Quantenmechanik in der IT

Mit Photonen ist zu rechnen

9. März 2005, 0:16 Uhr | Dr. Hans-Christoph Capellaro/wj Dr. Hans-Christoph Capellaro ist Senior Manager Information Security bei Ernst & Young.

Quantencomputer bedrohen die Sicherheit der heute üblichen Verschlüsselungstechniken. In der Praxis wird es allerdings Wege geben, die Informationssicherheit auch langfristig zu erhalten.

Die Quantenmechanik hält Einzug in die Informationstechnik. Mit Quantencomputern ließen sich
bisher als schwierig angesehene Probleme wie zum Beispiel das Zerlegen von Zahlen in ihre
Primfaktoren leicht lösen. Dadurch sind derzeit populäre Verschlüsselungssysteme wie zum Beispiel
das RSA-Verfahren ernsthaft bedroht. Interessanterweise bietet die Quantenmechanik aber selbst
einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma. Der Quantenkryptografie, also der Verschlüsselung von Daten
mithilfe von Schlüsseln, die in Form von Quanten ausgetauscht werden, kann ein Quantencomputer
nichts anhaben.

IT-Sicherheit in Gefahr?

Unter dem Titel "IT-Sicherheit in Gefahr? Quanten, Gene und Photonen – eine Bedrohung der
IT-Sicherheit Ihres Unternehmens?" hatte Ernst & Young 2002 zu einer Sicherheitskonferenz
eingeladen. Die Teilnehmer verschafften sich einen Überblick über aktuelle naturwissenschaftliche
Forschungsergebnisse und ihren zukünftigen Einfluss auf die Informationstechnologie. So
präsentierte Professor Rainer Blatt von der Universität Innsbruck damals erstmalig von seinen
Erfolgen bei der Realisierung von einfachen Schaltkreisen auf der Basis von Ionen-Fallen.

Existierende Schaltkreise

Das werteten die anwesenden Fachleute als wichtigen Durchbruch, da diese Hardware eher geeignet
scheint, um leistungsfähige Quantencomputer mit 1000 und mehr Bits "Arbeitsspeicher" zu bauen. Im
Gegensatz dazu ist nämlich die Technik der Magnetresonanz, mit der Forscher in Los Alamos bereits
2000 einen funktionsfähigen Quantencomputer mit 7 Bit realisierten, nahezu ausgereizt. Dennoch ist
es seit dem um das Thema Quantencomputer und seine Auswirkungen auf die IT-Sicherheit ruhig
geworden. Besteht also ein Grund zur Entwarnung? Das Einstein-Jahr soll Anlass für eine
Retrospektive geben.

Woher kommt eigentlich die Angst vor dem Quantencomputer? Lange Zeit galt das RSA-Verfahren als
sicher. In vielen mathematischen Publikationen wurde aufgezeigt, dass das Brechen dieses
Algorithmus gleichbedeutend ist mit der Zerlegung einer Zahl in ihre Primfaktoren – einem
mathematischen Problem, für das die Gelehrten seit Jahrhunderten nach einer effizienten Lösung
suchen. Umso mehr überraschte Peter Shor 1994 die wissenschaftliche Gemeinde, als er einen
effizienten Algorithmus für dieses Problem vorstellte, der auf einem Rechner laufen würde, wie ihn
der Nobelpreisträger Richard Feynman 1982 hypothetisch beschrieb. Das Schlüsselelement dieses
Algorithmus stellt ein Register aus einer Zahl N so genannter Q-Bits dar, das gleichzeitig alle 2N
Zahlen, die mit einem Register dieser Länge dargestellt werden können, repräsentieren kann. Ein
stupider Algorithmus, der der Reihe nach alle Zahlen vom Wert 0 bis zum Wert 2N-1 durchprobiert, um
ein gewünschtes Ergebnis zu finden, kann dadurch plötzlich zeiteffizient ausgeführt werden. Das
Interesse der Experimentalphysiker an der Entwicklung der Basiskomponenten für einen
Quantencomputer war damit geweckt, und die ersten Erfolge – in Form der Erfolge aus Los Alamos und
Innsbruck – ließen nicht lange auf sich warten. Seit dem hat der Quantencomputer in der Presse
jedoch keine großen Schlagzeilen mehr gemacht.

Hohe technische Anforderungen

Die Wissenschaft glaubt sich dennoch auf dem richtigen Weg. Zwar sind die technischen
Anforderungen enorm, aber es gibt keine prinzipiellen Schranken, und auf dem neuen Feld der
experimentellen Quantenphysik sind noch viele Überraschungen zu erwarten. Viele Experten sehen es
als realistisch an, dass in 40 bis 50 Jahren Quantencomputer fester Bestandteil der
Informationstechnik sind.

Zumindest die staatlichen Geheimschützer werden bei diesen Zeiträumen bereits hellhörig, sollen
doch die von ihnen gesammelten oder ihnen anvertrauten Informationen 30 bis 40 Jahre lang gegen
jede unberechtigte Entschlüsselung gefeit sein.

Quantenkryptographie als Ausweg?

Die Datenkommunikation ist heute ein unverzichtbares Mittel in der Gesellschaft und der
Wirtschaft. Auch die Sicherheit übertragener Informationen, also die Gewährleistung von
Vertraulichkeit und Authentizität der Daten, wird immer wichtiger. Die großen Konzerne sorgen sich
vor Wirtschaftsspionage, den Einzelnen verunsichern Meldungen über kompromittierte
Homebanking-Systeme.

Erfreulicherweise bietet die Quantenphysik auch eine völlig neuartige Methode der sicheren
Übertragung von Daten. Nutzt man quantenmechanische Eigenschaften von Photonen aus, die durch eine
Glasfaser oder die Luft übertragen werden, lassen sich Informationen nachweisbar sicher übertragen.
Dabei wird der physikalische Effekt ausgenutzt, dass die Messung an einem Photon Spuren
hinterlässt, die einen eventuellen Mithörer verraten würden (siehe nachfolgenden Artikel: "Perfekt
abhörsicher"). Auf diese Weise geschützt hat zum Beispiel Professor Zeilinger von der Universität
Wien 2004 eine Banküberweisung in Zusammenarbeit mit der Bank Austria übertragen.

Auch ohne Glasfaser

Auch ohne Glasfaser kann Quantenkryptografie eingesetzt werden. Professor Weinfurter von der
Universität München hat dazu bereits im Jahr 2002 eine zehn Kilometer lange Referenzstrecke
zwischen Zugspitze und Karwendel in Betrieb genommen.

In dem von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekt SECOQC haben sich führende
europäische Institute zusammengefunden um diese Technik weiter auszureifen. Interessierte
Unternehmen können auf der Internetseite www. de.ey.com/quantumcryptography einen Fragebogen
ausfüllen, um die Physiker bei der Gestaltung zukünftiger Sicherheitsprodukte zu unterstützen.


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