieren zugleich in eine Konversations-Engine, die natürliche Sprache verarbeiten kann. Ein weiterer Einsatzbereich für ML besteht darin, sozusagen ?die Automation zu automatisieren?: Die künstliche Intelligenz beobachtet zum Beispiel, wie Requests erfüllt werden, und erzeugt auf dieser Basis Einträge für die Wissensdatenbank. So erhält man eine semiautomatisierte Knowledge Base. Sobald das System feststellt, dass dieses beschriebene Vorgehen in der Tat korrekt ist, kann es dem Benutzer auch eine Vollautomation für Lösungswege anbieten. ML unterstützt also Teams, indem es Muster ermittelt und dann für deren Anwendung eine Automation per Opt-in anbietet.

LANline: Wo liegen Ihres Erachtens die Grenzen von ML und AI?

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"Die Grenzen von AI und ML bestehen darin, dass sie menschliches Personal nicht ersetzen können", so Josh Caid, Vice President Innovation bei Cherwell. Bild: Cherwell

Josh Caid: Die Grenzen von AI und ML bestehen darin, dass sie menschliches Personal nicht ersetzen können. Manche Unternehmen hegen heute diese Hoffnung, sie ist aber weder realistisch noch pragmatisch. Denn AI und ML sind großartig darin, Teams bei der automatisierten Durchführung von Aufgaben zu unterstützen, aber der Einsatz von AI macht die IT nicht auf magische Weise zum Roboter. Denn automatisieren kann man immer nur bereits Bekanntes: Auch selbstlernende Systeme müssen vom Personal erst lernen, wie vorzugehen ist. Es kann also immer nur um Optimierung gehen, nicht darum, Personal abzubauen. Zudem muss man zum Beispiel am Service-Desk weiterhin menschliche Emotionen und Interaktionen berücksichtigen, ebenso den Umgang mit nicht beabsichtigten Konsequenzen.

LANline: Herr Caid, vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen finden sich unter www.cherwell.com.

Dr. Wilhelm Greiner ist freier Mitarbeiter der LANline.

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