Citrix Synergy 2016, Las Vegas

Windows 10 kommt aus der Cloud

25. Mai 2016, 6:33 Uhr | LANline/Dr. Wilhelm Greiner

Die Synergy 2016 ist die erste Citrix-Hausmesse mit dem neuem CEO Kirill Tatarinov an der Spitze. Die grundlegende Ausrichtung des Unternehmens bleibt unverändert, der Fokus auf die Cloud verstärkt sich sogar noch: Zusammen mit Microsoft wird Citrix Windows 10 "as a Service" aus der Azure-Cloud liefern.

Im Januar dieses Jahres hatte Kirill Tatarinov die Nachfolge des langjährigen CEOs Mark Templeton angetreten. So war die Spannung groß, wohin Tatarinov, zuvor Executive Vice President von Microsofts Business Solutions Division, das Unternehmen künftig wohl steuern will – angesichts verstärkter Konkurrenz vor allem seitens des Rivalen VMware, aber bei Workspaces as a Service auch seitens Amazon Web Services (AWS). Wenig überraschend ergab die Antrittsrede des Ex-Microsoft-Manns, dass er nicht nur auf die Cloud, sondern vor allem auch auf die Partnerschaft mit Redmond setzt.

In seiner Keynote vor rund 5.000 Teilnehmern zeigte Tatarinov sich einig mit anderen Branchengrößen bezüglich der vier Megatrends, die den IT-Markt und damit die „digitale Transformation“ prägen: Cloud, Mobile, Big Data und das Internet of Things (IoT). „Die Cloud ist fraglos Realität“, betonte er, nutzten doch heute 90 Prozent der Unternehmen Cloud-Services. Außerdem geben 40 Prozent der Unternehmen laut Tatarinov keine Endgeräte mehr an ihre Mitarbeiter aus: Vielmehr bringen diese ihre eigenen Mobilgeräte mit (Bring Your Own Device, BYOD) – ein Trend, den Citrix schon früh propagiert hat.

Trotz aller IT-Innovation, so Tatarinov weiter, ist das Produktivitätswachstum in den letzten zehn Jahren auf 1,2 Prozent gesunken (von zuvor noch 2,6 Prozent), dies entspreche einer Produktivitätslücke von 2,7 Billionen Dollar. Schuld sei die hohe Komplexität der IT, verschärft durch das Problem der IT-Sicherheit. Citrix wolle diese Produktivitätslücke schließen helfen, biete man doch einen Weg, die Unternehmens-IT sicher und effizienter zu betreiben: „Unsere Strategie ist es, die weltbesten integrierten Technologie-Services für die sichere Bereitstellung von Apps und Daten zu liefern – jederzeit und überall“, so Tatarinovs Variation über das bekannte Citrix-Leitmotiv. Das von Templeton geerbte Mantra übernimmt der Neue also, allerdings verschiebt er den Fokus noch stärker von Produkten zu Cloud-Services.

Tatarinov erklärte, aufgrund großer Nachfrage von Kundenseite habe man nun die Partnerschaft mit Microsoft „auf die nächste Ebene gehoben“. Der per Videobotschaft zugeschaltete Microsoft-Boss Satya Nadella bestätigte: Der Windows-Konzern arbeitet mit Citrix beim Thema Desktop as a Service (DaaS) und Azure zusammen. Die Integration von Citrix-Technik werde helfen, die Akzeptanz von Office 365 zu fördern, weitere Integrationen zielten auf erhöhte Datensicherheit.

Citrix Cloud und Azure
Angesichts der intensiven Partnerschaft mit Microsoft, die seit über 25 Jahren besteht, sei es „nur logisch“, Azure als Plattform für die Citrix Cloud – die vormals Citrix Workspace Cloud genannte WaaS-Lösung (Workspaces as a Service) des Anbieters – zu wählen, erläuterte Tatarinov. So wollen die beiden langjährigen Partner ihre Roadmaps für Microsofts Enterprise Mobility Suite und Intune sowie für Citrix Xenmobile und Netscaler aufeinander abstimmen und gemeinsame Einsatzszenarien entwickeln.

Netscaler wird mit dem Azure Active Directory integriert und soll so das Identity- und Access-Management für Microsofts Cloud-Plattform optimieren. Vor allem aber wird Citrix-Software als Basis dienen, um Windows-10-Desktops als Service aus der Azure-Cloud bereitzustellen.

Citrix Cloud Product Leader Joe Vaccaro stellte aber gegenüber LANline fest, man unterstütze mit der Citrix Cloud wie auch mit Xenapp nach wie vor AWS: „Vielfalt ist immer noch wichtig für unsere Strategie.“

„Die Tatsache, dass Microsoft aktiv an Windows 10 as a Service arbeitet, ist eine große Sache“, so Jeroen van der Kamp, Citrix-Kenner und CTO von Login Consultants, zu LANline via Twitter. „Denn Windows 10 ist (in der Lizenzierung, d.Red.) bislang an Geräte gebunden.“ Auch Citrix-Kenner Brian Madden stimmte dem per Tweet zu: „Microsofts Bekanntgabe, dass sie Windows-10-Produktiv-VDI/DaaS-Desktops aus Azure erlauben werden, ist die größte Ankündigung der Veranstaltung.“

Tatarinov setzt damit vor allem auf Workspaces as a Service, um IT-Organisationen zu helfen, die beschriebene Produktivitätslücke zu schließen. Künftig soll es deshalb alle Citrix-Angebote – bislang neben Citrix Workspace Cloud (CWC) auch die EMM-Lösung Xenmobile und der Filesharing-Dienst Sharefile – aus der Cloud geben. Dabei, so der Citrix-Lenker, werde das Self-Service-Portal Storefront künftig eine zentrale Rolle spielen.

Raspberry Pi als VDI-Client
Wie bei Synergy-Keynotes üblich, sprang auch Tatarinov nach den einleitenden strategischen Betrachtungen sofort in einen Schnelldurchlauf zahlreicher Produktneuerungen. Dabei konzentrierte er sich auf die drei Produktfamilien Xen (Xenapp, Xendesktop, Xenserver, Xenmobile), Sharefile und Netscaler. Die Gotomeeting-Angebote kamen nicht mehr vor, hatte doch Citrix Ende 2015 für sie auf Druck einer Investorengruppe einen Spin-off eingeleitet.

Die wohl spannendste Produktneuerung dürfte der neue „Citrix HDX Ready Pi“ sein: Der ultraschlanke Thin Client (TC) auf Basis des beliebten Mini-PCs Raspberry Pi soll einen vollständigen VDI-Client (Virtual Desktop Infrastructure) für unter 89 Dollar bieten. Damit ist er erheblich günstiger als alle anderen derzeit im VDI-Markt verfügbaren TCs – ein Warnschuss für die TC- wie auch die PC-Branche. „Der Business-Desktop-PC ist dabei, vom Pi ersetzt zu werden“, postulierte Citrix-Innovationsvordenker Chris Fleck auf dem firmeneigenen Blog.

Dank „HDX SoC Receiver SDK“ (der Buchstabensalat meint: ein Software Development Kit zur Erstellung eines optimierten Virtual-Desktop-Clients für das System on a Chip, sodass es sich mit dem Citrix-Remote-Session-Protokoll-Stack HDX versteht) ermöglicht der HDX Ready Pi laut Flecks Ausführungen einen Offload des Bilddatenstroms beim Fernzugriff an die GPU des Raspberry Pi. Dies ermögliche eine Hardwarebeschleunigung für den Quadcore-ARM-Prozessor des Kleinstgeräts. Der speziell für den Pi optimierte Receiver (Citrix’ Client-Software) sei Bestandteil eines abgeriegelten Embedded Linux. Dieses erlaube aber dennoch ein vollumfängliches Device-Management inklusive Firmware-Updates, Fernkonfiguration und DHCP-Tagging für das „Plug and Play“-Deployment. Damit sei das Gerät sehr wartungsarm – und zugleich so preiswert, dass man es nicht einmal als Abschreibungsgut im Asset-Management führen müsse. Und dank Kensington Lock sei der Diebstahlsschutz einfach.

Weitere Neuerungen aus der Xen-Produktfamilie sind Xendesktop und Xenapp 7.9 mit Sharefile-Integration und Federated Authentication Services für den Single Sign-on. Außerdem unterstützt Version 7.9 Intels Iris-Pro-Technik und kann VMs auf der hyperkonvergenten Acropolis-Plattform des Hardwarepartners Nutanix provisionieren. Xenserver 7 wiederum bietet nun ebenfalls Virtual-GPU-Support mit Intel Iris Pro.

Auch Citrix’ ADC (Application Delivery Controller) Netscaler glänzte mit Neuerungen: Mit Netscaler CPX gibt es nun einen ADC im Docker-Container. Ebenfalls neu ist die Netzwerk-Management-Lösung Netscaler Management and Analytics System und die Integration von Netscaler SD-WAN (Software-Defined WAN) in Xenapp und Xendesktop HDX. Sharefile schließlich bietet neben der erwähnten Integration in Microsoft Office 365 künftig auch Rights-Management-Funktionalität, um das Filesharing noch besser gegen Datenverluste abzusichern.

Einsatzfall Krankenhaus
Der Anteil von Livedemos ging gegenüber Templeton-Zeiten stark zurück und konzentrierte sich auf eine Demo aus dem Gesundheitswesen: Diese zeigte, wie man ein Patientenformular nicht einfach durch eine PC-Maske ersetzt, sondern durch eine im Datacenter gehostete App, die man via HDX Ready Pi nutzt. Dank des Tools Secureform Designer könne man die Eingabeformulare der App in Minuten anpassen und an die Nutzer publizieren. Der Anwender müsse dabei kein Programmierer sein, um die Formulare nach Bedarf zu modifizieren.

Ein Kollege Tatarinovs gab einen Arzt, der auf seine Applikation mittels BYO-Device mit Zwei-Faktor-Authenifizierung per Iwatch zugreift. Die Demo funktionierte allerdings auf der Bühne ebenso wenig wie gleich anschließend jene des Einsatzes von Skype for Business. Aber wenigstens wagt man es bei Citrix nach wie vor, mit Livedemos neuer Produkte auf großer Bühne zu scheitern. Die Demo von Netscaler SD-WAN – ein Failover von einer auf der Bühne gekappten MPLS-Leitung zu LTE – klappte dafür reibungslos: Der Fernzugriff auf die entfernte Anwendung arbeitete nach einem Refresh ganz normal weiter.

Kirill Tatarinovs Fazit nach seiner 90-minütigen Antrittsrede: „Wir sind zurück. Und wir sehen der Zukunft mit Spannung entgegen.“ Es bleibt zu hoffen, dass es Tatarinov tatsächlich gelingen wird, seine ehemaligen Kollegen aus Redmond davon zu überzeugen, die Lizenzierung von Windows 10 wirklich Desktop- oder Workspace-as-a-Service-freundlich auszurichten. Denn nicht zuletzt daran hatte der DaaS- und WaaS-Markt bislang erheblich gekrankt. Wenn dann die Azure-Cloud auch noch eine deutlich höhere Verfügbarkeit aufweist als das Demo-WLAN auf der Bühne in Las Vegas, kann die Windows-10-Wolke kommen.

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Setzte in seiner Synergy-Keynote ganz auf die Cloud und den langjährigen Partner Microsoft: der neue Citrix-CEO Kirill Tatarinov. Bild: Citrix Live Stream

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