WLAN wird fit für Multimedia

Viel Wind in Drahtlosnetzen

17. Februar 2005, 23:55 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Mit 802.11i beziehungsweise WPA2 verfügen WLANs über eine standardisierte Basis, mit der sich drahtlose Netze endlich auf einem ebenso hohen Sicherheitsniveau betreiben lassen wie verkabelte Netze. Dennoch ist die Entwicklungsarbeit im Feld der drahtlosen Netze noch lange nicht beendet: Die Echzeitfähigkeit - wichtig etwa für Sprach- und Videoübertragung - steckt noch in den Kinderschuhen. Die Übertragungsraten sind dafür zu niedrig und instabil, die Probleme mit Roaming und Mobilität bei weitem nicht gelöst, und letztlich fehlen noch Standards für das umfassende WLAN-Management. Parallel zu den WLAN-Entwicklungen betritt 2005 mit Wimax ein weiterer Funkstandard die Bühne.

Längst hat WLAN die Schwelle vom Nebenraum der Technologiebastler ins Atrium der großen
Allgemeinheit überschritten. Privathaushalte, SOHOs, Unternehmen jeder Größenordnung, Hotspots und
Internet-Provider – sie alle sind Ziel beziehungsweise Player im Feld der drahtlosen Kommunikation.
Entsprechend dicht wird es im Herstellerdschungel, und immer häufiger ist das hier typische "
Groß-frisst-Klein-Spielchen" zu beobachten.

Die zwei spektakulärsten Beispiele dafür sind die Übernahme von Chantry Networks durch Siemens
im vergangenen Dezember und der Kauf von Airespace durch Cisco Anfang Januar 2005. Chantry Networks
ist ein auf WLAN-Technologie spezialisiertes Unternehmen, das Lösungen für die Konvergenz von
drahtloser Sprach- und Datenübertragung anbietet. Vor allem für die nahtlose Übergabe zwischen
Access Points sowie auf dem Sektor der Sprachqualität hat sich Chantry mit seinen Produkten auf dem
amerikanischen und kanadischen Markt einen Namen gemacht. Das Portfolio umfasst außerdem zentrale
Security-Lösungen. Mit der Übernahme will Siemens sein Hipath-Portfolio verstärkt auch in den
WLAN-Markt ausweiten.

Das Sortiment von Airespace wiederum umfasst WLAN-Controller, Access Points, WLAN-Management-
und Lokalisierungssoftware sowie Security inklusive IDS (Intrusion Detection System). Das
Sahnestückchen von Airespace bilden jedoch die Access Points mit ihrem integrierten
Radiofrequenzmanagement (RF-Management). Neben den üblichen Sende- und Empfangsfunktionen haben die
WLAN-Zugangspunkte parallel ständig ein "Ohr" an ihrer Umgebung. Abhängig von den dort
vorgefundenen Bedingungen sind sie in der Lage, sich in Echtzeit selbst zu konfigurieren, zu
optimieren und im Fehlerfall sogar selbst zu "heilen". Bis vor kurzem schoss Airespace mit diesem
RF-Management heftige Salven gegen Cisco, nun bildet Airespace eine entsprechende Ergänzung des
Cisco-Portfolios.

Prognostizierte Zuwachsraten mit WLAN-Produkten und -Services von über 70 Prozent bis zum Jahr
2009 locken indes auch immer wieder neue Unternehmen in den Markt. So haben die Marktforscher von
IDC im letzten Dezember eine Liste von zehn Startups veröffentlicht, die im Jahr 2005 sehr
wahrscheinlich einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklungen im WLAN-Markt haben werden. IDC
räumt beispielsweise den Unternehmen Changingworlds, Valista, Versaly Entertainment und Wavemarket
sehr gute Chancen im Bereich drahtloser Datenverkehr und Content ein, während Ascendent gute
Aussichten hätte, die Szene auf dem Gebiet der Integration von drahtgebundener und drahtloser
Kommunikation maßgeblich mit zu prägen.

Mehr Speed mit 802.11n

Einer der großen Punkte im Entwicklungsprogramm von WLANs ist die Steigerung der
Übertragungsgeschwindigkeit. Ethernet hat es vorgemacht, WLAN will es nun im Zeitraffer nachmachen.
Derzeit liegt das Maximum der standardisierten Übertragungsleistung bei 54 MBit/s. Sowohl das 2,4-
(802.11g) als auch das 5-GHz-Band (802.11a/h) bieten diese Geschwindigkeit. Schneller geht es
derzeit nur mit herstellerspezifischen Lösungen, die meist zwei 54-MBit/s-Kanäle gleichzeitig
nutzen und so auf nominell immerhin bis zu 108 MBit/s kommen. Doch für eine souveräne Integration
von Multimediaanwendungen inklusive Sprachverkehr scheint diese Geschwindigkeitsbasis noch um
einiges zu dünn. Daher arbeitet die Task Group "n" des IEEE-802.11-Konsortiums schon seit einiger
Zeit fieberhaft daran, den "Groundspeed" deutlich nach oben zu treiben.

Während einige Hersteller wie zum Beispiel Belkin mit dem Launch von "Pre-n"-WLAN-Produkten den
Eindruck vermitteln, als stünde die Verabschiedung des Standards bereits kurz bevor und die noch zu
klärenden Punkte beträfen nur Marginalien, sieht die Situation in der Realität doch ganz anders
aus. Zahlreiche Player versuchen sich auf diesem Gebiet zu profilieren und bringen jeweils eigene
technische Ansätze. Die Flut von Technologiekonzepten macht dem IEEE-Gremium schwer zu schaffen.
Inzwischen glaubt dort niemand mehr daran, dass der Standard bereits 2005 kommt. Als möglicher
Termin wird die zweite Jahreshälfte 2006 genannt, realistisch scheint aber eher ein Datum im Jahr
2007. So ist faktisch bei 802.11n noch kaum etwas wirklich fest zementiert – auch nicht die
Übertragungsgeschwindigkeiten. Die Wi-Fi-Organisation warnt daher vor der Gefahr, sich mit "Pre-n"
-Produkten auf ein proprietätes Abstellgleis zu begeben. Keinesfalls wolle sie solche Geräte
zertifizieren.

MIMO: Mehrere Antennen pro Kanal

Als ziemlich sicher gilt in Sachen 802.11n etwa, dass pro Kanal mehrere Antennen zum Einsatz
kommen, die Signale simultan übertragen und empfangen. Dieses als MIMO (Multiple Input Multiple
Output) bezeichnete Verfahren wandelt ein einziges Signal mit hoher Reichweite in mehrere Signale
mit niedrigerer Reichweite um. Dadurch soll sich nicht nur die Geschwindigkeit steigern, sondern
auch die Qualität der Signale verbessern lassen, da sich Interferenzen in größeren Räumen
reduzieren. Bei der konkreten technischen Umsetzung dieser Idee gibt es jedoch verschiedene
Varianten.

Mitte vergangenen Jahres haben sich einige Hersteller wie Airgo, Broadcom, Conexant ST
Microelectronics und Texas Instruments zusammengeschlossen, um einen einheitlichen MIMO-Standard zu
forcieren. WWISE (World Wide Spectrum Eficiency), so der Name dieses Konsortiums, erreicht über
MIMO-OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) Übertragungsraten von 135 bis maximal 540
MBit/s. Die stärkste Gegenfraktion bildet "TGn Sync", eine Koalition um den Chipbauer Agere,
unterstützt durch Hersteller wie Atheros, Cisco, Intel, Marvell, Nokia, Nortel, Philips, Samsung,
Sanyo, Sony und Toshiba. Einer der Hauptunterschiede der beiden Ansätze soll in der Kanalbreite
liegen. Während WWISE aus Kompatibilitätsgründen zu anderen 802.11-Standards auf 20-MHz-Kanäle
setzt, schlägt Agere eine Kanalbreite von 40 MHz vor. Im Endresultat kommt Agere auf
Übertragungsraten von 243 (zwei Antennen) beziehungsweise 600 MBit/s (vier Antennen).

Nachdem es voraussichtlich noch eine lange Zeit dauert, bis Highspeed-WLANs standardisiert sind,
erscheinen die Pre-n-Lösungen für diejenigen, die wirklich Multimedia über WLAN nutzen wollen,
durchaus opportun. Die durch Marketingbegriffe wie "True MIMO" (Belkin) vorgegaukelte
Kompatibilität sollten Anwender jedoch sofort vergessen. Netgear ist immerhin ehrlich: Das
Unternehmen stellt seine Rangemax-Technologie in keinerlei Kontext zu 802.11n. Produkte mit diesem
Verfahren, die im Frühjahr dieses Jahres auf den Markt kommen sollen, verwenden sogar sieben
MIMO-Antennen, mit denen sich 127 verschiedene Antennenmuster nachbilden lassen. Rangemax soll die
Details der Netzwerkumgebung automatisch "erkennen" und die Antennenkonfigurationen selbstständig
anpassen. So ließe sich ein besonders stabiles Signal erzeugen, wie es vor allem im Bereich der
Videoübertragung erforderlich ist.

Management

Was den Einsatz von WLANs in größeren Unternehmensumgebungen bis heute bremst, sind starke
Defizite der Standards bei der Access-Point-übergreifenden Verwaltung. So existieren keine
WLAN-spezifischen SNMP-MIBs (Simple Network Management Protocol – Management Information Base) –
wichtig, um zum Beispiel die Funkdichte zu messen, die Funkstärke zu regeln und die Kanäle
anzusteuern. Solche Parameter müssen sich in einer Umgebung mit vielen Access Points zentral
abfragen beziehungsweise ansteuern lassen. Dies ist bislang nur bei den proprietären Lösungen
einiger Hersteller oder durch den Einsatz von Managementlösungen spezialisierter Dritthersteller
realisierbar, die in der Lage sind, die Hardware mehrerer WLAN-Anbieter zu verwalten. Zu Letzteren
zählen zum Beispiel Airespace, Airmagnet, Airwave, Aruba, Legra Systems, Roving Planet, Trapeze
Networks und Wavelink.

Die IETF (Internet Engineering Task Force) arbeitet in der CAPWAP-Gruppe (Control and
Provisioning of Wireless Access Points) an der Entwicklung von Schnittstellen und Protokollen, die
von den einschlägigen Managementgeräten genutzt werden. Bislang liegt jedoch kein verbindliches
Ergebnis vor, und das Problem der fehlenden WLAN-MIBs wird sich auch hier nicht lösen. So
dominieren derzeit die genannten Hersteller mit ihren nicht standardisierten Managementlösungen die
Szene. In Deutschland ist etwa die Tool-Suite "Ringmaster" von 3Com-Partner Trapeze vergleichsweise
populär, von der der Hersteller Mitte Januar eine deutlich erweiterte Version vorgestellt hat.

Quality of Service (QoS)

Auf Dauer erscheint es wenig sinnvoll, für Sprache (DECT) und Daten (WLAN) zwei unterschiedliche
Funkinfrastrukturen aufzubauen und zu pflegen. Sprache und Video laufen künftig über WLANs, so das
erklärte Ziel der Hersteller und damit der entsprechenden Arbeitsgruppe im IEEE-Gremium. Der dafür
avisierte 802.11e-Standard soll etwa in sechs Monaten verabschiedet werden – das allerdings schon
seit mehreren Jahren, wie Insider gerne scherzen. Dieses Mal soll der Zeitpunkt jedoch realistisch
zu halten sein.

Analog zu 802.11i-Security mit WPA (Wi-Fi Protected Access) und WPA2 kam die Wi-Fi Alliance im
vergangenen Jahr mit einem 802.11e-Standardexzerpt, mit dem sich bereits einige QoS-Grundfunktionen
in Wi-Fi-zertifizierten Produkten nutzen lassen. Mit WMM (Wi-Fi Multimedia) lässt sich der
Datenverkehr am Access Point über die im IETF Differential Services (DiffServ) standardisierten
802.1d-Tags (ein Bit im Paketkopf) in vier Prioritätsstufen (Access Categories, kurz ACs)
klassifizieren:

Sprache (höchste Priorität, Tags 7 und 6),

Video (Tags 5 und 4),

Best Effort (Tags 0 und 3) und

Background (Tags 2 und 1).

Die AC Video unterstützt in einem 802.11g- und -a/h-WLAN-Kanal bis zu vier Standard-TV-Ströme
beziehungsweise einen High-Definition-TV-Strom.

WMM-zertifizierte Produkte kommen bereits seit Ende 2004 auf den Markt. Allerdings existieren
bislang noch kaum Anwendungen und Clients, die das Verfahren unterstützen. Die zweite
QoS-Hauptkomponente des künftigen 802.11e-Standards, die bei der Wi-Fi unter der Bezeichnung WMM
Scheduled Access läuft, hat indes noch keine praktische Relevanz. Die Hersteller haben es damit
offenbar nicht eilig, und so will die Wi-Fi erst im zweiten Quartal dieses Jahres überhaupt einen
Zertifizierungsprozess definieren. WMM Scheduled Access soll den Access Points die volle Kontrolle
über ihre Ports geben und so auch in der Lage sein, Bandbreitenreservierungen zu unterstützen.

Roaming

Fast alle WLAN-Komponenten unterstützen den 802.11f-Standard, der das nahtlose Roaming einer
WLAN-Session zwischen mehreren Access Points protokolltechnisch regelt. Allerdings funktioniert das
nur so lange, wie sich die beteiligten Access Points am gleichen Ethernet-Segment andocken. Hängen
die Access Points an unterschiedlichen Segmenten, beispielsweise wenn in einem Gebäude jede Etage
in einem eigenen Subnetz organisiert ist, bricht die Verbindung beim Roaming in der Regel ab.
Besondere Brisanz gewinnt dieses Thema in Verbindung mit Sprachanwendungen über WLAN. Einen
kritischen Problempunkt bildet hier die erneute Authentifizierung – speziell im Zusammenhang mit
dem 802.11i-Sicherheitsprotokoll oder über einen Radius-Server (Remote Access Dial-in User
Service). Diese Vorgänge nehmen meist mehrere hundert Millisekunden in Anspruch, die sich zu den
anderen protokolltechnischen Verzögerungen addieren. Für Gespräche sollte die komplette Übergabe
einer Verbindung in maximal 20 Millisekunden abgeschlossen sein. Daher arbeitet die Task Group "r"
an schnelleren Roaming-Verfahren, die auch subnetzübergreifend funktionieren – sogar bei Sprache.
Bislang ist dieses Problem nur herstellerspezifisch lösbar, zum Beispiel bei Reefedge und
Spektralink.

IEEE 802.16/HiperMAN/Wimax

Während WLAN Schritt für Schritt für Unternehmensnetze und Multimediaanwendungen nachgebessert
wird, steht mit dem im Dezember 2001 in seiner Urversion verabschiedeten IEEE-Standard 802.16
(analog zum europäischen ETSI-Standard HiperMAN) bereits eine weitere Funktechnologie ins Haus. Der
"Volksmund" nennt sie Wimax (Worldwide Interoperability for Microwave Access), eine Bezeichnung des
Wimax-Forums, in dem inzwischen mehr als 180 relevante Hersteller zusammengeschlossen sind –
darunter auch Branchengrößen wie Cisco, Fujitsu, IBM, Nokia und Intel sowie Pioniere wie Alvarion.
Intel und Alcatel haben im vergangenen Jahr zudem eine strategische Allianz für diesen
Aufgabenbereich gebildet.

Mit Reichweiten bis zu 50 Kilometern (typischer Zellradius: etwa 1,5 bis fünf Kilometer) und
Übertragungsraten von 280 MBit/s pro Basisstation (vier Segmente zu je maximal 70 MBit/s) zielt
Wimax zunächst primär auf den Access-Markt – beispielsweise als garantiert Telekom-freie
Alternative zu T-DSL. Speziell im Bereich der Funk-Hotspots erwarten die Marktforscher aber auch
schon recht schnell einen harten Wettbewerb zwischen WLAN und Wimax. In einer späteren Ausbaustufe
könnte Wimax sogar UMTS vom Sockel stoßen (Näheres zu den aktuellen Entwicklungen bei Wimax in der
Rubrik Markt dieser Ausgabe). Bei Wimax sind Security und QoS übrigens von Hause aus mit dabei. Ab
2007 soll es auch Dualband-Geräte mit Wi-Fi und Wimax unter einer Haube geben, eventuell Triband –
mit UMTS oben drauf. Der Wireless-Fantasie sind für die Zukunft kaum Grenzen gesetzt.


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