Britische Behörde will Kunden den Softwarekauf erleichtern

Offizielles Siegel für ITIL-Tools birgt Risiken für Anwender

14. April 2009, 22:58 Uhr |

Das Office of Government Commerce (OGC) arbeitet an einem Schema, das Software-Tools danach bewertet, in wie weit sie die Vorgaben der IT Infrastructure Library (ITIL) erfüllen. Der offizielle Stempel soll den Anwendern den Softwarekauf erleichtern. Doch Experten mahnen, nicht nur auf das Siegel zu schielen.

Das Vorhaben der ITIL-Erfinder aus der OGC ist Aidan Lawes ein Dorn im Auge: "ITIL-Tool
Compliance ist doch ein Oxymoron", schimpft der frühere Geschäftsführer der ITSMF – also der
Instanz, die neben der britischen Behörde OGC die Entwicklung von ITIL maßgeblich beeinflusst. "
ITIL gibt nur Anleitungen. Wenn ein Unternehmen ein Werkzeug dafür sucht, muss es sicher gehen,
dass es seine spezifischen Anforderungen erfüllt – und nicht die Definitionen eines Buchs."

Genau diesen Anspruch aber haben OGC und ITSMF mit ihrem ITIL Software Endorsement Scheme.
Offiziell ist es noch nicht, doch hat die Butler Group vorab Details erfahren: So sollen sowohl die
Softwarefunktionalität als auch die Produktdokumentation hinsichtlich der Compliance mit ITIL
überprüft werden. Dabei geht es immer um die Übereinstimmung der Tools zu einzelnen
ITIL-Prozessen.

Das offizielle Siegel soll demnach in drei Abstufungen vergeben werden:

Das Bronze-Level erhält ein Tool, wenn Funktionalität und Dokumentation den
Anforderungskriterien des Rahmenwerks entsprechen.

Silber gibt es für geprüfte Tools, die bei bis zu drei Unternehmen im Einsatz sind.

Gold erreicht ein Tool, wenn es mehr als drei Firmen im Einsatz haben und diese es für gut
befinden.

Betrieben wird das Zertifizierungsschema von der britischen APM Group, die bereits als oberster
Aufseher des ITIL-Qualifizierungsschemas auftritt und auch Projektmanagement-Tools hinsichtlich der
Prince2-Übereinstimmung zertifiziert. Allerdings führt sie bei ITIL die Assessments nicht selbst
durch, sondern delegiert diese Aufgabe an andere Dienstleister wie etwa SMCG.

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Dabei könnte sie theoretisch auch Pink Elephant mit der Tool-Bewertung beauftragen. Das
kanadische Unternehmen überprüft seit Jahren schon auf kommerzieller Basis ITIL-Tools und macht die
Ergebnisse kostenlos über seine Internet-Seite zugänglich. "Doch wir sagen nicht, dass die Tools
ITIL-compliant sind, sondern dass sie kompatibel zu ITIL sind", betont President David Ratcliffe in
seinem Blog den Unterschied zum geplanten Programm der OGC. Um eine Software als compliant
bezeichnen zu können, bedürfe es immerhin einer festen Methode. ITIL aber sei weder eine Methode
noch ein Standard.

Butler Group-Analyst Stephen Mann ist hingegen voll des Lobes für den Plan der OGC: "Die Auswahl
eines ITSM-Tools ist notorisch schwierig. So unterstützen verschiedene Lösungen die diversen
ITSM-Prozesse in unterschiedlichem Maße. Daher ist es großartig, dass Kunden auf der Grundlage
eines offiziellen Bewertungsschemas Produkte miteinander vergleichen können."

Auch Softwareanbieter BMC, der Input für die Entwicklung des Schemas gegeben hat und der erste
Hersteller sein wird, der am Pilot-Assessment beteiligt sein wird, sieht für die Kunden nur
positive Aspekte: "Die Zertifizierungsanforderungen und Dokumentationen sind rigoroser als
bisherige Methoden", sagt Matthew Selheimer, Director Strategic Marketing.

HP indes evaluiert noch das Schema. "Wir haben uns noch nicht entschieden, ob und wann wir eine
Zertifizierung durchführen lassen wollen", erklärt Uwe Flagmeyer, Manager Presales bei HP Software
Deutschland. "Aufgrund unserer langjährigen ITIL-Erfahrung gehen aber wir davon aus, dass unsere
Lösungen problemlos die Zertifizierung erhalten würden."

Holger Dörnemann, Technical Sales Manager bei IBM Tivoli bewertet es als positiv, dass für die
neuen Zertifikate die theoretische und praktische Leistungsfähigkeit der Werkzeuge miteinander
kombiniert werden: "Insofern dürften Gold und Silber als Zertifizierungsebenen Kunden größere
Sicherheit geben, dass Produkte in der Realität implementierbar sind. Wenn die Kunden darüber
hinaus bekannt sind, lassen sich hinsichtlich Größe und Anwendungsbereich gegebenenfalls
Rückschlüsse auf den eigenen Einsatzbereich ziehen." Dennoch mahnt er eine differenzierte
Betrachtung an: "Ein Zertifikat gibt weder die Sicherheit, dass der Kunde auch tatsächlich
zufrieden sein wird, noch besagt ein fehlendes Zertifikat, dass eine Lösung komplett ungeeignet
ist."

Butler Group-Experte Mann geht noch weiter: "ITSM-Tools sollten immer prozessgetrieben
ausgewählt werden – und nicht anhand ihrer Funktionen." ITSMF-Veteran Lawes sieht hier denn auch
die große Gefahr: "Service-Organisationen, die ITIL nutzen sollen, werden es sich jetzt einfach
machen und sagen: Ein Tool, das ITIL-compliant ist, muss doch für uns richtig sein."

Sabine Koll/CZ


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