Veränderung für die Telekommunikationsbranche

Trendanalyse von AWS

8. Februar 2023, 12:00 Uhr | Adolfo Hernandez/am
© LANline

Wie die letzten beiden Jahre wird auch 2023 Gegenwind und Veränderungen bringen. Für die Telekommunikationsbranche zeichnen sich dabei einige Trends ab. Für Anbieter rücken Daten, Nachhaltigkeit, Partnerschaften und Transformationsbestreben mehr in den Fokus.

1. Daten erhalten mehr Gewicht

Telekommunikationsanbieter wie T-Mobile, Globe Telecom auf den Philippinen oder das skandinavische Unternehmen Telia setzen bereits auf eine verstärkte Datennutzung und künstliche Intelligenz (KI), um Kundenerlebnisse zu verbessern und Kampagnen zu automatisieren. Doch die Datennutzung bietet noch mehr Potenzial. Dafür sorgt auch die baldige Abschaffung der Drittanbieter-Cookies. Dies macht die Datenquellen von Erstanbietern mehr wertvoller – vorausgesetzt, die Unternehmen verwalten sie im Interesse ihrer Nutzer.

Telekommunikationsunternehmen verfügen über Unmengen an Daten, die jedoch größtenteils verstreut und isoliert vorliegen. So sind Betriebsdaten über Legacy-Technik wie 3G oder 4G sowie auf Plattformen wie Operational Support Systems (OSS) und Business Support Systems (BSS) gespeichert. Hinzu kommt, dass viele ISVs (Independent Software Vendors) ihre Daten für die Telko-Wertschöpfungskette in geschlossenen Systemen aufbewahren – sogenannten Walled Gardens. Dadurch lassen sie sich schwer verwalten, konsolidieren und innerhalb des Unternehmens nutzen.

Abhilfe schafft eine Data-Mesh-Architektur. Das dezentrale Datengeflecht behandelt jeden bereichsbezogenen Datensatz wie ein eigenes Produkt und ordnet ihn dem jeweils richtigen Team zu. Die Daten lassen sich dann an einen zentralisierten Katalog weitergeben und so aufbereiten, dass sich damit transformative Geschäftsergebnisse erzielen lassen. Dabei stellt die Data-Mesh-Architektur auch sicher, dass die einzelnen Abteilungen immer die richtigen Tools für die jeweilige Aufgabe verwenden. Mit Self-Service-Analytics-Apps zum Beispiel können auch Nicht-Datenwissenschaftler Modelle für maschinelles Lernen (ML) erstellen, trainieren und einsetzen. Das erhöht die Akzeptanz von ML im gesamten Unternehmen und führt damit zu schnelleren Innovationen und besseren Kundenerlebnissen.

2. Nachhaltigkeit und Energiekosten haben Priorität

Ein datengesteuerter Ansatz kann zudem helfen, die Senkung des Energieverbrauchs und das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben. Eine aktuelle Untersuchung des Analystenhaus Coleman Parkes Research im Auftrag von AWS und Atos kam zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent der deutschen Unternehmen ihren CO2-Abruck messen und sich 94 Prozent Ziele zur Reduktion ihrer Emissionen gesetzt haben. Angesichts der Energiekrise werden diese Themen auch weiter bei den Telcos ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Denn ihr Anteil am Energieverbrauch und den Emissionen ist hoch: Einem Bericht der ETNO (European Telecommunications Network Operators Association) zufolge verursachte die Telekommunikationsbranche 2020 2,6 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – und damit mehr als die gesamte Luftfahrtindustrie. Laut GSMA Intelligence machte der Energieverbrauch im vergangenen Jahr 15 bis 40 Prozent der Betriebsausgaben der Telekommunikationsfirmen aus, und dieser Anteil wird voraussichtlich weiter steigen.

Bei Mobilfunknetzbetreibern entfällt der Großteil des Energieverbrauchs (60 bis 75 Prozent) auf Funkzugangsnetze (Radio Access Network, RAN). Hier ist die Belastung durch den Datenverkehr unregelmäßig. Um Energie einzusparen, lassen sich verschiedene Teile des RAN kurzzeitig in den Ruhemodus versetzen – selbst bei hohem Datenverkehr. Ein australischer Mobilfunknetzbetreiber konnte seinen Stromverbrauch auf diese Weise um mehr als sieben Prozent senken. Er schaltete einfach das Leistungsverstärkersymbol an einem Standort aus, der Dienst war dadurch nicht beeinträchtigt. Mit Hilfe von Daten und KI/ML-Anwendungen können Telekommunikationsunternehmen zudem intelligente Dienste nutzen, um solche Prozesse zu überwachen und zu automatisieren.

Weitere Möglichkeiten, den Energieverbrauch und die Emissionen zu senken, bietet die Cloud, die immer mehr Telekommunikationsanbieter nutzen. Die Einsparpotenziale der Cloud haben die Analysten von 451 Research, einem Unternehmen von S&P Global Intelligence, in mehreren Studien belegt. Demnach kann eine Migration lokaler Arbeitslasten auf AWS deren CO2-Fußabdruck um fast 80 Prozent senken.

Auch durch Innovationen bei Prozessoren im 5G-Kern lässt sich der Energieverbrauch reduzieren. Das zeigen zwei Beispiele aus Japan: Die Firmen NTT Domoco und NEC konnten ihren Energieverbrauch mit Hilfe von neuen CPUs um durchschnittlich 72 Prozent gegenüber x86-Prozessoren senken.

3. Partnerschaften erweitern das 5G-Ökosystem

In den letzten Jahren war viel von zusätzlichen Einnahmen durch 5G die Rede. Bislang ist dieser Geldsegen allerdings ausgeblieben. In den USA setzt bereits jeder große Betreiber auf die neue Mobilfunkgeneration. In Europa haben 34 von 50 Ländern 5G implementiert, im asiatisch-pazifischen Raum sind es laut GSMA derzeit 14 Anbieter. Auch die Geräte holen auf: Alle neueren Top-Smartphones unterstützen die neue Mobilfunktechnik. Um das 5G-Potenzial voll auszuschöpfen, braucht es jedoch branchen- und funktionsübergreifende Partnerschaften für die Entwicklung von 5G-Diensten. Auch die Hindernisse beim Aufbau und der Verwaltung der Netze sind gemeinsam leichter zu überwinden.

Vor allem der private Mobilfunk bietet viel Potenzial für 5G-Anwendungsfälle. Die Analysten von IDC schätzen, dass der Gesamtmarkt für private LTE/5G-Mobilfunknetze bis 2026 auf 8,3 Milliarden Dollar anwachsen wird. Die Akzeptanz ist jedoch langsamer als erwartet. Das ist zum Teil auf die hohen Kosten und die Komplexität bei der Planung, dem Aufbau sowie der Bereitstellung und Verwaltung eines privaten Netzwerks zurückzuführen.

Man kann davon ausgehen, dass in diesem Jahr mehr Telekommunikationsunternehmen Partnerschaften eingehen werden, um die Akzeptanz von 5G zu erhöhen. Vorbild können dabei Verizon und Vodafone sein, die sich zusammengeschlossen haben, um die Edge-Technik voranzutreiben.

4. Transformation der Telcos zu Tech-Cos

Die Telekommunikationsunternehmen werden sich verstärkt zu „Tech-Cos“ wandeln. Gemeint ist, dass sie neue Formen der Beziehungen mit ihren Nutzern sowie neue Arbeitsweisen etablieren, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Der Wandel vollzieht sich dabei auf zwei Ebenen: Zum einen werden TK-Firmen nicht mehr nur Konnektivität, sondern verstärkt auch digitale Dienste anbieten, um die Kundenbeziehungen zu bereichern. Das südkoreanische Unternehmen SK Telecom setzt zu diesem Zweck KI ein, und Swisscom schult technische und kaufmännische Mitarbeiter darin, die Anwender in Sachen Cloud zu beraten und zu betreuen.

Zum anderen ist zu erwarten, dass Telekommunikationsunternehmen ihren Betrieb so umstellen, dass sie ihr Netz auch als Plattform nutzen können. Denn dadurch kann ein TK-Anbieter auch als MVNO (Mobile Virtual Network Operator) auftreten, der bereits mit 10.000 Abonnenten profitabel arbeitet – und auf diese Weise die Kosten des Netzausbaus kompensieren.

Um sich für die genannten Trends zu wappnen, brauchen die TK-Anbieter umfassende Mitarbeiterschulungen und hochengagierte Führungskräfte. Und diesbezügliche Investitionen rechnen sich. Telekommunikationsunternehmen, die den beschriebenen Wandel erfolgreich vollziehen, sind besser positioniert für neues Wachstum und Innovationen.

Adolfo Hernandez ist Vice President Global Telco Business Unit bei Amazon Web Services (AWS).

 

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu AWS

Weitere Artikel zu Daten-Management

Weitere Artikel zu Paypal

Weitere Artikel zu Pironet NDH AG

Weitere Artikel zu Imprivata, Inc.

Matchmaker+