Probleme bei der Desktop-Virtualisierung

VDI ist kein Allheilmittel

11. Oktober 2013, 5:17 Uhr | Maureen Polte, Vice President of Product Management bei Flexera Software/wg

Die hohen Erwartungen, die in Virtual Desktop Infrastructure (VDI) gesetzt wurden, haben sich bislang nicht erfüllt. Viele IT-Abteilungen sind VDI-Projekte nach dem Motto "alles oder gar nichts" angegangen und haben im Streben nach besserer Ressourcennutzung und Kosteneinsparung den Benutzer aus den Augen verloren. Die Desktop-Virtualisierung hat den Anwendern in zahlreichen Unternehmen das Leben deutlich schwerer gemacht, was oft zu einer pauschalen Ablehnung der Implementierung führte.

Die Ursache des Problems ist eine IT-zentrierte Herangehensweise. VDI erleichtert der IT in mancher Hinsicht zwar die Bereitstellung von Anwendungen, ist aber nicht für alle Benutzer die richtige Wahl. Beispielsweise vereinfacht VDI die Umstellung auf ein neues Betriebssystem : Die IT braucht nur noch ein einziges Image zu erstellen, das sich nach Virtualisierung überall bereitstellen lässt, wodurch zeitaufwendige und kostspielige Migrationen der Vergangenheit angehören. Doch die aus Sicht der IT vermeintlich gute und einfache Lösung stellt sich aus Benutzersicht möglicherweise ganz anders dar. Ob die virtualisierte Anwendung dem Benutzer tatsächlich das Leben erleichtert, hängt von mehreren Faktoren ab – beispielsweise ob der Zugriff auf die Anwendung offline oder online erfolgt und ob die Anwendung grafiklastig ist. Hier gilt es also, einen Kompromiss zwischen den betrieblichen Notwendigkeiten auf der IT-Seite und einer individuellen, hochwertigen Lösung auf Seiten der Anwender zu finden.

Die Erfahrung zeigt, dass ein benutzerorientierter Ansatz zur VDI-Implementierung mehr Erfolg verspricht. Bei der Implementierung einer neuen Technik hängt der Erfolg nicht allein von deren Funktionalität und der Kompatibilität mit der bestehenden Umgebung ab. Ebenso wichtig ist das Änderungs-Management und die Frage, ob die Mitarbeiter die Änderungen annehmen. Hierzu ist zu analysieren, wie die Benutzer arbeiten und wie sich die virtualisierte Anwendung auf deren Arbeitsalltag auswirkt.

Den Anwender verstehen
Anhand von Kompatibilitätstests zeigt sich, welche Anwendungen sich virtualisieren lassen. Genau darauf konzentrieren sich üblicherweise IT-Abteilungen. Was gerne übersehen wird, ist die Benutzerkompatibilität. Wer aus VDI wirklich einen Mehrwert ziehen möchte, sollte nur diejenige Software virtualisieren, die in der virtuellen Umgebung besser läuft oder zur höheren Zufriedenheit der Benutzer beiträgt.

Wer die Benutzerkompatibilität testen will, muss wissen, welche Anwendungen am häufigsten zum Einsatz kommen, wie die Benutzer sie einsetzen, auf welchen Geräten, wie oft und für welche Zwecke. Einige Anwendungen wie etwa Microsoft Office sind für VDI besser geeignet, da sie sich leicht kapseln lassen, plattformunabhängig sind und mehrere Versionen auf derselben Maschine unterstützen, ohne die Leistung zu beeinträchtigen. Andere Anwendungen, die eine größere Datenlast zu stemmen haben (wie SAP), büßen Leistung ein und beruhen stärker auf Ressourcen außerhalb des jeweiligen Geräts, das auf die Daten zugreift. Wer die besten Kandidaten für VDI ermitteln will, sollte also das Verhalten der Benutzer und die entsprechenden Anwendungen kennen.

Beispielsweise sollte man überwachen, wie lange es vor der Virtualisierung dauert, die Sitzung zu starten oder mit der Arbeit zu beginnen. Bei kurzen Anmeldezeiten geht man meist davon aus, dass der Benutzer ein guter Kandidat für VDI oder Anwendungsvirtualisierung ist. Allerdings darf man die nachfolgenden Prozesse nicht ausblenden: Gibt es Beeinträchtigungen durch bislang nicht bekannte Probleme, wie beispielsweise Netzwerklatenz oder gemeinsames Auschecken von Lizenzen? Wird bei dieser Art von Kompatibilitätstest festgestellt, dass ein Benutzer erhebliche Verzögerungen beim Starten eines Softwareprogramms in einer virtualisierten Umgebung in Kauf nehmen muss, kann man davon ausgehen, dass er die virtualisierte Anwendung ablehnen wird. Diese Art der Analyse kann den Unterschied zwischen einer erfolgreichen und einer fehlgeschlagenen Virtualisierungsinitiative ausmachen.

Das Anwendungsverhalten lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten überwachen und kann der IT Hinweise geben, ob VDI für bestimmte Benutzer eine geeignete Lösung ist:

* System-Input/-Output (IOPS),

* die Anmeldezeit zu Beginn einer Sitzung (Benutzer werden keine langen Verzögerungen beim Start einer VDI-Sitzung tolerieren)

* die Belastung gemeinsamer Ressourcen durch Grafik- und Verarbeitungsprozesse (CAD- und sonstige 3D-Software beansprucht einen übermäßigen Anteil der gemeinsam genutzten Prozessorleistung, wodurch andere Benutzer ins Hintertreffen geraten, deren Anwendungen in VDI-Umgebungen laufen),

* der Platzbedarf der Daten auf den Servern bei großen Dateien, zudem

* Online- und Offline-Tätigkeit sowie Sitzungspersistenz:Wie kann ein Benutzer in einem Flugzeug eine VDI-Sitzung auf einem Server ausführen, ohne in der Lage zu sein, sich über VPN oder ein anderes sicheres Verfahren und ohne Internetanschluss zu verbinden? Für Mitarbeiter, die häufig reisen und während des Flugs arbeiten, ist das ein gravierendes Problem.

Kompatibilitätstests
Vor einem VDI-Projekt führen IT-Abteilungen üblicherweise eine einmalige Prüfung auf Virtualisierungskompatibilität durch. Besser wäre es allerdings, diese Evaluierung fortlaufend durchzuführen. Statt eine Kompatibilitätsbewertung für alle Anwendungen in einer bestimmten Region oder in einem Land durchzuführen, wäre es aussagekräftiger, diese Analyse in kleineren Blöcken von bis zu 1.000 Benutzern durchzuführen, die sich nach Stellenfunktion oder Abteilung unterscheiden. Auf diese Weise könnte die IT-Abteilung Benutzer in Gruppen identifizieren und migrieren, was das Projekt-Management vereinfacht und zu weniger Unterbrechungen führt. Das vorrangige Ziel von IT-Abteilungen in VDI-Projekten sollte sein, dass die Migration tatsächlich auf Anhieb funktioniert.

Kleine Probeläufe sind oft sinnvoller, da sie eine umfassendere Prüfung individueller Umgebungen erlauben. Mit geeigneten Tools ist es möglich, beliebig große Probandengruppen gleichzeitig zu testen. Jedes Unternehmen könnte anhand seiner individuellen Umgebung ermitteln, wie groß die Probandengruppe sein sollte. Mit einem Virtual Desktop Assessment kann die IT anhand beliebiger Kriterien eine Untermenge von Benutzern anlegen und einen Agent auf den Maschinen dieser Benutzer installieren. Sobald der Agent bereitsteht, verfolgt er alle oben genannten Systemparameter und meldet die Ergebnisse an einen zentralen Server. Die Daten werden dann korreliert, worauf ein Bericht als Grundlage der weiteren Analyse erstellt wird.

VDI – auf dem Weg in die Cloud
Die große Mehrzahl der Unternehmen steuert heute auf die Cloud zu. Um hier erfolgreich zu sein, muss die IT auf der Basis von Messgrößen und Best Practices ein Konzept verfolgen, das die Anforderungen der Benutzer in den Mittelpunkt der Virtualisierungsinitiative stellt. Dazu ist Folgendes erforderlich:

* eine Bewertung der Systemparameter und Verhaltensweisen unter Berücksichtigung der Anwendungsnutzung, um die Benutzer oder Anwendungen zu identifizieren, die für die Migration am besten geeignet sind,

* eine gute Kenntnis des Zustands vor der Umstellung, damit ein Vergleich mit der Leistung und der Benutzerzufriedenheit nach der Umstellung möglich ist,

* eine umfassende Migrationsplanung, also Antworten auf das „Wer“, „Wie“ und „Wann“,

* die Bewertung der benötigten Ressourcen (Zahl benötigter Server, Speicherkapazitäten etc.),

* die Konvertierung der ermittelten Anwendungen in die für die Migration nötigen Formate sowie

* das Bereitstellen paketierter Anwendungen.

Fazit
Die Erfahrung lehrt, dass eine detaillierte Benutzerbewertung als Teil des gesamten Migrationsprozesses für den Erfolg jedes VDI-Projekts unerlässlich ist. Sie ermöglicht eine benutzerzentrierte Herangehensweise an VDI und gewährleistet, dass das Projekt zur Produktivität und Effizienz der Anwender beiträgt. Im Gegenzug ermöglicht es die Erreichung der gesteckten geschäftlichen Ziele – was die eigentliche Motivation jedes IT-Projekts sein sollte.

Assessment-Lösungen sollten mit einem grafischen Interface den Status quo und damit die VDI-Eignung der Client-Umgebung anschaulich darstellen. Bild: Flexera

Mit Kompatibilitätstest lässt sich vorab evaluieren, ob die Virtualisierung einer Anwendung sinnvoll ist. Bild: Flexera

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