Business-to-Device-Strategie

Mobility-Management aus einem Guss

29. Juni 2015, 6:00 Uhr | Markus Köstner, Teamleiter Software und Mobile App Development, Thomas Völker Teamleiter Enterprise Mobility Management bei Fritz & Macziol, www.fum.de/wg

Laut einer aktuellen Bitkom-Studie wurden in den letzten zwei Jahren mehr als die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland Opfer von digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl. Bitkom-Präsident Dieter Kempf warnt, dass sich vor allem der Mittelstand besser schützen müsse. Die Lösung besteht in einer gut durchdachten EMM-Strategie (Enterprise-Mobility-Management), die speziell auf die Bedürfnisse eines Unternehmens angepasst ist. Denn um alle Vorteile nutzen und Schaden abwenden zu können, gilt: ganz oder gar nicht.

In sechs Jahren könnte es laut der BT Group bis zu 50 Milliarden mobile und vernetzte Endgeräte auf der Erde geben. Allein in Deutschland geht die Zahl der Smartphones und Tablets, auf denen private und berufliche Daten nebeneinander verarbeitet werden, bereits in die Millionen. Facebook, Google und Co., aber auch Geheimdienste und Industriespione nehmen dies gerne als Einladung an, Telefonnummern, E-Mails und unternehmenskritische Daten abzugreifen.
Mobile Endgeräte halten meist schleichend Einzug in Unternehmen: Mehr und mehr Angestellte benutzen ihr privates Smartphone für Firmenangelegenheiten und umgekehrt, oder einzelne Abteilungen vernetzen sich mobil. So entsteht in fast jedem Unternehmen eine Schatten-IT im Mobility-Bereich. Compliance-Richtlinien und Sicherheitsaspekte werden dadurch oft unbewusst ausgehöhlt und vernachlässigt. Immer öfter sind Mitarbeiter aber mittlerweile darauf angewiesen, Kunden- oder Produktinformationen auf Smartphone oder Tablet zur Verfügung zu haben oder Prozesse von unterwegs abbilden zu können - etwa im Vertrieb oder im Außendienst. Diese Geräte und Daten sollten jedoch auch gemanagt und einheitlich angebunden sein. Die Herausforderung besteht darin, das Mobile-Device-Management (MDM) mit Datenschutzvorgaben und Richtlinien zur privaten Nutzung in Einklang zu bringen. Darüber müssen sich Unternehmen jeder Größe und aller Branchen Gedanken machen.
 
Individuelle Konzepte
In jedem Unternehmen unterscheiden sich die Voraussetzungen für EMM grundlegend. Daher ist für jeden Einzelfall konkret ein individuelles Konzept mit entsprechenden Lösungen zu entwickeln. Standardpakete bieten oft keine ausreichende Lösung. Wer innerhalb eines Unternehmens den Auftrag erteilt, ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den es von Anfang an zu berücksichtigen gilt: Ist es die Fachabteilung, die nach einer Lösung für ein Problem sucht, sollte sie die IT-Abteilung frühzeitig mit einbeziehen, da diese spätestens bei der Implementierung eine zentrale Rolle spielen wird. Umgekehrt ist es ebenso wichtig, Fachabteilungen mit einzubeziehen, wenn die IT-Abteilung an einen Softwareentwickler herantritt. Denn sonst bleiben eventuell einzelne Anliegen der Unternehmensbereiche auf der Strecke und die Lösung geht am Ende nicht zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse der Abteilungen ein.
Am Anfang einer jeden Business-to-Device-Strategie steht also eine Vielzahl von Überlegungen und individuellen Anforderungen: Das eine Unternehmen braucht Kundendaten auf den Endgeräten seiner Mitarbeiter, ein anderes täglich aktualisierte Produktinformationen und wieder andere technische Analysen zu Maschinen, Wartungsarbeiten oder Produktionsketten. Oft muss die mobile Lösung auch an verschiedene Backend-Systeme wie CRM, ERP oder Datenbanken angebunden werden können und mit den meist komplexen, heterogenen IT-Infrastrukturen kompatibel sein.
Ebenso vielfältig verhält es sich bei der Festlegung von Compliance-Richtlinien, auf die neben der Geschäftsleitung häufig auch der Betriebsrat sowie der Datenschutz- oder Sicherheitsbeauftrage Einfluss hat. Allein die gesetzlichen Grundlagen, die einem angepassten EMM zugrunde liegen, sind für Laien oft nicht zu überblicken - angefangen vom Bundesdatenschutzgesetz über das Lizenzrecht und weitere Sorgfaltspflichten bis hin zum Strafgesetzbuch, wenn es beispielsweise um Bankdaten geht. Die Einhaltung dieser Richtlinien sollte jedes Unternehmen planen, da es diese verantwortet. Auch wenn Mobility-Experten hier keine Rechtsberatung vornehmen, können sie jedoch auf viele Risiken hinweisen.
 
Mehrwert steht im Vordergrund
Vor dem ersten Schritt der mobilen Softwareentwicklung müssen alle Details inklusive aller Anforderungen und Problemstellungen auf dem Tisch liegen. Vielen Unternehmen ist die potenzielle Tragweite eines durchdachten Mobililty-Konzepts zu Beginn gar nicht bewusst. Nach eingehenden Beratungsrunden mit Consultants und App-Entwicklern finden sich oft noch weitere Möglichkeiten, Arbeitsabläufe zu optimieren, welche die anfangs gewünschte Lösung noch an Funktionalität ergänzen. Nicht Designspielereien stehen dabei im Vordergrund, sondern immer der Mehrwert für das Unternehmen und seine Mitarbeiter. Denn auch der umgekehrte Fall ist denkbar, nämlich dass sich Unternehmen bei der Lösung einer Herausforderung wie etwa einem effektiven mobilen Außendienst verzetteln. Am Ende kann so ein kompliziertes Konzept voller Insellösungen entstehen, das die Mitarbeiter dann nicht annehmen. Auch hier ist es an den Fachberatern, mit dem Unternehmen auf einen sinnvollen Ansatz zurückzukehren, der die Spezifikationen aller gewünschten mobilen Geräte berücksichtigt.
Im Reduzieren der Schatten-IT und der wiederhergestellten Datensicherheit liegt darüber hinaus ein wesentlicher Vorteil einer Enterprise-Mobility-Strategie. Doch auch die Mitarbeiterproduktivität und Prozesseffizienz kann deutlich steigen - zum Beispiel wenn dank einer App zur Erfassung des Schmierstoffverbrauchs vorherige manuelle Copy-and-Paste-Aufgaben überflüssig geworden sind. In vielen Fällen steht auch eine Umsatzsteigerung im Fokus, die sich mit der richtigen Lösung erreichen lässt. Manchmal geht es außerdem um eine modernere Außenwirkung, indem der Vertrieb die Kunden mit vernetzten Tablets und optisch hochwertigen Informationen beraten kann. Oder ein Unternehmen will seine Kunden an sich binden, indem etwa eine Applikation die Steuerung und Wartung der vom Unternehmen produzierten Maschinen erleichtert. Wichtig ist, dass die Mobility-Strategie genau auf die jeweiligen Anforderungen angepasst ist. Wird sie schlecht umgesetzt, trifft anstatt der gewünschten positiven Effekte genau das Gegenteil ein: Die Mitarbeiter brauchen dann zum Beispiel länger als vorher, um Daten mit einer komplizierten Applikation zu verwalten.
 
EMM-Potenzial ausschöpfen
Besonders wertvoll wird eine mobile Lösung erst recht, wenn der Ansatz über den reinen Netzwerkzugriff oder die Bereitstellung von Daten hinausgeht. Alle bereitgestellten und abgerufenen Informationen sollten sich gegenseitig oder mit neu hinzugefügten Daten abgleichen. Ein Beispiel aus dem medizinischen Bereich: Ärzten stehen Unmengen von Informationen über ihre Patienten zur Verfügung - Vorerkrankungen, Beschwerden, Befunde und Medikamentenlisten inklusive Risiken und Nebenwirkungen. Eine gute Applikation hilft zum einen, all diese Daten schnell abrufen und überblicken zu können. Fügt ein Arzt bei der Visite nun weitere Informationen hinzu, etwa neu auftretende Beschwerden oder neue Medikamente, sollte die mobile Lösung am besten sofort alle Daten abgleichen und Ergebnisse liefern, zum Beispiel über Wechselwirkungen von Medikamenten oder Hinweise, warum möglicherweise neue Beschwerden aufgetreten sind.
Erst nach der Berücksichtigung aller Voraussetzungen, der Erörterung aller Möglichkeiten und der Ausschöpfung des gesamten Potenzials einer Lösungsfindung erfolgt die technische Umsetzung des erarbeiteten Mobility-Konzepts. Die Programmierer haben dann viele Möglichkeiten, die Anforderungen der Unternehmen technisch abzubilden, sei es durch eine Klassifizierung oder eine Abschottung der Daten auf den mobilen Endgeräten gegenüber anderen, eventuell privaten Applikationen. So lässt sich beispielsweise verhindern, dass eine Facebook-App Unternehmensinformationen scannt oder Whatsapp generell alle Telefonnummern kopiert.
 
Jedes Unternehmen betroffen
Mit der Implementierung der Lösung sind Mobility-Projekte jedoch oft nicht abgeschlossen. Einerseits bedarf es oft einer intensiven Einführung etwa mittels Workshops, damit die neuen Anwendungen auch von allen Mitarbeitern oder auf allen Endgeräten zum Einsatz kommen und die Abläufe so einheitlich vonstatten gehen. Andererseits ändern sich wiederum die Anforderungen ständig. Backend-Systeme, Endgeräte und Infrastrukturen muss man dann anpassen und weiterentwickeln. Wichtig ist, dies auch schon im kompletten Entwicklungsprozess der Software noch vor der Implementierung zu berücksichtigen.
Fakt ist: Jedes größere oder mittelständische Unternehmen sollte sich jetzt über seine eigene Business-to-Device-Strategie Gedanken machen. Denn "Industrie 4.0" oder das "Internet der Dinge" sind in allen Branchen auf dem Vormarsch und versprechen jenen Organisationen Vorteile, die diesen Weg auch im Mobility-Bereich heute schon mitgehen - ganz abgesehen von der Minderung der eingangs genannten Risiken durch Datenverlust und -diebstahl oder Spionage.

Die häufigsten Delikte laut einer Bitkom-Umfrage unter über 1.000 Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern. Bild: Bitkom

Mindestens jedes zweite Unternehmen wurde innerhalb der letzten zwei Jahren Opfer von Datendiebstahl, digitaler Wirtschaftsspionage oder Sabotage. Bild: Bitkom

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