Business-WAN-Provider Vanco

Profitabel ohne Netz

5. Mai 2005, 23:06 Uhr | Stefan Mutschler

Um in der Telekommunikationswelt erfolgreich zu sein, muss man offenbar nicht unbedingt über eine eigene Netzwerkinfrastruktur verfügen. Vor dem Hintergrund eines Umsatzwachstums, das in 16 Jahren kaum unter 40 Prozent lag, vertrat der britische WAN-Provider Vanco kürzlich auf einem Pressesymposium in Budapest gar folgende These: Nur ohne die "Last" eines eigenen Netzes lässt sich im hart umkämpften TK-Sektor Gewinn bringend arbeiten.

Wer mit IT zu tun hat, dem ist der Begriff "Virtualisierung" in der Regel durchaus geläufig: Es
gibt ihn etwa im Zusammenhang mit Netzen, Speichern und Rechnern – um nur einige Beispiele zu
nennen. Weniger populär ist Virtualisierung bislang in der Telekommunikation. Allerdings könnte
sich das bald ändern – vielleicht ein kleiner Nebeneffekt der Konvergenz von Sprache und Daten. Mit
Vanco ist nämlich ein konvergenzbeseelter TK-Provider am Markt, der sich selbst als "Virtual
Network Operator", kurz VNO, bezeichnet. Im Gegensatz zu den typischen Alternativ-Carriern wie
Colt, Equant oder Interroute, die sich im Ausbau ihrer Kabelinfrastruktur gegenseitig zu überbieten
versuchen, besitzt Vanco keinen einzigen Meter eigenes Netz. Paradoxerweise sieht sich Vanco
dennoch als "Herr über das weltgrößte Telekommunikationsnetz". Der "Trick" dabei liegt eben im
Konzept der Virtualisierung: So umfasst das "gedachte" Vanco-Netz die Strukturen von weltweit etwa
500 Carrieren in 230 Ländern und Territorien. Rund 800 (WAN-)Produkte dieser Carrier haben die
findigen Briten in ihre Wissensbasis integriert.

Genau darin liegt denn auch das Geschäftsmodell des VNOs: "Seit der Deregulierung des TK-Markts
haben Unternehmen beim Aufbau ihrer WAN-Kommunikation die Wahl zwischen einigen zig Providern, wenn
es um nationale Projekte geht – und einigen Hundert, wenn es um die globale Kommunikation geht",
erläutert Allen Timpany, Gründer und Chief Executive Officer (CEO) von Vanco im Gespräch mit der
LANline. "Wir treten gegenüber dem Anwender als gesamtverantworlicher Partner für seine WAN-Lösung
auf – auf Carrier-Seite nutzen wir unsere Wissensbasis, um den oder die dafür am besten Geeigneten
auszuwählen. Mit ihnen schließen wir die nötigen Verträge, um unseren Kunden den gewünschten
Service zu bieten", so der Vanco-Chef weiter. Während andere Carrier stets auf die optimale
Auslastung ihrer Netze ausgerichtet sein müssten, könne Vanco als VNO unabhängig agieren und auch
mehrere Carrier für eine Lösung mit ins Boot holen. Ein wesentlicher Bestandteil des
Vanco-Know-hows liege dementsprechend darin, die Netze unterschiedlicher Provider so zu koppeln,
dass die gewünschte Servicequalität und ein durchgängiges Management garantiert werden können. "Wir
verwenden für die Auswahl unserer Carrier sehr viel Zeit", so Timpany dazu, "und wir zertifizieren
nur solche, die unseren sehr strengen Kriterien entsprechen". Damit zielt er erneut gegen die
Carrier mit eigenem Netz. Deren Hauptargumente sind üblicherweise die Gesamtlösung aus einem Guss
und eine sicher steuerbare Servicequalität aufgrund der durchgängigen Netzkontrolle.

Offenbar geht das Konzept des VNO auf – das berichten zumindest auch die in Budapest anwesenden
Kunden von Vanco, darunter das Logistikunternehmen Kühne & Nagel, die Human-Ressources-Gruppe
Solvus und der Spirituosenhersteller Bacardi. Kühne & Nagel hat seine weltweit 150
Niederlassungen mit Hilfe von Vanco vernetzt. Zirka 23.000 Mitarbeiter aus 96 Ländern sind hier
eingebunden. "Die wichtigsten Anforderungen waren für uns die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit,
konsistente Service-Level-Agreements (SLAs) und die Umsetzung einer Multi-Carrier-Strategie", so
Thomas Engel, der bei Kühne & Nagel für die Realisierung dieses Projekts verantwortlich
zeichnet. "Die Einbindung mehrerer Carrier war von uns ausdrücklich gewünscht, da wir uns nicht in
Abhängigkeit von nur einem Carrier begeben und zusätzlich natürlich auch von einer gewissen
Preisflexibilität profitieren wollten".

Das Portfolio von Vanco umfasst Data Services (darunter eine MPLS-Matrix für die QoS-gerechte
Zusammenschaltung der MPLS-Netze verschiedener Carrier), Converged-Services, Remote Access und
Managed-Security-Services. Während "netzbelastete" Carrier wie Interroute und Equant nach wie vor
Verluste schreiben, erwarten die Briten Analysten zufolge im laufenden Jahr eine Gewinnsteigerung
von zehn Millionen Pfund (etwa 15 Millionen Euro). Absolute Zahlen wollte Timpany leider nicht
nennen. Auch wenn das Geschäftsmodell von Vanco sehr plausibel scheint: Gäbe es keine TK-Provider
mit eigenem Netz, könnte auch ein VNO wie Vanco nicht existieren.


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