Zahlreiche Anbieter konkurrieren

Thin-Client-Markt glänzt durch Vielfalt

17. Februar 2005, 23:55 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Thin Clients sind nach wie vor eine Nische - aber auch ein lukratives Geschäft. So können sich zahlreiche kleinere Anbieter auf dem Markt behaupten, während andernorts Konsolidierung angesagt ist. Neue TC-Varianten sollen zusätzliches Marktpotenzial erschließen. Große wie kleine Hersteller setzen dabei oft auf Linux als flexibles Betriebssystem für die schlanken Clients.

Server-based Computing (SBC) befindet sich im Aufwind: Denn die Verlagerung von Applikationen
auf zentrale Server senkt nicht nur den Verwaltungsaufwand, sondern erhöht zugleich die Sicherheit.
SBC setzt im Prinzip keine spezielle Client-Hardware voraus: Ein ICA- oder RDP-Client auf dem PC
genügt für den Zugriff auf die Applikationen, die auf Terminal-Servern laufen. Einen Vorteil bringt
der PC-basierte Ansatz: Zusätzliche lokale Applikationen lassen sich problemlos betreiben. Doch
diese Kombination aus SBC und PC erschließt die Vorzüge der zentralisierten Architektur nur
teilweise: Der Client-seitig erforderliche Aufwand für Software- und Patch-Verteilung bleibt hoch.
Deshalb gehen manche Administratoren weiter und "degradieren" PCs zu Thin Clients (TCs): Spezielle
Software, eine TC-Einschubkarte oder eine Zusatzkomponente ("PC-Stick") – erhältlich zum Beispiel
bei Wyse, Igel oder Rangee – verwehren dem Anwender den Zugriff auf jede lokale Ressource, die der
Administrator nicht freigegeben hat. Diese Methode gestattet es, ältere Desktops als Thin Clients
weiter zu nutzen. Denn SBC, sofern konsequent umgesetzt, stellt nur geringe Anforderungen an die
Client-Performance. Jedoch bedingt dieses "PC-Recycling" ein immer noch recht aufwändiges
Client-Management – bis hin zur klassischen Turnschuhadminstration beim Einbau der TC-Karte oder
des PC-Sticks.

Wachsendes Marktsegment

Deshalb gewinnt zusammen mit dem SBC-Geschäft auch der Thin-Client-Markt langsam, aber stetig an
Fahrt. Denn die schlanken Endgeräte sind von vornherein auf den SBC-Einsatz ausgelegt: Sie gehen
mit ihren knappen Hardwareressourcen behutsam um, bringen Tools für die zentrale Verwaltung ebenso
mit wie ICA- sowie RDP-Clients und kommen oft in kleinen, lüfterlosen Gehäusen. Letzteres schont
nicht nur die Nerven der Anwender, sondern lässt zugleich eine fröhlich sprudelnde Schadensquelle
versiegen: Wo keine beweglichen Teile werkeln, kann der Administrator auf eine längere Lebenszeit
des Geräts hoffen.

Wie unterschiedlichste andere Anbieter, so rücken auch die TC-Hersteller derzeit gerne das Thema
Sicherheit in den Vordergrund: Thin Clients – unabhängig davon, ob sie auf Windows CE, XP Embedded
(XPe) oder einer der zahlreichen Linux-Varianten der TC-Welt laufen – helfen, weit verbreitete
Probleme der PC-Administration zu mindern oder ganz zu vermeiden. TCs erfordern nicht nur seltener
Upgrades, sondern sparen dem Client-Verwalter auch Arbeit beim Patching und bei der Abwehr von
Viren und Spyware. Denn ausschließlich zentral verwaltete Endgeräte machen es Anwendern unmöglich,
durch Downloads von Malware ihre Geräte zu korrumpieren. Außerdem verstärken die TC-Anbieter die
Schlagkraft ihrer Security-Argumentation zunehmend durch Modelle mit integriertem Smart-Card-Slot
für die Token-Authentifizierung oder durch das Aufspielen von PKI-Client-Software.

Kostenersparnis

Bei der Evaluierung einer TC-Infrastuktur müssen Unternehmen immer wieder feststellen, dass Thin
Clients in der Anschaffung nicht unbedingt billiger sind als PCs. Zwar beginnen die Preise für TCs
bei zirka 200 Euro – Geräte in dieser Liga gibt es unter anderem von VXL, Dr. Weigandt/Linware und
Ncomputing, aber auch von den Großen der Branche wie Wyse und Neoware. Für einen TC mit gehobener
Ausstattung hingegen sind schnell mal 500 oder 600 Euro fällig. Die schlanken Clients haben oft
erst bei den Gesamtbetriebskosten die Nase vorn. Hier schlagen dann mehrere Faktoren zugunsten der
TCs zu Buche: zentrales Management, schnelles Deployment bis hin zum "Single-Button-Connect", der
leichte Geräteaustausch ohne Bedarf an Software- und Settings-Migration sowie das geringere
Support-Aufkommen. Das Problem hierbei: Diese Vorteile schlagen nur in reinen TC-Umgebungen voll
durch – die aber selten sind. Häufig erfordert der Unternehmensalltag lokal installierte
Applikationen, und deren Verwaltung ist eben auch auf TCs nicht effizienter und preisgünstiger zu
haben. Immerhin kann die SBC-TC-Kombination auch direkt helfen, Client-seitig Lizenzkosten zu
sparen: Linux-basierte TCs erlauben die Migration zu Linux auf der Client-Seite, ohne dass Anwender
auf vertraute Windows-Applikationen verzichten müssten. Die TC-Hersteller zielen bei weitem nicht
nur auf Großunternehmen, sondern auf Unternehmen jeglicher Größe. Lösungen von Esesix und
Ncomputing zum Beispiel machen Windows XP mehrbenutzerfähig. Ein XP-Rechner dient so als Server für
einige wenige TCs – ein interessanter Ansatz beispielsweise für Arztpraxen und Kanzleien.

Tragbare Geräte mit WLAN-Karte und Touch-Screen zielen wiederum eher auf spezialisierte
Einsatzbereiche wie die Arztvisite im Krankenhaus. Solche Geräte liefern zum Beispiel Esesix mit
dem Thintune Mobile, Affimative sowie als OEM-Hersteller DT Research (siehe die Marktübersicht auf
Seite 34).

Modellvielfalt

Immer häufiger finden sich integrierte Geräte in den Portfolios der TC-Hersteller, also
LCD-Displays mit eingebautem Thin Client. Die Anbieter zielen mit diesen Geräten auf Standorte mit
direktem Kundenkontakt: den Verkaufs- oder Bankschalter, den Empfang einer Arztpraxis oder das Gate
am Flughafen. Entsprechend glänzen diese integrierten TCs mit 15- oder gar 17-Zoll-Displays und
hochauflösender Grafik. Im Angebot sind sie beim Marktführer Wyse ebenso wie bei Neoware, Sun und
Igel sowie diversen kleineren Anbietern wie IIE, Ncomputing, Rangee, Termtek oder Dr. Weigandt.
Neoware liefert als einziger integrierte TCs sowohl auf CE- und XPe- als auch auf Linux-Basis. Igel
will neben den 15-Zoll-Geräten des schwedischen OEMs Multiq künftig auch 17-Zoll-LCDs ins Portfolio
nehmen. Die Bremer bieten Großkunden die Option, Firmenfarben und Logo ab Werk aufzubringen. Billig
sind derlei Edel-TCs mit Preisen zwischen 700 und 1300 Euro nicht.

Das gleiche Ziel, aber einen modularen Ansatz verfolgen sehr flache Thin-Clients, die für die
Montage auf der Rückseite separat erworbener LCD-Displays konzipiert sind. In diese Kategorie
fallen zum Beispiel die Ende 2004 vorgestellten S30 und S50 von Wyse oder der S-TK2500 von Rangee.
In der S-Klasse von Wyse arbeitet ein AMD Geode GX Prozessor; der Marktführer setzt bei dieser
Produktlinie auf Linux.

Neuheiten

Da sich in diesem regen Markt neben den großen Anbietern wie Wyse, Neoware, HP, Fujitsu Siemens
und Igel auch eine große Schar weiterer Hersteller tummeln, sind Produktneuheiten und
-verbesserungen auf Hardware- und Softwareseite entsprechend häufig. Einige Beispiele: In der
Gerätereihe Winterm x150 von Wyse sorgen AMD Geode GX2-Prozessoren für Leistung. Die TCs laufen auf
CE 5.0 (Winterm 3150SE), Linux (5150SE) oder XPe (9150SE). Wyse setzt hier DDR-RAM ein und betont
die hohe Grafikleistung von 1600 mal 1200 Pixeln bei 85 Hz. Die Konfiguration der "Stateless
Devices" erfolgt vollständig auf Serverseite: Die TCs beziehen ihre .ini-Dateien von einem
Boot-Server. So erfolgt der Austausch problemlos. Diesen eleganten Weg gehen auch Levigo sowie Sun
mit seinem Modell Sun Ray. Ebenfalls neu bei Wyse ist die V-Klasse mit Transmeta Crusoe Prozessor.
Die TCs setzen auf XPe, eine Linux-Version soll folgen.

Mit der aktuellen CE-Version 5.0 glänzt auch Igel. Die Bremer, ursprünglich reine
Linux-Spezialisten, nutzen CE 5.0 zunächst für die Geräte der Compact-Serie. Ein LCD-Gerät soll
folgen. Insgesamt will Igel alle Linux-Produkte auch in einer CE-Version anbieten. Im Sommer soll
dann XPe für die Highend-Geräte das Betriebssystemspektrum der Stacheltiere abrunden. In Arbeit ist
zudem eine VoIP-Variante (Voice over IP) mit VoIP-Client und -Headset. Einen VoIP-TC will auch
Levigo zur CeBIT vorstellen. Über den USB-Port bieten die Levigo-Geräte heute schon eine
PDA-Synchronisation direkt unter Linux, also unter Umgehung einer Citrix-Session.

Softwareseitig nachgerüstet hat auch US-Anbieter Neoware: Dessen Host-Zugangslösung Teemtalk 5.0
unterstützt nun SSL wie auch SSH und lässt sich mit dem Citrix Metaframe Password Manager
integrieren. Die meisten TC-Anbieter haben für den Host-Zugriff Powerterm von Ericom lizenziert.
Levigo hingegen nutzt für den Iseries-Zugriff IBMs Iseries Access for Linux, das IBM als freien
Download anbietet. Ebenfalls auf die TC-Anbindung an AS/400 und Iseries spezialisiert ist Boscom
mit einem eigenen Connectivity-Client.

Fokus auf Sicherheit

Besonders der Sicherheitsaspekt gewinnt an Bedeutung. Diverse Hersteller bieten deshalb
integrierte Smart-Card-Slots für Authentifizierungs-Tokens. Esesix stattet die hauseigenen
Linux-basierten Thintune-Geräte mit einem IPSec-Client aus, der optional freizuschalten ist. Über
eine Kobil-Lösung lassen sich die Thintunes auch in eine PKI-Lösung (Public Key Infrastructure)
einbinden. Esesix setzt derzeit auf Linux und CE Dotnet, ein XPe-Client ist aber in Entwicklung.
Esesix bemüht sich also – im Gleichklang mit Wyse, HP, Fujitsu Siemens oder auch Igel – um mehr
Plattformvielfalt. Einige kleinere Hersteller wie Levigo und Dr. Weigandt hingegen setzen ganz auf
die Flexibilität von Linux.

Kritische Punkte bei der Auswahl

Die Administration der schlanken Clients ist ein zentraler Aspekt. Denn mit TCs, die sich
mittels PC-Tools verwalten lassen, bildet HP die Ausnahme. Die meisten Hersteller liefern eine
hauseigene Verwaltunglösung mit. Diese Tools variieren häufig im Funktionumfang und sind in der
Regel nur für die Geräte der eigenen Marke nutzbar. Lediglich das Tool Rapport von Wyse kann einige
Modelle des Konkurrenten Neoware mitverwalten. Levigos Thinclient Manager arbeitet zwar
herstellerübergreifend – setzt aber schlicht voraus, dass der Administrator zuerst auf allen
Geräten Levigos Thinclient OS installiert. Deshalb sollte ein Unternehmen bei der Produktauswahl
besonderes Augenmerk auf die Administrationsmöglichkeiten legen. Zudem bestehen erhebliche
Unterschiede bei der Qualität der Software und der Hardware – obwohl TC-Komponenten eigentlich
immer von der gleichen Handvoll Zulieferern stammen. Zuguterletzt: Früher oder später wird sich
auch dieser Markt konsolidieren – und dann wird manch ein Hersteller aufgekauft werden oder ganz
verschwinden.


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