Diktiersoftware nach wie vor mit Tücken

Glosse: Nach Diktat vergreist – von Diktatoren und Drachentötern

14. Juni 2011, 6:31 Uhr | LANline/Dr. Wilhelm Greiner

Menschen, die Gebrauchsgegenstände mit Namen belegen, waren mir schon immer ein wenig suspekt. Irgendwie wollte es mir nie einleuchten, warum jemand seinen VW Käfer "Herbie" nennen sollte oder seine Waschmaschine "Clementine". Solche Mitbürger schienen mir stets in einer Art Traumwelt zu leben, wie etwa der kleine Calvin, der in der Cartoon-Serie "Calvin & Hobbes" seinen Plüschtiger mit unbändiger Fantasie zum Eigenleben als scharfkrallig philosophierendes Alter Ego erweckt hat.

Doch offenbar ist es ein Naturbedürfnis des Menschen, Dinge mit Namen zu belegen. Nicht nur nennen IT-Administratoren ihre Server „HAL“ (ausgerechnet!), „Mittelerde“ oder „Deep Throat“. Vielmehr blicken wir zurück auf eine Weltgeschichte voller Abenteurer und Eroberer, die um die halbe Welt reisten, um neue Länder und gar Kontinente mit Namen versehen zu können – auch wenn die Weltreisenden häufig bei nur moderat originellen Bezeichnungen wie New York, New England oder gar New Brunswick – englisch für „Neu-Braunschweig“ – landeten.

Und so habe nun auch ich mich diesem menschlichen Grundbedürfnis hingegeben und meine neue Diktiersoftware Nuance Dragon Dictate mit einem Kosenamen belegt: Meine Diktiersoftware nenne ich liebevoll „Grisu“. Denn Grisu, der kleine Drache, war – die Älteren, aber jung Gebliebenen werden sich vielleicht erinnern – in den 1970er-Jahren der Held der gleichnamigen Zeichentrickfilmserie. Immer wieder äußerte der kleine grüne Drache mit Inbrunst seinen Lebenstraum: „Ich werde Feuerwehrmann!“ Doch leider kam ihm trotz allen Engagements bei der Ausübung seines Wunschberufs immer wieder in die Quere, dass er im Zustand großer Erregung stets Feuer spie.

Nicht unähnlich verhält sich mein kleiner Diktierdrache: Anfänglich war ich sehr beeindruckt, wie viele Wörter, Sätze und Redewendungen das brave Tier nach wenigen Trainingsminuten auf Anhieb versteht. Während Diktiersoftware sich vor einigen Jahren noch eher wie der Drache Jabberwocky aus dem gleichnamigen Terry-Gilliam-Film verhielt und damit selbst im friedfertigsten Anwender den Drachentöter weckte, gleicht mein Grisu eher einem gutmütigen, arbeitswilligen, aber letztlich doch immer um die entscheidende Nuance zu tapsigen Haustier: Eifrig apportiert es Wörter und Satzzeichen, die man ihm per Headset zuwirft, um dann aber letztlich doch immer wieder den Sinn des Satzes mit drachenhaftem Übereifer abzufackeln.

Und so habe mich schnell damit abgefunden, mit Grisu einen hilfsbereiten kleinen Apportierdrachen zu besitzen, der mir manche Arbeit abnimmt, aber mitunter den einen oder anderen Brandschaden hinterlässt, der manuelles Feuerlöschen erfordert. Zum großen Drachentöter werde ich damit sicher ebenso wenig wie zum „großen Diktator“.

Apropos „Der große Diktator“: Diesen genialen Charlie-Chaplin-Film sollte ich mir auch mal wieder ansehen – wenn Gromit mich lässt. Denn Sie müssen wissen: Gromit ist mein DVD-Player, und der hat manchmal auch seinen eigenen Kopf…

Grisu ist heute viel älter als in den 1970ern und braucht schon ein Hörgerät.

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