Facility-Monitoring

Weniger ist oft mehr

2. August 2016, 16:20 Uhr | Von Oliver Lindner.

Monitoring ist in aller Munde. Es gibt mittlerweile eine umfangreiche Berichterstattung in den Medien, außerdem zahlreiche Messen und Branchentreffen zum Thema. Aber was ist, wenn die neuesten Trends mit dem vorhandenen Budget unerreichbar sind? Was ist sinnvoll? Was ist wirklich erforderlich?

Wie die meisten Autos über einen Tacho, einen Drehzahlmesser und eine Tankuhr verfügen, gehören zu einem Rechenzentrum mehrere Überwachungseinrichtungen wie Energiezähler, Temperaturfühler, Leckagesensoren, Brandmelder etc. Das Rechenzentrum als Motor der IT-Fabrik benötigt genau wie sein automobiles Pendant ein Armaturenbrett mit wichtigen Statusinformationen.

Nicht jeder RZ-Betreiber hat jedoch das Glück, einen Neubau sein Eigen zu nennen, der neben dem Smart-Meter des Energieversorgers für die Einspeisung, einer zeitgemäßen BMS-Lösung auch noch die neueste Generation von Messgeräten für Energiefluss und Stromqualität in allen Abgangskästen im IT-Raum aufweist. Es ist noch nicht so lange her, dass Geräte im Facility-Bereich gar keine oder höchstens eine Feldbus-Schnittstelle hatten. Im Gerät eingebaute analoge Instrumente sind für eine Fernüberwachung jedoch oft nicht hilfreich. Zwar existiert bisweilen eine Interface-Option, die aber aus Kostengründen oder weil es zum Zeitpunkt der Bestellung nicht relevant war, bei der Provisionierung nicht bestückt wurde. Daher laufen in zahlreichen Rechenzentren einige Systeme "im Blindflug".

Gerade bei Klimatisierung sind Systeme ohne komplexe automatische Steuerung mit Eigenüberwachung üblich. Da Facility-Komponenten in der Regel deutlich längere Lebenszyklen aufweisen als IT-Equipment, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich in im Gerätepark noch zahlreiche derartiger Exemplare befinden, deren Erneuerung jedoch nicht ins Budget passt. Aber auch in dieser Situation ist ein zeitgemäßes Monitoring erforderlich.

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Business-Value-Dashboard zur Definition von RZ-Metriken.Bild: FNT Software

Zuerst gilt es, eine Ist-Analyse durchzuführen und eine Zieldefinition aufzustellen. Die Fragen lauten: Was steht zur Verfügung, und welche Zwecke verfolgt der Betreiber? Oft treten dabei schon bei der Erfassung der vorhandenen Komponenten die ersten Probleme auf, etwa wenn es keine verlässliche Dokumentation oder kein ordnungsgemäß gepflegtes Asset-Management-System gibt. Dieses Problem sollte ein Betreiber unbedingt sofort lösen, denn ein Monitoring ohne Management ist nicht nachhaltig. Wenn er noch kein DCIM-Tool oder Asset-Management-System verwendet, ist dies der richtige Zeitpunkt, über eine Einführung nachzudenken. Der Markt bietet leistungsfähige DCIM-Suiten, die solche Probleme lösen.

Für eine Bestandsliste benötigt der RZ-Betreiber ein Verzeichnis aller Komponenten mit vorhandenen und möglichen Messeinrichtungen. Bei "intelligenten" Geräten sollte die Schnittstelle (zum Beispiel RJ45, RS485, Feldbus) genau bezeichnet sein, außerdem sollten alle unterstützten Protokolle (IP, Modbus, Bacnet, SNMP, RMON, IPMI) aufgelistet sein. Alle Sensoren und Messgeräte mit ihren Anschlussmöglichkeiten sind aufzunehmen. Auch bereits vorhandene Überwachungssysteme müssen erfasst und analysiert werden. Er sollte klären, ob sich bereits erhobene Daten über Schnittstellen oder Datenaustausch nutzen lassen und ob bereits statistische Auswertungen zur Verfügung, die einzubeziehen sind.

Eine klare Definition der Ziele ist wichtig, damit sich ein Betreiber später nicht auf Messpunkte, Verfahren oder Komponenten fokussiert, die seinen Zielen nicht dienlich sind. Messbar ist vieles, aber nicht immer ist die Messung auch verwertbar. Wenn die Vorgabe der Geschäftsleitung auf Ermittlung von PUE und Carbon Footprint lautet, sind andere Datenpunkte nötig als für eine Abrechnung von Stromkosten auf Geräteebene oder die Überwachung von Temperatur-SLAs. Grundsätzlich geht es darum, zu unterscheiden, ob Statistiken für das Management (KPIs, SLA-Auswertungen) im Fokus stehen oder eine Betriebsunterstützung durch Echtzeitüberwachung notwendig ist. Aus der Bestandsanalyse und Zielfestlegung lassen sich nun "fehlende" Messwerten identifizieren oder Komponenten, die unbedingt zu überwachen sind, aber noch keine geeignete Messeinrichtung haben. Dazu steht dann eine Nachrüstung an, oder der Betreiber findet eine alternative Überwachungsmethode. Er sollte prüfen, welcher Aufwand für eine Nachrüstung anfällt und ob dieser gerechtfertigt ist - oder ob Alternativen trotz eventueller Einschränkungen sinnvoller sind. Wenn zum Beispiel ein Lüfter eines Klimageräts selbst keine Angaben zur Drehzahl macht, kann ein Luftgeschwindigkeitssensor die Wirkung ersatzweise ermitteln.

Temperaturmessungen sind der Indikator schlechthin für das ordnungsgemäße Funktionieren der Klimatisierung. Mit wenigen, preiswerten Klimasensoren kann ein Betreiber eine fehlende Überwachung eines alten Systems ausgleichen. Nachteil der "indirekten" Überwachung ist das Fehlen von belastbaren Angaben zur Ursache einer Störung. Eine feingliedrig überwachte moderne Klimaanlage "weiß" natürlich, ob der Kühlmittelkreislauf ein Problem hat, der Lüfter, der Luftfilter oder der Wärmetauscher. Oder aber, ob Fehlströme und Undichtigkeiten im Doppelbodensystem vorliegen. Bei indirekter Überwachung ist eine eindeutige Alarmierung deutlich schwieriger zu konfigurieren.

Klimaüberwachung nachrüsten

Eine Nachrüstung der Klimaüberwachung des Raums ist in der Regel einfach und recht preiswert. Es gibt zum Beispiel kabellose Systeme für den nachträglichen Einbau oder Multi-Sensoren, die an bestehende intelligente Stromverteilsysteme im Schrank anschließbar sind. Neben diesen dedizierten Messgeräten können Betreiber auch die in den meisten Server-Systemen integrierten Temperaturfühler mit heranziehen, die auch eine sehr feingranulare Aufteilung der Kühlluft hinter der Schranktür zeigen.

Für die Nachrüstung im Strombereich stehen neben klassischen, einzuschleifenden Energiezählern auch einfachere Systeme zur Verfügung, bei denen die Messgeräte einfach auf die Stromkabel im Sicherungskasten aufgesteckt sind. Die Überwachung kabellos erfolgt. Da diese Art Messgeräte auch im laufenden Betrieb erfolgen kann, ergeben sich keine Ausfallzeiten bei der Nachrüstung, was gegenüber einzuschleifenden Systemen einen großen Vorteil darstellt. Auch eine Mischbestückung für den gesamten Strompfad ist sinnvoll: Kritische Komponenten nahe der USV-Anlage sind dann zum Beispiel mit leistungsfähigen Energiezählern ausgestattet, die unter anderem auch die Stromqualität berücksichtigen, während für die an den Verbrauchern liegenden Stromverteiler einfachere Messgeräte ausreichen.

Auch in einem älteren RZ befinden sich oft neuere IT-Komponenten, die bereits Einzelmesswerte liefern können. Sind keine Energiezähler bei der Versorgung von IT-Flächen vorhanden, kann so alternativ die "Eigenüberwachung" der Server, Storage-Systeme und Switches dazu dienen, deren Gesamtverbrauch zu ermitteln. Dabei stellt sich allerdings die "Eigentümerschaft" der jeweiligen Überwachungsschnittstelle häufig als strittig heraus. Wenn kein direkter Zugriff auf Server oder andere Monitoring-Systeme verfügbar ist, kann der Betreiber jedoch auch eine Datenbereitstellung unter den zuständigen Kollegen vereinbaren.

Für viele Auswertungen sind keine Echtzeitdaten notwendig, sondern es genügen Werte, die die Systeme in regelmäßigen Abständen erfassen, übermitteln und auswerten. Auch die Qualität von Messungen muss auf das Erfassungsziel abgestimmt sein. Auch wenn eine Messeinrichtung eventuell nicht kalibriert und zertifiziert ist oder eine größere Abweichung aufweist, kann sie sehr wohl für die Überwachung im RZ geeignet und ausreichend sein. Bei Temperaturmessungen gilt: Die Anlage muss kein vollständiges 3D-Modell des Raums in Echtzeit anzeigen, das von sechs Sensoren pro Kubikmeter gespeist wird, um eine sinnvolle Überwachung von klimatischen Bedingungen und die Einhaltung von SLAs zu garantieren. Wenige Messfühler an der richtigen Stelle genügen bereits.

Gerade bei der Überwachung der SLA-Einhaltung muss der Betreiber den Text des SLAs genau studieren, um zu verstehen, wie eine Messung durchführen ist. Wenn dort die Temperatur im Kaltgang ohne weitere Detaillierung zugesichert ist, genügt eben oft auch ein einzelner Fühler für eine Referenzmessung.

Für Anlagen, die eine ungleichmäßige Verteilung der Messpunkte zur Verbrauchserfassung aufweisen - nur die Hälfte der Racks hat beispielsweise überwachte PDUs - kann eine anteilige Zuordnung erfolgen. Als Verteilungsschlüssel bieten sich dann die Herstellerangaben ("Nameplate") oder Erfahrungswerte ("Derated") der Komponenten in der Fläche an.

Aus den gewonnenen Messungen, die auch für eine Echtzeitüberwachung geeignet sind, kann der Betreiber verschiedene Metriken ermitteln. Zuallererst ist dabei der PUE-Wert zu nennen. Auch wenn dieser Wert für den Betrieb selbst keinen echten Mehrwert darstellt und mehr strategischen Zielen und dem Vergleich von Anlagen dient, sind die dafür notwendigen Messpunkte wichtige Indikatoren und sollten allesamt unbedingt überwacht werden. Aus dem Gesamtverbrauch sollte ein Betreiber heute auch den "Carbon Footprint" errechnen. Auch für die Auswertung der Stromdichte sind keine zusätzlichen Messpunkte notwendig. Diese Metrik sollte aber ausgewiesen werden, da sie ein guter Indikator für die (effiziente) Ausnutzung von Fläche und richtiger Dimensionierung ihrer Gesamtanlage ist und sich als Ergänzung zu den klassischen Kapazitätsauswertungen von Fläche, Strom und Klima anbietet.

Erarbeitung eines tragfähigen Umsetzungsplans

Aus der anfänglichen Bestandsanalyse und der Zieldefinition sollte der Betreiber einen tragfähigen Umsetzungsplan erarbeiten, bevor er das Projekt beginnt, sodass auch Prioritäten klar umrissen sind und den Stakeholdern bekannt sind. Allen Beteiligten muss klar sein, dass es zu unterscheiden gilt zwischen dem, was (theoretisch) möglich ist, und dem, was für das Projekt notwendig ist. Das große Ziel im Auge behaltend, sollte das Projekt in sinnvolle Etappen gegliedert sein: Klein Starten, aber am Ball bleiben. Der Reifegrad der Überwachung muss nicht von Anfang an perfekt sein. So lässt sich in kürzester Zeit und budgetschonend das Monitoring ausbauen. Auch ein kleines Plus an Überwachung und Auswertung kann schon einen großen Gewinn für die Verwaltung ausmachen.

Oliver Lindner ist Geschäftsfeldverantwortlicher für das Segment Data Center Infrastructure Management (DCIM) bei FNT ().

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