Selbstheilende vermaschte Netzwerke

New York, Rio, Tokio…

17. September 2008, 22:00 Uhr | Roman Larisch/wj Roman Larisch ist Director Engineering bei Ciena.

Die moderne Realität globalen Datentransfers setzt Konnektivität an jedem Ort voraus. Geschäftsleute verlangen jederzeit zuver- lässige Verbindungen zum Internet und zu ihren Unternehmens- ressourcen. Wie aber stellen Netzbetreiber einen reibungslosen Betrieb ohne Ausfälle sicher? Selbstheilende vermaschte Netz- werke sind eine Option.

Netzbetreiber dehnen ihre globalen optischen Netzwerke immer weiter aus und binden auch unbedeutendere Orte mit Hochgeschwindigkeitsleitungen an ihr Netzwerk an, um Verbindungen für sensible Anwendungen von Unternehmen und Regierungsbehörden, aber auch typische Endverbraucherzugriffe zu ermöglichen. Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sind daher zentrale Eigenschaften eines Netzwerks. Sind diese beiden Merkmale nicht in ausreichendem Maße gegeben, wirkt sich das schnell nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit der Netzbetreiber aus, wenn beispielsweise Service Level Agreements (SLAs) nicht eingehalten werden können. Aus diesem Grund ist "Carrier Grade" mittlerweile zu einer Mindestanforderung für globale Netzwerke geworden. Dennoch ist die Zuverlässigkeit solcher Netzwerke schnell durch Zwischenfälle wie beispielsweise Baggerschäden und bei submarinen Netzen durch Ankerschäden oder durch Naturkatastrophen in Gefahr. So waren Anfang 2008 etwa 70 Prozent des Internet-Traffics zwischen Europa und Asien für fast zwei Wochen unterbrochen, da drei Unterseekabel im Mittelmeer und im Persischen Golf durchtrennt waren. Zwei weitere Zwischenfälle folgten zwei Wochen später.

Da Unterseekabel mittlerweile etwa 95 Prozent des weltweiten Telefon- und Internetverkehrs übertragen, können solche Zwischenfälle verheerende wirtschaftliche Folgen haben. Bereits ein paar Sekunden Unterbrechung können beispielsweise bei großen Finanzinstituten, die Transaktionen auf den Weltmärkten durchführen, Verluste in Höhe von Millionen Euro verursachen.

Zuverlässige globale Telekommunikationsinfrastrukturen, die niedrige Latenz und eine nahezu hundertprozentige Verfügbarkeit besonders im Fall einer Katastrophe sicherstellen, sind kein Luxus, sondern für große Organisationen überlebenswichtig. Um dies gewährleisten zu können, verlassen sich mehr und mehr Betreiber auf selbstheilende und voll vermaschte Netzwerke mit auf Steuerungsebenen basierter Automatisierung, um Kosten reduzieren, neue Dienste anbieten und die Widerstandsfähigkeit des Netzwerks verbessern zu können.

Steuerungsebenen in vermaschten Netzwerken

Voll vermaschte Netzwerke ermöglichen die Verbindung von einem Knotenpunkt zu jedem anderen Knotenpunkt. Dies bringt eine große Komplexität mit sich. Eine intelligente Überwachungsebene ist daher ein zentraler und unverzichtbarer Bestandteil eines voll automatisierten und überlebensfähigen vermaschten optischen Netzwerks. Es handelt sich hierbei um eine Software, die alle konfigurierbaren Features eines Netzwerkelements oder eines kompletten Netzwerks innerhalb spezifizierter Parameter kontrolliert. Sie bietet einfache Konfiguration, Aktivierung und Deaktivierung von einzelnen Pfaden bis hin zu einem kompletten Übertragungsweg, aus denen sich das Netzwerk zusammensetzt. Diese softwarebasierte Automatisierung hilft dabei, die Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit zu verbessern sowie die Kosten zu optimieren.

Die verfügbaren Pfade und Ports werden automatisch erkannt und entsprechend der ausgerollten Dienste innerhalb des Netzwerks verbunden. Auf diese Weise kann ein so strukturiertes automatisiertes optisches Netzwerk auch bei einem Ausfall größeren Ausmaßes in weniger als 50 ms wieder hergestellt werden, also in derselben Zeit wie ein SDH-basiertes Netzwerk, ohne dass manuelle Eingriffe nötig sind.

Die Funktionsweise einer intelligenten Steuerungsebene

Während eines katastrophenbedingten Ausfalls startet ein Netzwerk üblicherweise eine Sequenz von Abläufen, um seine Dienste wiederherzustellen, wobei eine intelligente Steuerungsebene dafür sorgt, dass die Wiederherstellungsparameter der individuellen Pfade berücksichtigt werden. Durch diese flexible Verfahrensweise bestehen ein Schutz des Netzwerks auf der Makroebene, ein granularer Schutz der einzelnen Circuits sowie vorgegebene Wiederherstellungsrouten. Wenn Mesh-Restoration unabhängig von den zugrunde liegenden linearen und Ring-Topologien arbeitet, entsteht eine Schutzhierarchie für Ende-zu-Ende-Verbindungen auf mehreren Ebenen. So kann auch die Wiederherstellung von Unterseeverbindungen optimiert werden, indem der Leitweg mit der geringsten Latenz identifiziert wird. Auf diese Weise lassen sich submarine und terrestrische Netzwerke schnell wiederherstellen.

Reduktion manuell ausgeführter Aufgaben

Indem Funktionen des Netzwerkbetriebs wie Dienstebereitstellung und -aktivierung, Bestandsaufnahme der Geräte sowie Topologie-Updates mithilfe einer intelligenten Steuerungsebene automatisiert werden, können Service-Provider manuell ausgeführte Arbeiten reduzieren und schneller auf Anfragen nach neuen Services oder Änderungen reagieren. Darüber hinaus kann dieses Verfahren Störungen und Fehler deutlich reduzieren. Die automatisierte Nutzung und Zuweisung von Netzwerk-Ressourcen sowie die Fähigkeit, Netzwerkausrüstung in Echtzeit zu verwalten, verkürzt die Zeit, in der Dienste bereitgestellt oder geändert werden können, von Monaten auf Minuten. Für die Service-Provider verringert sich so auch die Zeit, bis sie mit einem Dienst Gewinn machen. Analysen zeigen deutliche wirtschaftliche Vorteile für globale Netzwerke auf, die intelligente Steuerungsebenen nutzen: Die Investitionskosten (CAPEX) können bis zu 70 Prozent, die Betriebskosten (OPEX) bis zu 85 Prozent gesenkt werden, während gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Netzwerke erhöht wird.

Hohe Zuverlässigkeit durch schnellere Wiederherstellung

Der weltweite Transfer oft sensibler Daten erfordert die gleiche Robustheit und Zuverlässigkeit sowohl in submarinen wie auch in terrestrischen Netzwerken. Der Mangel an ausreichenden und vielfältigen Leitwegen stellt eine einzigartige Herausforderung bei der Architektur eines submarinen Netzwerks dar. Traditionelle Ring-Topologien sind darauf ausgelegt, den Betrieb des Netzwerkes im Falle eines einzelnen Ausfalls schnell wieder herzustellen. Problematisch ist hier die durchschnittliche Reparaturzeit ("Mean Time To Repair", MTTR), die in submarinen Netzwerken Wochen betragen kann. Dies führt dazu, dass während der Reparatur ein kompletter Ring ungeschützt ist. Ein zweiter Zwischenfall zur gleichen Zeit hätte einen kompletten Serviceausfall zur Folge.

Vermaschte Architekturen rekonfigurieren das Netzwerk automatisch und ohne manuelle Intervention, um Dienstausfälle während der Reparatur zu verhindern. Die intelligente Steuerungsebene bietet verschiedene Ebenen der Wiederherstellung sowohl auf der Netzwerk- als auch auf der Pfadebene. Sie kann vielfältige Wiederherstellungsmodelle bis hinunter zu einzelnen Diensten erstellen - sogar, wenn sie mit Wiederherstellungsabläufen auf dem Service-Level überlagert werden. Diese Integration ermöglicht die Wiederherstellung von Diensten in Sekundenbruchteilen auch in voll vermaschten Netzwerken. Ein weiterer Vorteil dieser Architektur ist die Aggregation der Verbindungen, durch die multiple Verbindungen zwischen zwei Knotenpunkten wie eine einzelne Verbindung verwaltet werden können. Dies vereinfacht und beschleunigt die Wiederherstellung, was die Überlebensfähigkeit des Netzwerks deutlich erhöht. Insgesamt maximiert diese Technik die Zuverlässigkeit eines Netzwerks und stellt so eine hohe Kundenzufriedenheit und einen kontinuierlichen Ertrag sicher.

Die Globalisierung erfordert überlebensfähige Netzwerke. Gleich, ob es sich um einen VoIP-Anruf handelt oder ob ein Wall-Street-Unternehmen eine millionenschwere Transaktion mit einem Land wie China durchführt - die Abhängigkeit von Kommunikationssnetzwerken wird in allen Bereichen der Wirtschaft immer höher und die Zuverlässigkeit der Netze ist ein immer wichtigeres Leistungsmerkmal. Netzbetreiber müssen sich auf globale Infrastrukturen verlassen können, um auch im Katastrophenfall renditeträchtige Dienste wie etwa globale Sprach- und Datendienste mglichst unterbrechungsfrei aufrechterhalten zu können.

Fazit

Mit einer intelligenten Steuerungsebene im Netzwerk können Betreiber erfolgreich neue Dienste skalieren, die Beteriebskosten senken und einzelne, mehrfache oder gar durch Naturkatastrophen ausgelöste umfangreiche Ausfälle überstehen. Organisationen, die widerstandsfähige und damit anerkannt zuverlässige optische Netze implementieren, können höhere Margen für ihre Dienste erzielen, Investitions- und Betriebskosten senken und ihre Kunden zufriedenstellen. Die erwiesene Robustheit vermaschter Netzwerke hat Betreiber globaler Netze dazu bewogen, entsprechende Architekturen auch in ihren transatlantischen, transpazifischen und regionalen submarinen Netzen zu nutzen.


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