Trost und Rat von Dr. Wilhelm Greiner

Satire: Wie regle ich meinen digitalen Nachlass?

7. Mai 2015, 6:35 Uhr | LANline/Dr. Wilhelm Greiner

Eines Tages wird unsere Herzrate auf Null sinken, unsere Smartwatch wird dies auf Facebook posten, und einige unserer "Freunde" werden es "liken". Hier heißt es selbst für Ewigjunggebliebene mit Hipster-Bart, Zwölf-Zoll-Macbook und Longboard, rechtzeitig Vorsorge zu treffen.

Gadgets und Apps rücken uns immer näher auf den Pelz – genauer: auf das, was uns die Evolution mit ihrem skurrilen Sinn für Humor vom einstigen Primatenfell übrig gelassen hat. Waren die grün flimmernden Monitore unserer Altvorderen noch über lange kupferne Nabelschnüre mit wandschrankgroßen Apparaten im ferner Rechenzentrum verbunden, so daddelt heute schon jeder Dreijährige im Bettchen auf einem Ipad mit Prozessorpower, um die der altvordere DV-Leiter ihn „zu seiner Zeit“ beneidet hätte. Die etwas älteren Kinder tragen dann ständig ein Smartphone in der Hosentasche mit sich (um dessen Rechenpower die Altvorderen… etc. pp.), und die noch etwas älteren Kinder pilgern Macbook-, Iphone- und Ipad-bepackeselt zum nächsten Apple Store, damit eine Apple Watch (um deren Rechenpower… ach, egal!) sie handgelenks noch stärker an die Markenwelt ihrer Wahl fesseln kann.

Was aber, wenn unser Konsument eines Tages feststellt, dass für ihn die Apple Watch abgelaufen ist und er folglich aus dem Konsumentenleben scheiden muss? Wie macht er das? Gibt’s da eine App für?

Offenbar nicht. Noch nicht. (Achtung: Marktlücke!) Deshalb folgen hier präventiv und prophylaktisch ein paar Tips für alle erstmaligen Konsumentendasein-Beender:

1. Regeln Sie Ihren Nachlass rechtzeitig in einem Testament – und veröffentlichen Sie dieses als Wiki. Denn dies dürfte dem auf Wikipedia als „Wiki Wars“ bekannten besserwisserischen und/oder eigennützigen Reeditieren ganz neue Dimensionen gierigen Änderungseifers verleihen – ein Spaß für die ganze Familie.

2. Sobald das erste Herzstechen einsetzt oder der Raucherhusten gar nicht mehr abklingen will, holen Sie Ihre über Jahre angesammelten 23 Festplatten, 626 Disketten, 77 USB-Sticks und zwölf Speicherkarten vom Dachboden und laden Sie deren Inhalte in Ihren „Public“-Ordner auf Dropbox. So schaffen Sie eine bequeme Basis, um noch rechtzeitig vor Ihrem Ableben mit allen Betroffenen die Möglichkeiten einer datenschutzgerechten Entsorgung dieser Informationen zu diskutieren.

3. Bitten Sie einen Vertrauten, im Moment Ihres Ablebens einen weisen Sinnspruch in Ihrem Twitter-Feed zu posten. Damit wenigstens Ihr letzter Tweet keine hämische Bemerkung oder noch ein Link zu noch einem albernen Katzenvideo war.

4. Beauftragen Sie frühzeitig einen geeigneten Dienstleister damit, Ihre Facebook-Seite post mortem zu einer Online-Gedenkstätte umzugestalten. Zur Wahl stehen hier Optionen wie etwa ein letzter Eintrag „Komme gleich wieder“ (natürlich mit Zwinker-Emoji) oder das Ändern des Beziehungsstatus in „permanently complicated“.

5. Vergraben Sie einen Zettel mit Ihrem Online-Banking-Passwort an schwer zugänglicher Stelle und hinterlegen Sie auf dem Desktop eine Datei namens „Für meine Erben“ mit einer Anleitung, wie „finales Finanz-Geocaching“ funktioniert. Eine solche GPS-gestützte Schnitzeljagd kommt immer gut an, und wenn Sie schon nur einen lächerlichen Betrag hinterlassen, dann soll das Erben doch wenigstens Spaß machen. Am Ende der Anleitung bitte die bewährte Grußformel nicht vergessen: „Möge der am wenigsten Beschränkte aus meiner Sippschaft gewinnen!“

6. Erstellen Sie ausführliche Anweisungen, die Ihre Wünsche zu Trauerfeier, Bestattung und Grabstätte detailliert beschreiben. Nicht übersehen sollten Sie hierbei wesentliche Vorgaben wie zum Beispiel, dass die Inschrift auf Ihrem Grabstein im Stil des Vorspanns der Star-Wars-Filme zu gestalten ist, oder dass Sie – je nach Charakter – a) mit Ihrem Smartphone, b) Ihrer Spielekonsole oder c) Ihrem treuen Tamagotchi beerdigt werden möchten. Optimisten nehmen einen Selfie Stick mit in den Sarg und bestehen auf einer Grabstätte mit guter Mobilfunkabdeckung. Sich im Live-Action-Role-Playing-Outfit beisetzen zu lassen, sei es als Fantasy-Kriegerfürst oder viktorianischer Adliger, ist durchaus OK, eine Bestattung mit Google-Glass-Brille hingegen gilt als protzig.

7. Vergessen Sie nicht, Ihre Beerdigung filmen und auf Youtube posten zu lassen. Denn wenn Sie die Tipps eins bis sechs konsequent befolgt haben, sind Sie am Tag Ihrer Beisetzung garantiert so unbeliebt, dass ein filmischer Nachweis Ihres Ablebens Sie posthum zum Youtube-Star macht. Zu diesem Zeitpunkt haben Sie natürlich nichts mehr davon, aber zu Lebzeiten haben Sie nun die Gewissheit, selbst in unserer schnelllebigen Social-Media-Ära einst etwas Bleibendes zu hinterlassen. Und das ist doch ein gutes Gefühl.

Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, denn dann diskutieren wir die Frage: iCoffin, der Apple-Sarg mit Bewegungsmelder, Notruf-App und Itunes-Streaming für die Wartezeit bis zur Exhumierung – Must-Have für den Silver Surfer oder doch nur Geldschneiderei?

Facebooks Apple-Watch-App möchte Zugriff auf unsere Herzfrequenz erhalten. Das musste ja so kommen.

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