Glosse: Angriff der Datenschutzfresser

10. März 2010, 16:50 Uhr |

Mit der Einführung des Twitter-Konkurrenten Buzz hat sich Google letzten Monat die Entrüstung vieler Benutzer zugezogen, und Datenschützer haben Beschwerden eingereicht. Für jene, die Googles Kopfsprung in den Privacy-Fettnapf ebenso verschlafen haben wie der Suchmaschinen-Gigant einst den Microblogging-Trend: Der Konzern hat Buzz als Standardkomponente von Gmail eingeführt und in typisch Googlescher Statistikverliebtheit einfach die häufigsten E-Mail-Kontakte zu Followern erklärt - ohne die Benutzer zu fragen.

Das hat der „Don’t-do-evil“-Firma nicht nur den
Vorwurf von
Allmachtsdenken
eingebracht, Kritiker wiesen zudem auf eine riskante Datenschutzlücke hin: Die
automatisch generierten „Follower“ waren via Web öffentlich sichtbar. Demokratieverfechter in
Diktaturen könnten so dem Regime ungewollt Kontakte verraten haben. Oder der Chef erfährt, mit
welchen Headhuntern man korrespondiert. Eine
erzürnte
Gmail-Nutzerin schrieb
über einen neuen „Follower“: „Wissen Sie, wer mein dritthäufigster
Kontakt ist? Mein gewalttätiger Ex-Ehemann.“

Doch nur selten erfolgt der Angriff auf das Recht informationeller Selbstbestimmung so plump,
drastisch und offenkundig wie im Fall von Google Buzz. Von der Deutschen Telekom zum Beispiel habe
ich (UMTS-Flatrate-Kunde) kürzlich nach dem Kauf einer „Xtra-Card“ (Prepaid-Karte) für die Familie
einen Xtra-Card-Werbe-Newsletter erhalten – obwohl ich beim Kauf der Karte Werbung vertraglich
untersagt hatte. Auf meine schriftliche Anfrage, woher man denn meine E-Mail-Adresse kenne,
erklärte ein Call-Center-Mitarbeiter beim Rückruf: Von einer E-Mail, die ich der Deutschesten aller
Telekoms Monate zuvor geschrieben hatte – und in der ich jegliche Werbung im Rahmen des
UMTS-Vertrags verboten hatte.

Solch ein Verstoß gegen Datenschutzgesetze und anständiges Geschäftsgebaren, obwohl eklatant,
verblasst natürlich vor dem Hintergrund großflächiger Googlescher Ignoranz, zeugt aber von der
gleichen Mentalität: Wir haben es doch nicht nötig, uns um den Datenschutz zu kümmern!

Deshalb, in den Worten des Wiener Rockmusikers Ostbahn Kurti: „Basst’s auf, seid’s vursichtig
und losst’s eich nix gfoin!“ (Passt auf, seid vorsichtig und lasst euch nichts gefallen, Anm. des
Übersetzers ;-).

Man darf den Datenschutzfressern keine kleinen Happen erlauben, sonst bekommen sie nur Hunger
auf größere. Ich jedenfalls kaufe Prepaid-Karten jetzt bei der Telekom-Konkurrenz (ja, die habt
ihr, Deutsche Telekom, trotz eurer Monopolistenallüren). Und den UMTS-Vertrag habe ich auch gleich
gekündigt.

LANline/
Dr. Wilhelm Greiner

 


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