Ethernet-Dienste im WAN

Service-Levels zählen

17. Februar 2005, 23:55 Uhr | Jonathan Wright/wg Jonathan Wright ist Head of Infrastructure and Bandwidth Services bei Interoute.

Als Technik, die weltweit auf Millionen von LAN-Kilometern Verwendung findet, ist die Ausgangslage für einen langfristigen Erfolg von Ethernet auch im Weitverkehrsbereich ideal. Der Artikel stellt die technischen Grundlagen der Ethernet-Dienste vor und beschreibt, auf welche Service Level Agreements und Kriterien zu achten ist.

Seit die Standardisierungsorganisation IEEE im Jahr 2002 die Metro-Version 10 Gigabit Ethernet
ratifiziert hat, ist Ethernet mit Reichweiten zwischen 65 Metern und 40 Kilometern offiziell ein
WAN-Protokoll. Beinahe zwei Drittel der vom Marktforscher Infonetics weltweit befragten Provider
planen, bis Januar 2005 einen Ethernet-Service mit Dienstgüte einzuführen.

Für einen langfristigen Erfolg spricht eine Reihe von Vorteilen, die Ethernet gegenüber
traditionellen Private-Line-Services hat. Sehr wichtig dürfte dabei die Möglichkeit sein,
Bandbreiten der Entwicklung des Unternehmens anzupassen und schrittweise zu erhöhen. Die
Plug-and-Play-Fähigkeit von Ethernet senkt die Kosten beim CPE (Customer Premise Equipment). Durch
die Einrichtung von VLAN-Architekturen lassen sich zudem Port-Schnittstellenkarten einsparen.
Weitere Pluspunkte: höhere Skalierbarkeit und schnellere Datenverarbeitung aufgrund geringeren
Overheads gegenüber anderen Techniken.

Servicequalität der Transportarten

Weil der Markt für solche Dienste jedoch erst am Anfang steht, sind bisher kaum Standards etabliert - anders als beispielsweise bei SDH (Synchronous Digital Hierarchy). Um Angebote einschätzen zu können, muss man zunächst die Transportarten betrachten.

Einige Carrier verkaufen ausschließlich LAN-Extension-Dienste im Metro-Netz. Sehr häufig handelt es sich dabei um nichts anderes als ungenutzte Glasfaserkabel (Dark Fiber). Die Möglichkeiten von Leitungsüberwachung, Management und Sicherheit sind dabei begrenzt. Für den Anwender von Vorteil: Kein Vertrag begrenzt die Bandbreiten oder beschränkt die Nutzung. Die Anbieter argumentieren, die Leitung sei zu einem Bruchteil der Kosten eines gemanagten Produkts zu haben. Der Anwender muss jedoch über das Gigabit-Ethernet-Equipment verfügen.

Oft bieten Carrier EoSDH (Ethernet over SDH) an, aufgrund beschränkter Vermittlungsstellenkapazität meist jedoch nur für kleinere Bandbreiten. Steht zum Beispiel für einen 100 MBit/s-Port nur eine Kapazität von 34 MBit/s bereit, bricht der Service oberhalb dieses Wertes zusammen. Ein SDH-basierter Ethernet-Dienst hat zwar dasselbe Service Level Agreement (SLA) - insbesondere dieselbe Ausfallsicherheit - wie SDH, aber auch denselben Service: Die feste Bandbreite der virtuellen SDH-Container bringt Beschränkungen. Diese stehen im krassen Gegensatz zu der Flexibilität, die sich Unternehmen vom Ethernet-Dienst versprechen: Sie erwarten, dass der Carrier nutzungsabhängig abrechnet und höhere Bandbreiten schnell bereitstellt. Letzteres kann aber bei SDH Tage dauern.

Bei einem offenen Port (Open Port) erhält der Kunde nominell einen Anschluss mit 100 MBit/s, muss sich die Bandbreite aber mit anderen teilen. Es handelt sich vor allem um einen Preistrick: Auch bei überbuchten Anschlüssen glaubt der Anwender, über einen 100 MBit/s-Anschluss zu verfügen. Bei großer Datenkonkurrenz ist der Maximaldurchsatz jedoch unwahrscheinlich. Daher sind in der Regel auch keine Servicegarantien vorgesehen. Der Vorteil dieses Angebots liegt vor allem im niedrigen Preis, den der Kunde für eine - wenn auch nur potenzielle - Kapazität bezahlt.

Ethernet über MPLS (Multi-Protocol Label Switching) entspricht der Natur von Ethernet am ehesten. Ethernet-Frames laufen dabei über ein Paketnetz - mit denselben dort üblichen Service-Levels und derselben Flexibilität. Die SLAs ähneln denen von EoSDH, der MPLS-Service bietet aber mehr Optionen wie eine nutzungsabhängige Abrechung oder den schnellen Anschluss neuer Standorte auch bei Mehrpunktarchitekturen. Wer aber insbesondere bei hohen Bandbreiten einen Ethernet-Service mit fester Übertragungsrate sucht, kommt mit EoTDM (Time Division Multiplexing) vermutlich günstiger weg.

Ob EoSDH oder EoMPLS - die Art des Datentransports spielt für viele Anwender nicht die entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, dass die Service-Levels dem Unternehmensbedarf entsprechen. So sollte ein Unternehmen genau auf SLAs achten: Die Kennzahlen beziehen sich üblicherweise auf die gemietete Bandbreite und nicht auf unregelmäßige Spitzenlasten (Bursts).

Die Verfügbarkeit ist ein bewährtes Maß für die Leistungsfähigkeit eines Netzwerks. Für die Berechnung hat sich meist folgende Formel durchgesetzt: Die Verfügbarkeit wird bestimmt durch das Verhältnis von Mean Time Between Failures (MTBF, durchschnittliche Zeit zwischen Ausfällen) und Mean Time to Repair (MTTR, durchschnittliche Zeit bis zur Wiederherstellung eines Services). Anwender verlangen in der Regel eine Verfügbarkeit wie bei SDH-Diensten: bei Services mit Re-Routing über 99,93 Prozent, im Allgemeinen 99,95 Prozent; bei nicht redundanter Wegführung mehr als 99 Prozent. Gewöhnlich fragen Unternehmen 99,3 Prozent nach, wie bei ungeschützten Services.

MPLS zeigt bezüglich der Verfügbarkeit Vorteile gegenüber EoSDH. Das liegt am höheren Vermaschungsgrad der MPLS-Architektur und der Fähigkeit zu dynamischem Re-Routing. Ohne einen direkten, geschützten Pfad und abhängig vom eingesetzten Ausfallsicherheitsprotokoll kann es jedoch zu längeren Failover-Zeiten kommen: Ethernet-Brückenprotokolle wie STP (Spanning Tree Protocol) verlängern Failovers wegen langsamerer Konvergenz. Das Ausmaß des Problems hängt vom Protokoll und der Netzwerkarchitektur ab. Protokollverbesserungen wie RSTP (Rapid Spanning Tree Protocol) verkürzten Konvergenzzeiten deutlich. Verfügt ein Carrier in seinen Stadtnetzen über genügend Glasfaser, dann bleibt mit RSTP auch bei langsamen Ethernet-Switches die Performance erhalten. Auf Langstrecken sind STP-Probleme bei MPLS-Netzwerken vermeidbar: Der Provider kombiniert mehrere feste Switching-Pfade (Multiple LSPs, Label-Switched Paths) mit einem Interior Gateway Protocol wie IS-IS (Intermediate System to Intermediate System Protocol). Dieses Protokoll wählt ausgehend von der kürzesten Laufzeit die schnellste Route aus.

Auch MTTR ist eine etablierte Kennzahl. Während die Fehleranfälligkeit (MTBF) von der Architektur und der Equipment-Qualität abhängt, hat MTTR eher damit zu tun, wie gut der Support eines Anbieters funktioniert. Auf langen Strecken beträgt die MTTR typischerweise vier Stunden.

Der Round Trip Delay (RTD) dagegen sagt etwas über das Netzwerk zwischen den Eingangs- und Ausgangs-Ports aus. Die meisten MPLS-Netze bauen auf POS (Packet over SDH) auf. Daher ist hier letztlich das SDH-Netzwerk entscheidend. Die Physik gibt vor, wieviel Glasfaser und wieviele Verstärker und Regeneratoren eine Route erfordert. Die Zahl der Netzknoten dagegen unterliegt eher kommerziellen Überlegungen. Beide Faktoren beeinflussen den RTD. Interoute zum Beispiel bietet pauschal einen RTD von unter 40 Millisekunden für innereuropäische Verbindungen.

Eine andere wichtige Kennzahl ist der Paketverlust, im Allgemeinen beschrieben als prozentuales Verhältnis zwischen empfangenen zu geschickten Datenpakten. 99,9 Prozent sind dabei akzeptabel. Die Zahl gibt Rückschluss darauf, wie stark ein Betreiber sein Netz auslastet.

Messbarkeit der Service-Parameter

Diese Netz- und Service-Parameter sind nur mit konkreten Nachweismöglichkeiten von Wert. Dazu
muss der Provider geeignete Messmethoden und -werkzeuge einsetzen. Paketbezogene SLAs lassen sich
mittels Probes messen. Diese sind verschieden konfigurierbar, zum Beispiel als Ping (Packet
Internet Grouper), einer Implementierung des Echo-Protokolls, die Aussagen über den RTD erlaubt.
Die Ping-Methode dient außerdem dazu, Paketübertragung und -verlust zu messen. Anspruchsvolle
Carrier ermitteln so zwischen großen Netzvermittlungsstellen standardmäßig eine Matrix der
Servicekennzahlen.

Der Service-Provider sollte SLAs messbar, transparent und öffentlich zugänglich machen. Die
Ethernet-Nutzer sollten Onlinezugänge zu wichtigen Daten wie Performance-Statistiken, Rechnungen
und Trouble Tickets haben. Der Provider sollte sie über sichere Internetverbindungen zu seinem
Webportal bereitstellen. Verlangen Unternehmen bessere SLAs als angeboten, transportieren sie auf
dem Netz in der Regel Services, die sich auf höheren Netzwerkschichten abspielen. Oft
berücksichtigen die Unternehmen aber nicht, dass sich auch die eigene Netzwerkausstattung auf die
Verfügbarkeit auswirkt. Es kann genügen, die eingesetzte Technik zu optimieren, statt zu höheren
Service-Levels zu greifen.

Besonders wichtig dürfte es für Anwender sein, welche Standards für Ethernet-Zugänge gelten.
Denn sie sind dies von Mietleitungsservices gewohnt. Das WAN wurde aber nicht für den Transport von
Ethernet-Frames geschaffen. Wäre Ethernet ein waschechter WAN-Dienst, gäbe es sicher umfangreiche
Standards zur Gewährleistung der Dienstgüte (Quality of Service, QoS). Wichtiger als ein Standard
an sich ist die Frage, wie er für den Anwender greifbar wird. Auch SLAs haben letztlich oft nur
wenig mit gültigen Normen zu tun, wie ein Blick auf die Entstehungsgeschichte solcher Parameter
zeigt. Zunächst handelt es sich dabei um einen technischen Anhaltspunkt für die Leistungsfähigkeit
eines Netzes. Im weiteren Verlauf mutieren die Kennzahlen zum Verkaufs- und Marketing-Werkzeug. Da
bei Ethernet-Diensten (noch) keine QoS-Standards vorliegen, sind SLAs das wichtigste Instrument zur
Regelung der Leistungsqualität. Ein SLA sollte auf jeden Fall den Umfang der einzelnen Services
angeben. Es sollte die Parameter Verfügbarkeit, MTTR, Paketübertragung/-verlust sowie RTD
beinhalten und Prozesse bei Störungen ebenso beschreiben wie Sanktionen bei Nichteinhaltung.

Bei der Auswahl eines Providers sollte man neben Kriterien wie Netzabdeckung oder
Zukunftsfähigkeit der gewählten Lösung darauf achten, dass es im Vertrag klare und eindeutige
Formulierungen gibt und der Anbieter nur garantiert, was er tatsächlich einhalten kann. Dazu
gehört, dass die Verfügbarkeit sowie deren Messbarkeit genau geregelt ist, Wiederherstellungs- und
Reaktionszeiten definiert und Inhalte sowie Aufbau der Berichterstattung festgelegt sind.

Am günstigsten ist sicher ein offener Port. Für manche Anwender mögen dessen SLA und Dienstgüte
ausreichen, insbesondere wenn sie die Datenleitungen wenig nutzen. Bei größerer Auslastung ist eher
zu einer festen Bandbreite zu raten. Dieser Ansatz kappt gelegentliche Spitzenlasten oberhalb des
Fixwertes. Das Modell setzt aber voraus, dass ein Unternehmen seine Netzauslastung sehr gut kennt.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Kombination von fester Bandbreite und der Möglichkeit zur
gelegentlichen Überschreitung der Kapazität: Der Provider stellt die feste Bandbreite per Flatrate
und den Burst-Verkehr nutzungsabhängig in Rechnung. Egal welches Preismodell der Anwender wählt –
letztlich muss er dabei immer eine individuelle Entscheidung zwischen dem Optimum aus Preis,
Flexibilität und Dienstgüte treffen.


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