Digitale Kommunikation zielgerecht integrieren

Cloud organisiert Zusammenarbeit

4. Dezember 2017, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler

Nach wie vor haben viele Unternehmen den Schritt von der Kommunikation zur integrierten Kommunikation und Zusammenarbeit (Unified Communications and Collaboration, UCC) nicht vollzogen. Selbst jene, die in bester Absicht daran arbeiten, integrieren die Lösungen oft nur teilweise, wodurch deren Potenzial weitgehend ungenutzt bleibt. Cloud-Lösungen sind zwar kein Allheilmittel, bieten jedoch unbestreitbare Vorteile bei der Umsetzung von UCC.

Im Zeitalter der Digitalisierung hängt der Erfolg eines Unternehmens mehr denn je auch von Informationen ab. Gewonnen im Dialog spezieller Teams, die nicht selten global verteilt sind, führen sie in den Köpfen der Geschäftsentscheider idealerweise zu klugen Ideen und Maßnahmen, um das Business rasch voranzubringen. Je besser die Erzeugung und Verteilung relevanter Informationen gelingt, desto stärker lassen sich die Produktivität der Wissensarbeiter und die Geschwindigkeit von Innovationen steigern. Der globale Wettbewerb zwingt Unternehmen aller Größenordnungen hier zur raschen Optimierung.

Der Schlüssel dazu liegt einerseits in der Kommunikation der Mitarbeiter, andererseits aber auch zwischen Mitarbeitern mit Partnern und Kunden. Der Markt bietet inzwischen eine Flut von Tools, die Unternehmen dabei unterstützen sollen. Von ausgefeilten Internet-Telefonielösungen über Instant-Messaging-Systeme und umfangreiche Möglichkeiten, Dokumente gemeinsam zu betrachten, zu bearbeiten und mit einer konsistenten Versionsnummer zu speichern, bis hin zu umfangreichen Audio- und Videokonferenzen. Bei den Endgeräten gibt es bei modernen Tools kaum noch Einschränkungen: Laptop, Tablet und Smartphone werden fast durchgängig unterstützt.

Neuer Typ Arbeitsplatz

Mit diesem Rüstzeug wandeln sich UCC-Lösungen zur strategischen Allzweckwaffe, mit der sich Entscheidungen schneller treffen, Geschäftsprozesse optimieren, die Produktivität der Belegschaft steigern sowie die Zeiten für die Markteinführung neuer Produkte verkürzen und Reisekosten minimieren lassen. Hinzu kommen noch wichtige Nebeneffekte wie die Unterstützung einer modernen Arbeitsplatzgestaltung. "Die Zeiten, in denen Angestellte ihren festen Platz im Büro hatten, gehören mehr und mehr der Vergangenheit an", so Thomas Muhr, Regional Manager DACH/NL bei ShoreTel. "Remote Work, BYOD, Desktop-Sharing - am Arbeitsplatz der Zukunft können Mitarbeiter ihre Arbeit auch von unterwegs aus erledigen. Egal, ob sich Angestellte im Homeoffice befinden oder am Flughafen schnell ein paar E-Mails beantworten möchten: Mit dem richtigen UC-System haben sie ihr Büro immer dabei und können bequem auf ihre Dokumente zugreifen oder sich mit Kollegen per Instant Messaging austauschen."

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Der deutsche Markt für UCC-Cloud-Anbieter nach einer Untersuchung von ISG/Experton Group ("ISG Provider Lens 2017 Germany - Cloud Transformation/Operation Services & XaaS"). Bild: ISG/Experton Group

Laut einer Studie von Crisp Research soll der feste Arbeitsplatz sogar langsam weitgehend aussterben. Über 40 Prozent der Entscheider in Unternehmen der DACH-Region gehen demnach von einem stetigen Rückgang starrer Arbeitsplatzkonzepte aus. Mobile Arbeitsplätze und innovative Arbeitsplatzkonzepte wie zum Beispiel Co-Working sollen auf dem Vormarsch sein. Diesen Trend müssen nachhaltige UCC-Lösungen unterstützen.

Allzu oft bleiben diese an die Einführung einer UCC-Lösung geknüpften Ziele zu großen Teilen auf der Strecke. Im Rahmen von UCC-Projekten sollten zwar alle Kommunikationsformen und Collaborations-Tools wunderbar integriert sein - die Praxis sieht aber eben häufig ganz anders aus. Teils kommen UCC-Lösungen aus einer spezialisierten Ecke und bieten in den Bereichen ihrer Expansion wenig Überzeugendes, teils sind die Lösungen zwar vom Ansatz her gut brauchbar, jedoch fehlt Unternehmen das nötige Budget für eine wirklich auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnittene Implementation und Integration. Nicht selten nutzen Organisationen einen historisch gewachsenen Mix aus Teillösungen unterschiedlicher Hersteller für ihre Kommunikations- und Kooperationsaufgaben. Ironischerweise geschieht das oft sogar parallel zu einer bereits eingerichteten UCC-Lösung. Solche Organisationen sind nicht nur weit davon entfernt, die Potenziale einer aufeinander abgestimmten Gesamtlösung auszuschöpfen - sie erhöhen darüber hinaus die Komplexität, die mit jedem weiteren System in die IT einzieht. Unter dem Strich bleibt in all diesen Fällen der Nutzen für die Investition in eine UCC-Lösung äußerst fragwürdig.

UCC aus der Cloud

Vor diesem Hintergrund haben Cloud-basierte UCC-Plattformen (UC as a Service; UCaaS) stark an Fahrt aufgenommen. Sie entbinden zwar die Unternehmen nicht von der Aufgabe, ein möglichst konkretes Konzept für den geplanten Zweck und die Ziele einer Lösung zu entwickeln, doch bieten sie in vielen Fällen aus dem Stand einen höheren Integrationslevel als On-Premise-Lösungen. Grund ist, dass die meisten Anbieter bei der Gestaltung ihrer Cloud-Angebote großes Augenmerk darauf legen, möglichst alle unterstützten Kommunikationsdienste durchgängig in einer einheitlichen Anwendungsumgebung zu integrieren. Und für Anpassungen, Management und Kontrolle stehen in der Regel sehr einfach zu bedienende, Web-basierte Tools zur Verfügung. Ein wichtiges Argument für eine UCC-Lösung aus der Cloud ist die flexible Skalierbarkeit in fast beliebigen Dimensionen. Technisch ist das fast überall gegeben. Inwieweit und in welchen Losgrößen das für den Kunden umgesetzt wird, ist Sache des Marketings bei den einzelnen Anbietern.

Hinzu kommen die generellen Vorteile, die eine Cloud-Lösung gegenüber einer selbst im eigenen Rechenzentrum betriebenen UCC-Installation hat: neue Möglichkeiten der Kommunikation und Zusammenarbeit, keine Investitionskosten und die Umwandlung von Kapital- in Betriebskosten. Das sind zumindest die Punkte, die eine kürzlich erschienene Studie des Analystenhauses ISG/Experton für den UCaaS-Markt in Deutschland aufführt. Selbst Anbieter, die ursprünglich ausschließlich eine Telefonanlage aus der Cloud (IP-Centrex) anboten, sind der Studie zufolge inzwischen mit integrierten Kommunikationslösungen am Markt.

Als eines der populärsten Beispiele nennt der Report Placetel, die neben Telefonie und der UC-Plattform UC-One mit Team-One nun auch eine Integration mit sozialen Medien anbietet. Damit schaffte es der Anbieter in der Studie in den Quadranten der Anführer, an dessen Spitze die großen TK-Provider Deutsche Telekom, Vodafone und BT stehen. Ein wenig abgeschlagen haben es ansonsten nur noch Microsoft, NFon und Cisco in das begehrte Führungssegment geschafft. Das Bild könnte sich jedoch schon sehr bald ändern. Placetel gehört nämlich zu Broadsoft, das bald zu Cisco gehören soll. Ende Oktober hat der Netzwerkriese zumindest angekündigt, das auf globalem Parkett zu den führenden UC-Anbietern gehörende Unternehmen für rund 1,9 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen.

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Mit seinem kostenlosen Collaboration-Tool Spark schlägt Cisco eine Brücke zwischen UCC und Social Media. Bild: Cisco

Der seit Anfang 2016 zur französischen Atos gehörende UC-Anbieter Unify hat mit den Nachfahren der seinerzeit bei Siemens Enterprise Communications entwickelten OpenScape-Angebote knapp den Leader-Quadranten verfehlt. Seit Juni hat Unify den neuen OpenScape-Cloud-Dienst im Programm. Er kombiniert im Grunde zwei bereits existierende Lösungen: Circuit für die Zusammenarbeit im Team und OpenScape Voice für unternehmensweite Sprachkommunikation. Die Lösungen sollen für den neuen Cloud-Service eng miteinander verknüpft und über eine integrierte App steuerbar sein. "Der Markt bewegt sich immer schneller in die Cloud und verlangt maßgeschneiderte, innovative Kommunikations-Tools, die über herkömmliche Voice- oder UC-Lösungen hinausgehen", bestätigt Elka Popova, Vice President Digital Transformation, Frost and Sullivan. "Nur so können Arbeitskräfte mobil und über verteilte Standorte hinweg nahtlos zusammenarbeiten."

Eine Reihe von bekannten Playern findet in der Studie keine Erwähnung, beispielsweise Alcatel Lucent Enterprise (ALE) oder auch Toplink. Dabei hat zum Beispiel ALE seinen teils kostenlosen Cloud-UCC-Dienst Rainbow erst Mitte des Jahres mit einer hochwertigen Audiokonferenzlösung aufgepeppt. Laut ALE können die Nutzer den durch eine Kooperation mit PGi realisierten Audiodienst GlobalMeet-Audio über die Rainbow-Oberfläche schnell und einfach aufsetzen - Hilfe von der IT-Abteilung sei dabei nicht erforderlich. Toplink kommt aus der Telefoniewelt. In Sachen UCC bietet der Provider seit einiger Zeit auch eine gehostete Version von Microsoft Skype for Business an.

Der Markt zeigt also eine hohe Dynamik, die sich auch in einem starken Wachstum ausdrückt. Die Unternehmensberatung Credence Research erwartet etwa, dass die weltweiten Umsätze mit UCC-Anwendungen bis zum Jahr 2022 auf rund 106 Milliarden Dollar steigen. Angeboten aus dem Bereich UCaaS soll dabei eine Schlüsselrolle zufallen. Die auf den deutschen Markt gerichtete ISG/Experton-Studie nennt keine absoluten Zahlen, kommt aber zu dem Ergebnis, dass der Markt für Cloud-basierte UC-Lösungen 2017 um fast 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen wird. Ein starker Treiber für den Umzug der Kommunikation in die Cloud sei demnach auch die endgültige ISDN-Abschaltung 2018. Die Umstellung auf All-IP sei für viele Unternehmen ein Anlass, die Gestaltung der technischen Kommunikation neu zu überdenken und die Cloud sei im Zuge der generell für alle ICT-Dienste stark gewachsenen Akzeptanz von Cloud-Services sehr hoch im Kurs.

Eine große Gefahr ist allerdings, dass Mitarbeiter einen über die Cloud bereitgestellten UCC-Service wiederum nur für Teilaufgaben nutzen und das bereits vorhandene Chaos vor Ort installierter Insellösungen lediglich um einen weiteren Baustein ergänzt wird. Experten empfehlen dringend, dieses "Worst-Case-Szenario" schon im Vorfeld durch die Schaffung klarer Kommunikationsstrukturen und Präsentationen beziehungsweise Schulungen der Mitarbeiter auszuschließen.

UCC meets Social Media

Die durch Anbieter wie Placetel/Broadsoft schon realisierte Integration von UCC und Social Media könnte einen Trend einläuten, der künftig weiter stark an Bedeutung gewinnt. Hintergrund ist einerseits wiederum die Neugestaltung des Arbeitsplatzes, die durch die Einbeziehung von Orten aus Heim und Hobby oft automatisch mit einer stärkeren Verschmelzung mit dem Privatleben einhergeht. Andererseits generieren und verteilen soziale Medien Content, der mindestens zum Teil auch für Unternehmen sehr interessant ist, über klassische UCC-Kanäle jedoch nicht greifbar ist. Diese Idee hatte etwa Cisco bereits vor der Übernahme von Broadsoft, schließlich geht das Social-Media-Tool Spark genau in diese Richtung. Technologisch gesehen sind Social-Media-Kanäle ohnehin nichts anderes als für bestimmte private und berufliche Belange spezialisierte UCC-Lösungen. Fast alles, was die Social-Media-Welt so variantenreich und spannend macht, stammt aus dem Umfeld der UCC-Technologien - von den Präsenzfunktionen und Verzeichnisdiensten über die Audio- und Videokommunikation bis hin zu Instant Messaging und Chat.

Ob eine inhaltliche Integration von UCC und Social Media sinnvoll ist, darüber scheiden sich derzeit noch die Geister. Am einfachsten ist es sicher bei Social-Media-Kanälen, die ohnehin entweder primär oder zumindest sehr stark auch für berufliche Zwecke genutzt werden, etwa Xing, LinkedIn oder Twitter. Hier könnte eine geeignete Kopplung von UCC und Social Media beispielsweise dabei helfen, geeignete Mitarbeiter zu finden. Nicht ganz so einfach erschließt sich der Nutzen einer solchen Kopplung mit intensiv für private Belange genutzten Medien wie etwa Facebook. Vorkämpfer der UCC/Social-Media-Integration reklamieren hier gerne die Möglichkeit der Feedback-Sammlung und der kontextbasierten Kundengewinnung beziehungsweise -ansprache. In kontextbezogenen Aktionen läge offensichtlich auch generell das größte Potenzial.

Was genau hier noch an Symbiose möglich ist, zeigt sich in den kommenden Monaten und Jahren. Der Weg ist jedenfalls vorgegeben. Social-Media-Nutzer sollten sich jedoch schon jetzt noch genauer als bisher überlegen, wie sie sich auf welcher Plattform präsentieren und wie sie den Schutz ihrer Privatsphäre weiter optimieren. Denn eines ist sicher: Der Big Boss hört künftig noch genauer hin.


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