Besonderheit des Microsoft-Betriebssystems

Windows 8: Was den Profi interessiert

19. Februar 2013, 7:00 Uhr | Thomas Bär und Frank-Michael Schlede (jos)

Viele IT-Verantwortliche tun bereits jetzt kund, dass sie die Version 8 des Windows-Betriebssystems auf dem Desktop nicht einsetzen wollen. Schuld an dieser ablehnenden Haltung ist nicht zuletzt die neue "gekachelte" Oberfläche - dabei hat Windows 8 "unter der Haube" durchaus eine ganze Menge mehr zu bieten.Böse Zungen behaupten, mit Windows 8 habe Microsoft das nächste Vista auf den Markt gebracht. Vielfach erschöpft sich die Kritik an der neuen Windows-Version jedoch darin, die - ohne Zweifel gewöhnungsbedürftige und für den Desktop-PC schlecht geeignete - neue Oberfläche mit ihren Kacheln zu bewerten. Aber die Microsoft-Ingenieure haben bei diesem System nicht nur an der Oberfläche gearbeitet, sondern auch darunterliegende Windows-System konsequent ergänzt und weiterentwickelt. Der folgende Überblick zeigt, welche Windows-8-Versionen und neue (beziehungsweise verbesserten) Features es gibt und was davon besonders für den professionellen Anwender interessant ist.   Weniger Versionen und eine besondere Variante Ist die Entscheidung gefallen, trotz aller Widerstände doch Windows 8 einzuführen, dann stellt sich zunächst die Frage, welche der unterschiedlichen Versionen zum Einsatz kommen soll. An dieser Stelle macht Microsoft die Entscheidung deutlich leichter, als es noch bei Windows 7 der Fall war, denn insgesamt gibt es nur vier unterschiedliche Versionen: Windows 8, Windows 8 Pro, Windows 8 Enterprise und Windows RT. Zwei dieser Versionen gibt es nicht im freien Verkauf: Dazu gehört die Variante Windows 8 Enterprise, die in ihrem Leistungsumfang weitgehend der bisherigen Ultimate-Version von Windows 7 entspricht. Diese Version steht nur professionelle Anwendern und Firmen zur Verfügung. Auch Windows RT wird nicht frei im Handel erhält sein. Diese Betriebssystemversion ist den Systemen vorbehalten, die mit einer ARM-CPU ausgerüstet sind. Dazu gehört ein Teil der Tablet-Rechner, die Microsoft selbst unter dem Namen "Surface" auf den Markt gebracht hat. Die RT-Version, deren Namen sich von der Windows-Laufzeitumgebung WinRT ableitet, ist mit den anderen Windows-Version nicht direkt kompatibel: Anwendungen, die auf Windows unter x86/x64 laufen, funktionieren nicht unter Windows RT. Microsoft wird diese Systeme deshalb auch mit einer speziell dafür entwickelten Office-Version ausliefern. Alle Anwendungen, die damit arbeiten sollen, sind aus dem Windows-Store herunterzuladen. Für den Profi bleibt also die Frage, welche Version von Windows 8 er in seinem Netzwerk betreiben will. Wer auf Tablets setzt, sollte unbedingt warten, bis die Surface-Systeme mit der Windows-8-Pro-Version in den Handel kommen: RT-Systeme sind aktuell nicht dazu in der Lage, einer Windows-Domäne beizutreten, was sie für den Einsatz im professionellen Umfeld wenig geeignet macht. Die Version mit der Bezeichnung "Windows 8" entspricht in ihrem Leistungsumfang in etwa dem von Windows 7 Home Premium. Erst mit Windows 8 Pro und Windows 8 Enterprise stehen dann die folgenden Funktionen und Features zur Verfügung: die Virtualisierungslösung Hyper-V für Clients einschließlich des Zugriffs auf andere Hyper-V-Systeme, der Start des Systems aus einem virtuellen Container (VHD-Datei), das verschlüsselte Dateisystem (EFS - Encrypting File System), der Einsatz als Remote Desktop Host, Laufwerksverschlüsselung mit Bitlocker und "Bitlocker to Go", die Möglichkeit, einer Windows-Domäne beizutreten (Domain Join) sowie die Unterstützung von Gruppenrichtlinien. Damit dürfte eindeutig sein, dass für den Einsatz im Firmenumfeld nur Windows 8 Pro oder - wenn die Möglichkeit besteht - Windows 8 Enterprise wirklich geeignet sind. Die Enterprise-Version bietet zusätzliche Features, von denen einige bereits bei Windows 7 in den Versionen Enterprise und Ultimate zu finden waren: BranchCache, DirectAccess und Applocker sind dabei Techniken, die schon unter Windows 7/Windows Server 2008 zur Verfügung standen, nun jedoch erweitert und verbessert sind. Dagegen sind die Verbesserungen beim VDI-Einsatz neu, die laut Microsoft im Zusammenarbeit mit dem Windows Server 2012 die Technik Remote FX so erweitern, dass sowohl der Einsatz von 3D-Grafik als auch die Verwendung der verschiedensten USB-Geräte über LAN- und WAN-Strecken besser funktionieren soll. Ebenso ganz neu ist Windows to Go: Dabei handelt es sich um ein komplett neues Feature: Mit seiner Hilfe kann ein Windows-8-Desktop direkt von einem USB-Stick aus mit der Hardware eines anderen Windows-Rechners arbeiten, ohne auf die Daten des Host-Systems zugreifen zu können. Eine Lösung, die auch besonders gut für BYOD-Szenarien (Bring You Own Device) geeignet scheint, im Moment jedoch nur mit wenigen ausgesuchten USB-Sticks funktioniert. Schließlich existiert noch ein spezielles Windows 8 App Deployment, das es mit der Windows-8-Enterprise-Version PCs und Tablets, die einer Domäne beigetreten sind, erlaubt, Windows 8 Apps (im Stil der neuen Windows-Oberfläche) auch direkt zu installieren (side-load). Andernfalls lassen sich solche App-Installationen standardmäßig nur über den Windows-Store durchführen.   "Unter der Haube" Ein genauer Blick auch hinter die "gekachelte Oberfläche" zeigt, dass auch bei diesem Betriebssystem ein ganz normaler Desktop (wenn auch ohne Start-Button) zur Verfügung steht und dass weitere interessante Neuerungen existieren. Microsoft hatte frühzeitig angekündigt, dass bei diesem System nicht wie bisher Virtual PC (im Form des XP-Modus unter Windows 7) als Lösung für die Virtualisierung auf dem Desktop zum Einsatz kommen soll, sondern dass Windows 8 mit Hyper-V dem bewährten Hypervisor der Windows-Server-Systeme ausgestattet sein wird. Soll Hyper-V auf dem neuen Client zum Einsatz kommen, so ist dazu neben einer Version Windows 8 Pro oder Enterprise jedoch auch der Einsatz einer bestimmten Hardware notwendig: Bei den meisten Virtualisierungslösungen ist es üblich, dass die Host-CPU die Virtualisierungs-Features in der Hardware unterstützen muss (was alle modernen 64-Bit-Prozessoren heute auch tun). Für Windows 8 gilt dies auch, Microsoft hat jedoch leider eine weitere Hürde eingebaut. Der Prozessor der Host-Plattform muss zwingend die Funktion Second Level Address Translation unterstützt. Bei einigen älteren Intel-Prozessoren heißt die Funktion auch EPT (Extended Page Table) und bei den AMD-CPUs firmiert sie als Rapid Virtualization Index (RVI). Leider bedeutet dies auch, dass zumindest bei den Intel-Prozessoren ein recht neues Modell zum Einsatz kommen muss, da der Hersteller dieses Feature erst mit der Nehalem-Architektur eingeführt hat: Alle Intel-CPUs vor der Core i7-, Core i5- und Core i3-Serie unterstützen diese Fähigkeit nicht, sodass beispielsweise auf den Prozessoren der Core-2-Duo-Serie Hyper-V unter Windows 8 nicht zum Einsatz kommen kann. Während der Hyper-V auf Windows 8 Pro und Enterprise beschränkt bleibt, stehen viele interessante neue Features einheitlich auf allen Windows-8-Versionen bereit. Dazu zählt unter anderem ein weitgehend überarbeiteter Datei-Explorer, der ausgestattet mit einem Menüband (Ribbon) die Arbeit mit Dateien und dem Dateisystem kontextsensitiv unterstützt. Weiterhin sind alle Windows-Versionen mit einer stark verbesserten Task-Manager und dem Internet Explorer 10 ausgestattet. Ebenfalls auf allen Versionen (einschließlich den RT-Systemen) findet sich der so genannte Dateiversionsverlauf. Bereits auf den Windows-7-Systemen existiert eine Funktion mit der Bezeichnung "Vorgängerversion", die im Prinzip den auf Windows 2003 Server erstmals eingeführten Volumenschattenkopien (VSS - Volume Shadow Copy Service) entspricht: Sie erlaubte die Wiederherstellung beispielsweise versehentlich gelöschter Dateien, kommt aber in der Praxis kaum zum Einsatz. Unter Windows 8 gibt es nun eine neue Funktion mit dem Namen "File History", die in der deutschen Version die etwas sperrige Bezeichnung "Dateiversionsverlauf" trägt. Sie ermöglicht die automatische Replikation und die anschließende Wiederherstellung unterschiedlicher Dateiversionen. Die Anwender können so mittels des Menüpunkts "Verlauf" im ebenfalls neuen Explorer-Ribbon auf die verschiedenen Versionen einer Datei zugreifen. Allerdings steht diese Funktion grundsätzlich nur für Dateien und Informationen zur Verfügung, die sich in den Bibliotheken des Windows-8-Systems befinden. Anwender können jedoch neben den Standardbibliotheken für Dokumente, Bilder, Videos und Musik auch selbst Bibliotheken anlegen und so von der Sicherheit des Dateiversionsverlaufs profitieren. Die Sicherungsdaten lassen sich entweder auf externen Festplatten (was Microsoft als beste Lösung vorschlägt) oder aber auch auf einem Netzwerklaufwerk ablegen. Ebenfalls neu sind die"Storage Spaces", die auch auf Windows Server 2012 zu finden sind. Sie residieren auf dem Client-System unter Speicherplätze und Speicherpools. Mit dieser Technik sind physisch vorhandene und mit dem System verbundene Datenträger in so genannten Pools organisierbar. Dazu können Datenträger dienen, die über SATA (Serial ATA) und SAS (Serial Attached SCSI) oder über USB mit dem Windows-8-Rechner verbunden sind. Durch Hinzufügen von Datenträgern lassen sich diese Pools bei Bedarf erweitern. Ein Vorteil dieses neuen Features ist seine große Flexibilität. So sind völlig unterschiedliche Datenträger sowie auch Datenträger unterschiedlicher Größe zu einem gemeinsamen Pool zusammenzuschließen. Auf diesen Pools sind dann virtuelle Festplatten (die eigentlichen Storage Spaces) angelegt, die das System genau wie physische Festplatten behandelt. Diese virtuellen Platten (hinter denen natürlich "echte" Hardware steht) lassen sich beim Anlegen mit Funktionen zur Zuverlässigkeit sowie zur Bereitstellung ausstatten: Stehen beispielsweise zwei Platten zur Verfügung, sind diese so konfigurierbar, dass der Mechanismus für die Zuverlässigkeit, den Microsoft an dieser Stelle als Resilienz (Widerstandsfähigkeit) bezeichnet, eine "Zwei-Wege-Spiegelung" mit der dadurch entstehenden Sicherheit vor Datenverlust einrichtet (Bild 3). Es ist ebenfalls möglich, die logische Kapazität des Speicherplatzes eines Speicherpools größer anzugeben als die Kapazität der dahinterliegenden Hardware. Microsoft nennt diese Technik "ressourcenschonende Bereitstellung" - sie soll eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Speicherplatz erleichtern. Sind die Grenzen des physischen Speicherplatzes erreicht, erhält der Administrator eine Benachrichtigung und kann den Speicherplatz durch einfaches Hinzufügen weiterer Platten erweitern. Gibt dann beispielweise eine Anwendung den Speicherplatz frei oder werden viele Dateien gelöscht, kann der Pool den Speicherplatz im Gegenzug direkt wieder aufnehmen. Diese Technik steht allein auf den RT-Systemen nicht zur Verfügung. Thomas Bär auf LANline.de: BÄR Frank-Michael Schlede auf LANline.de: Frank-Michael Schlede

Bild 3. Einfache und flexible Lösung, um vorhandenen Speicherplatz besser zu verwenden: Mit Speicherplätzen und -Pools bietet Windows 8 komplett neue Optionen.

Bild 2. Mit Hyper-V steht auf Windows 8 nun ebenfalls eine umfangreiche Virtualisierungslösung zur Verfügung, die Teil des Betriebssystems ist.

Bild 1. Ein Windows-8-System in der Enterprise-Version: Zugleich ist auch der Explorer zu sehen, dessen Bedienung durch das neue Menüband (Ribbon) einfacher erscheint.
LANline.

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