Wie Digitalisierung in Unternehmen stattfinden kann

Wozu Socken, sie schaffen nur Löcher

28. Januar 2020, 12:15 Uhr | Fabian Schütze

Am Beispiel Nokia vergeht einem die Lust auf Digitalisierung! Wenn schon dieser Weltkonzern den Sprung nicht geschafft hat, wie soll es dann einem KMU aus Deutschland gelingen? Der Gedanke drängt sich auf, es dann doch gleich bleiben zu lassen. Geschäftsprozesse einheitlich und in einem riesigen Aufwasch zu digitalisieren ist aber kein Masterplan, wie ihn beispielsweise Osram oder Microsoft vorgemacht haben. Auch andere, wesentlich kleinere Unternehmen haben erfolgreich die Digitalisierung implementiert. Und sei es - zunächst - auch nur auf einer ersten Ebene.

Die Gründe, sich heute und nicht morgen aktiv mit der Digitalisierung auseinander zu setzen, können theoretisch ganz klein bis ganz groß sein. Von "weil ich will" bis "weil mein Unternehmen sonst schlichtweg nicht mehr konkurrenzfähig ist". Mittlerweile sollte allerdings jedem klar sein: Dem Megatrend Digitalisierung kann sich niemand entziehen. Ja, Osram ist dabei ein "leuchtendes" Beispiel für die erfolgreich umgesetzte Digitalisierung auf allen Unternehmensebenen. Schließlich gelang sie weltweit für mehr als 25.000 Mitarbeiter. Aber auch kleinere Unternehmen wie MeisterTischler oder die Stadt Monheim am Rhein haben die Digitalisierung geschafft oder sind mitten in der Umsetzung Die einen als IT-Lösung, die anderen in der Administration. Gemein ist ihnen, dass sie den ersten Schritt einer langen Entwicklung gemacht haben.

Die Digitalisierung lässt sich mit unterschiedlichen Tools und Lösungsansätzen auf Bereiche reduzieren. Ein technisches Beispiel auf vermeintlich kleiner Ebene gibt ein Fuhrpark. Der Auftrag war es, die beinahe 10.000 Fahrzeuge für die Deutsche Post umzurüsten. Nicht alle Fahrzeuge konnten logischerweise in einem Arbeitsschritt respektive zeitgleich umgerüstet werden. Da sie jedoch gleich aussehen, mussten Mitarbeiter vor neuen Umrüstungsschritten die Fahrzeuge suchen. GPS war insgesamt zu teuer und verbraucht zu viel Energie. Die Lösung kam mit LPWAN, die den Standort der Fahrzeuge sendeten. Ganz nebenbei senden sie zusätzliche Informationen und unterstützen den Fuhrparkbetreiber bei Wartung und Überwachung.

New Work

Nahezu unmöglich scheint noch immer das Ziel, ein Arbeitsagreement zu formulieren und eine entsprechende IT-Infrastruktur bereitzustellen, damit sowohl die Interessen der Firma als auch die der Arbeitnehmer nach einem modernen Arbeitsplatz berücksichtigt sind. Hintergrund ist das unbestrittene und bekannte Problem, dass der Arbeitsmarkt um Fachkräfte kämpft. Herausforderungen an das Attribut "modern" bestehen dabei nicht nur bei der Aktualität der IT. "Modern" heißt auch oder vor allem Work-Life-Balance. Diese muss allerdings nicht nur in irgendeiner Form in irgendeinem Paragraphen des Arbeitsvertrags formuliert sein. Sie muss für jeden Mitarbeitenden real und individuell verfügbar sein. Sie per se für alle in einem Schichtplan zu definieren funktioniert daher ebenso wenig.

Was wäre also wenn, wie im Fall einer kleineren Agentur, das Arbeitsgrundverständnis einfach neu definiert wird: Jegliche Arbeitszeit kann zu jedem Zeitpunkt und Ort erbracht werden, solange zwei Regeln eingehalten werden. Diese linke und rechte Grenze waren, dass die Wochenarbeitszeit 40 Stunden beträgt und sich die Projektteams zwei Mal in der Woche zu vereinbarten Zeiten physisch treffen.

Der technische Teil der Digitalisierung bestand dann darin, die IT-Infrastruktur an die Anforderungen wie Ortsunabhängigkeit, Prozesse und Projektmanagement mit einem sicheren, DSGVO-konformen Ablage- und Backup-System zu vereinbaren. Microsoft erlaubt mit seiner 365-Plattform eben jene passenden Leistungsbausteine zusammenzustellen. Zur Zusammenarbeit in den Projekten wurde die Lösung Teams als Chat und Dateiablage, aber auch als klassische Festnetztelefonie eingesetzt, was Arbeiten an jedem beliebigen Ort ermöglicht. Mitarbeitende können von überall auf die für sie relevanten Informationen zugreifen. Gleichzeitig sind die Daten geschützt und permanent verfügbar - auf jedem Notebook und Smartphone.

Innerhalb von drei Monaten war die IT-Lösung implementiert. Die Mitarbeitenden wurden auf die neuen Systeme umgeschult. Agiles, zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten ist möglich und nutzbar. Dies funktioniert im Übrigen nicht nur bei kleinen Agenturen. Microsoft selbst, mit immerhin rund 2.700 Angestellten allein in München, hat dies ebenfalls getan. Unter anderem. Auch wurden vom Volontär bis zur Geschäftsführerin geschlossene oder gar persönliche Büroräume abgeschafft, neue Bereiche für kreative Zusammenarbeit oder stille Einzelleistung zur Verfügung gestellt und so ganz nebenbei das Parkplatzproblem in Schwabing gelöst. Sofern nicht alle zufällig beschließen, ins Office zu fahren.

Prozesse

Die Digitalisierung von Prozessen ist ein wenig besonderer. Dabei sind Faktoren wie Stakeholder und Arbeitsketten zu berücksichtigen und aktiv einzubeziehen. Anderenfalls sind die besten neuen Prozesse nicht zu leben. Gerade Einrichtungen wie Landeszentralen, Bildungsinstitute, NGOs oder auch Wirtschaftsunternehmen, die einen Auftrag an den Menschen haben und seit Längerem bestehen, tun sich mit einer grundsätzlichen Prozessänderung schwer; seien es die diversen Interessenslager oder Kommunikationswege von Gesetz- respektive Geldgebern mit Förderern, Eltern, Schülern und Angestellten.

Auch hier hilft das Clustering von Prozessen. Denn: Die Digitalisierung einer Schule steht nicht in Abhängigkeit zu beispielsweise der von Eltern. Damit können beide Prozesse separat betrachtet und vor allem voneinander getrennt umgesetzt werden. Ein Beispiel: Die Umsetzung lässt im ersten Schritt mit der Antwort auf die Frage lösen, in wessen Kompetenzbereich die Aufgaben liegen. Damit aber Verantwortliche oder Teams nicht planlos vor sich hin digitalisieren, sind Schnittstellen erforderlich. Dadurch können beteiligte Partner digital kommunizieren.

So kommt es beispielsweise an einer Schule in München nicht mehr vor, dass Entscheidungen, Mitteilungen oder Aufforderungen der Schulzentralen per Post eingehen. Die Schule hat mit vermeintlich einfachen Ideen und Lösungen ein funktionierendes Dokumenten-Management-System mit regelbasierenden Workflows geschaffen, deren Verteilerkreisen sich sogar das Benachrichtigungsmedium wünschen können. Demnach werden Dokumente nach Verifizierung eingescannt, abgelegt und bei Bedarf entsprechend aufbereitet. Im Dashboard gehen die Informationen dann per Knopfdruck und Zeitgesteuert an die relevanten Zielgruppen, zum Beispiel, dass sich die Unterrichtsverteilung am Vormittag ab einem bestimmten Tag zur Erprobung flexibler Pausenzeiten ändert. Die Auswirkung waren enorm: Neben viel eingespartem bürokratischem Aufwand ging vor allem der unnötige Papiereinsatz und Toner-Gebrauch eklatant zurück. Das Aufsetzen des Dokumenten-Management-Systems war dabei innerhalb eines Schuljahres relativ schnell umsetzbar.

Fazit

Nokia ist kein Beispiel für gescheiterte Digitalisierung, sondern die Anpassung eines Geschäftsmodells allgemein. Zugegeben, die zeitgemäße Ausrichtung eines Businessmodells hat sicher auch mit Digitalisierung zu tun. Aber eben auch mit Globalisierung und der Veränderung der Gesellschaft. Dem gegenüber steht die Digitalisierung einzelner Komponenten, Strukturen oder Lösungen. Die Motivation, die Digitalisierung voranzutreiben können von dabei von innen oder außen kommen.

Intrinsisch ist die Motivation dann, wenn Unternehmen, Einrichtungen oder Ämter sich selbst verbessern und die eigenen Abläufe optimieren wollen. Ziele sind dann beispielsweise, die Geschwindigkeit zu erhöhen, Prozesse zu verschlanken oder Mitarbeitende zu entlasten oder im War for Talents neue zu gewinnen. Über alle Branchen hinweg steht dafür exemplarisch der Begriff „New Work“ für agiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten, ansprechende Räume und Freude an der Arbeit. Extrinsische Motivation zeichnet sich durch den Druck aus, das Geschäftsfeld zu überprüfen: Automobilhersteller werden zu Mobilitätsdienstleister, Leuchtmittelproduzenten entwickeln sich zum Google ihrer Branche. In den meisten Fällen sichert solch ein Schritt das Überleben des Unternehmens. In jedem Fall aber, ist  die große Digitalisierung im Kleinen, Schritt für Schritt umsetzbar.

Fabian Schütze ist COO von Tresonus, www.tresonus.de.


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