Video over IP als VoIP-Erweiterung

Von der Telefon- zur Videokonferenz

29. Juni 2005, 23:06 Uhr | Klaus Jotz/pf

Videokonferenzlösungen waren bislang die Domäne hochspezialisierter Systeme. Mit dem Erfolg IP-basierender TK-Systeme rückt - quasi als natürliche Erweiterung - auch Video over IP in den Blickpunkt. Hersteller wie Cisco oder Siemens bieten entsprechende integrierte Lösungen für den Unternehmenseinsatz. Der Beitrag beschreibt am Beispiel der Konferenzlösung Hipath Openscape 2.0 von Siemens ausführlicher die Technik und die Einsatzmöglichkeiten.

Schon seit vielen Jahren kennen und nutzen Unternehmen die wirtschaftlichen und
prozesseffizienten Vorteile von Videokonferenzsystemen. Teams, die auf unterschiedliche Orte
verteilt arbeiten, können so zum Beispiel intensiven Kontakt halten, ohne Reisekosten zu
verursachen. In der Entwicklung lassen sich etwa Produkte leicht visualisieren und mit geringem
Aufwand zwischen den Beteiligten abstimmen. Allerdings sind die Installation und die Bedienung der
klassischen dezidierten Videosysteme nicht immer trivial. Oft müssen sich die Teilnehmer in
speziell dafür ausgerüsteten Räumen zusammenfinden. Die Videokonferenz via IP vom gewöhnlichen
Arbeitsplatz-PC aus bietet hierzu eine interessante und mit vielen neuen Möglichkeiten verbundene
Alternative, wobei der Konferenzaufbau die Einfachheit eines Telefongesprächs besitzt.

Als technische Ausrüstung ist für den PC-Konferenzteilnehmer im einfachsten Fall lediglich eine
USB-Kamera nötig. Anspruchsvoller gestalten sich hingegen die im Hintergrund ablaufenden Prozesse
zur Realisierung von Videokonferenzen. Mehrere Hersteller liefern hierfür bereits seit Jahren
entsprechende Systeme, aber erst seit kurzem sind Lösungen erhältlich, die neben hoher Qualität für
Sprach- und Videoübertragung auch umfangreiche Business-Funktionen bieten.

Integration in die IP-TK-Lösung

Damit die Einbindung in die IP-Telefonie problemlos funktioniert, sollten die Endgeräte für
Video over IP mit den gleichen Protokollen wie die bereits eingesetzten IP-basierenden
Telefonanlagen arbeiten. Cisco Systems hat beispielsweise die Videotelefonie mit den Versionen 4.0
und 4.1 des Callmanagers direkt in die IP-Telefonie integriert, wobei Administrationsfunktionen wie
Management, Billing, Call Control und Bandbreitenkontrolle jetzt auch Videoterminals
unterstützen.

Das ausgehende Bild lässt sich automatisch von einem Netzwerk-PC mit entsprechender
Client-Anwendung übertragen. Erfolgt ein Anruf von einem Video-Terminal oder einem entsprechend
ausgerüsteten Arbeitsplatz aus, öffnet sich beim Empfang automatisch das zugehörige Bild auf dem
PC. Dabei bietet die Cisco-Videokamera mit ihrem "Wideband"-Codec beispielsweise eine Auflösung von
bis zu 640 x 480 Pixeln bei 30 Frames pro Sekunde. Dieser Adapter ist zudem rückwärtskompatibel zu
den meisten anderen H.323-Konferenzsystemen, und variable Streams von 128 kBit/s bis hin zu 1,5
MBit/s bieten zentral gesteuert die Anpassung an unterschiedliche Netzwerkstrukturen. Für die
Einleitung von Videokonferenzen ist die Integration in die IP-Nebenstellenanlagen notwendig, um
eine einfache Bedienbarkeit, Administrierbarkeit und Kontrolle des Gesamtsystems zu erreichen. Die
Konferenzsteuerung erfolgt dabei durch den Callmanager, während die komplette Bedienung über das
IP-Telefon oder zum Beispiel ein Tandberg-Video-Terminal stattfindet. Vorraussetzung ist stets eine
entsprechende Cisco-Basis.

Microsoft Life Communications Server als Basis

Einen anderen Weg beschreitet Siemens mit ihrer Software-Suite Hipath Openscape 2.0, die auf
einer Microsoft-Basis aufsetzt. Windows Server 2003 und der Office Life Communications Server (LCS)
von Microsoft bilden die Grundlage für die Integration von Openscape 2.0 in die vorhandene Sprach-
und Dateninfrastruktur eines Unternehmens. Dazu gehören Kommunikationsdienste wie Telefon,
Voice-Mail, E-Mail, SMS, Kalender, Instant Messaging (IM), Konferenzen und Video. Openscape
ermöglicht den Aufbau von Ad-hoc-Konferenzen mit mehreren Teilnehmern aus dem
Microsoft-Präsenzbereich des jeweiligen Arbeitsplatzes per Mausklick. Microsoft selbst bietet mit
der eigenen Infrastruktur lediglich Peer-to-Peer-Echtzeitkommunikation an. Das zugrunde liegende
VoIP-Protokoll ist SIP (Session Initiation Protocol). Openscape erweitert diese Videofunktionalität
um zusätzliche Kommunikationskanäle und stellt damit Multipoint-Conferencing zur Verfügung. Dabei
lassen sich die weiteren Funktionen der Client-Software Windows Messenger während einer Konferenz
einfach per Knopfdruck zuschalten. Voraussetzung sind am PC-Arbeitsplatz eine Kamera, eine
entsprechend leistungsfähige Grafikkarte und Windows XP als Client-Betriebssystem.

Openscape hat die Aufgabe, alle auf einem LCS registrierten SIP-Benutzer zu unterstützen. Dazu
ist auf dem LCS der so genannte Routing Dispatcher von Openscape zu installieren. Diese Software
nutzt die LCS-Anwendungsschnittstelle, um alle am LCS eintreffenden SIP-Anrufe zu überwachen. Der
Routing Dispatcher selbst verhält sich wiederum wie ein Proxyserver. Er enthält als Unterkomponente
den "Routing Dispatcher Active Directory Connector" (Routing Dispatcher ADC), der Informationen
über alle im Active Directory (AD) konfigurierten Openscape-Benutzer bereitstellt. Der ADC
überwacht unter anderem die im AD vorgenommenen Änderungen an Openscape-Benutzerinformationen und
überprüft, ob die in einer SIP-Nachricht angegebenen Benutzer Open- scape-Benutzer sind oder
nicht.

Multipoint-Videokonferenzen

Wichtiger Bestandteil des Videosystems von Openscape ist der MCU-Server (Multipoint Control
Unit), der die eigentliche Videokonferenzlösung zur Verfügung stellt. In einer Videokonferenz würde
der LCS jeweils nur ein Bild (also nur einen Gesprächspartner) auf dem Bildschirm darstellen. Das
Multipoint-Conferencing-System ermöglicht jedoch die Abbildung mehrerer Teilnehmer gleichzeitig in
der Win-dows-Messenger (WM)-Oberfläche.

Der WM bietet dann ein einheitliches und in seiner Größe veränderbares Bildfenster, in dem sich
bis zu vier Videobilder darstellen lassen. Dabei handelt es sich um die Videobilder jener vier
Teilnehmer, die beim Aufbau einer Konferenz als erste die Videofunktionalität an ihrem Arbeitsplatz
aktiviert haben. Zwar empfängt die MCU die Videoströme von allen Teilnehmern, bei denen diese
Funktion gerade in Betrieb ist, mischt dann aber die für den WM maximale Anzahl von Videobildern in
einen einzigen resultierenden Videostrom (Bild 1). Dieser wird an alle Clients weitergeleitet, die
in der Konferenz Video empfangen. Die MCU registriert die Reihenfolge aller anderen Teilnehmer.
Meldet einer der ersten vier seine Videofunktionalität ab, so wird sein Bildschirmbereich für die
Videowiedergabe frei. Der nächste in der Reihe übernimmt dann dessen Platz. Nicht benötigte
Wiedergabeplätze können auch leer bleiben. Legt man für den Server eine Hardware auf
Pentium-4-Basis mit 2,4 GHz zugrunde, würde das System bis zu 25 Videobenutzer in einer Konferenz
unterstützen. Dabei entspricht aus Sicht der Leistungsanforderungen ein Videobenutzer (Video- plus
Audiokanal) etwa drei reinen Audionutzern.

Eine Konferenz lässt sich entweder mit einer vordefinierten Gruppe oder ad hoc aus einer so
genannten Kontakt- oder Buddy-Liste (das ist eine Liste, in der alle verfügbaren Teilnehmer mit
ihren Kommunikationsmöglichkeiten dargestellt sind) starten. Das System stellt dabei sehr viele
Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, die sich bei jeder bereits bestehenden Verbindung hinzu-
oder herausnehmen lassen. Eine Entwicklungszeichnung beispielsweise, die für die gemeinsame
Betrachtung früher noch über das ISDN-Videosignal übertragen werden musste, lässt sich heute per
File-Sharing auf dem Bildschirm jedes Teilnehmers präsentieren (Bild 2). SIP ermöglicht hierfür die
Übertragung und selektive Anzeige des Dokuments im so genannten Openscape-Portal – parallel zu
Sprache, Video und Instant Messaging. Selektiv bedeutet, dass beispielsweise ein Dokument der
gesamten Gruppe zugänglich ist, das Videobild hingegen nur einem Teil dieser Gruppe.

Business-Funktionen als Beigabe

Mit dem Openscape-Portal existiert auf Client-Seite somit neben dem Windows Messenger eine
zweite Oberfläche, die für die saubere Darstellung von Dokumenten sorgt. Die
Videokonferenz-Funktionalität verbleibt im Windows Messenger. Zwischen beiden Windows-Fenstern ist
das Wechseln problemlos möglich, sie lassen sich aber auch parallel nebeneinander darstellen, um
das Datei-Sharing während der Videokonferenz sinnvoll zu integrieren.

SIP aktiviert alle diese nutzbaren Medien. Die Übermittlung der Sprache basiert auf den üblichen
Codecs (zum Beispiel G.711 oder G.729), und für Video kommt H.261 (64 bis 256 kBit/s) zum Einsatz.
Die MCU unterstützt dabei die Videoformate CIF (Common Intermediate Format: 352 x 288 Pixel) und
QCIF (Quarter Common Intermediate Format: 176 x 144 Pixel) sowie eine Bildfolge von 10 Frames pro
Sekunde. Die dabei benötigte Bandbreite vom Win-dows Messenger zur MCU beträgt etwa 250 kBit/s
(QCIF) und in Gegenrichtung etwa 1,2 MBit/s (CIF), womit sich pro Kanal eine Beanspruchung von rund
1,5 MBit/s ergibt. Sowohl die MCU als auch der WM können CIF und QCIF empfangen. Die Auflösung der
vier Teilbilder im WM erfolgt heute jeweils in QCIF, Openscape ist jedoch bereits für kommende
Verbesserungen des Windows Messengers bezüglich Qualität und Videogröße vorbereitet. Auf jeden Fall
ist ein herkömmliches Ethernet-Netzwerk mit 100 MBit/s ausreichend für die saubere Übertragung der
Bilder. Selbst im WLAN-Bereich, mit Übertragungsraten von 54 MBit/s und 70 Prozent
Empfangsleistung, ist hier noch eine relativ gute Qualität zu erzielen. Allerdings sind der Sprach-
und Datenstrom nicht synchronisiert, wodurch es bei Übertragungsengpässen zu Abweichungen kommen
kann.

Für das komplette Openscape-System stellt Siemens ein Software Development Kit (SDK) zur
Verfügung. Im Vordergrund stehen dabei modulare Integrations-Tools und multimodale
Benutzerschnittstellen, die eine schnelle und kostengünstige Einbindung neuer Anwendungen in die
Systeme ermöglichen sollen. Mit dieser "Opensoftware-Initiative" will sich der Hersteller gegenüber
Lösungen abgrenzen, deren Nutzung im Wesentlichen nur auf die eigenen Plattformen beschränkt
ist.


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