Professionelle Notfallkommunikation

WhatsApp ist keine Lösung

13. Mai 2020, 7:00 Uhr | Thomas Mayerhofer

Einsatzkräfte im Brand- und Katastrophenschutz sowie im Rettungsdienst müssen notfalls schnell und unkompliziert zu alarmieren sein. Die bisherigen Lösungen dafür haben ihre Tücken. Der Rückgriff auf Privatanwender-Services wie den Facebook-Messenger WhatsApp ist hier jedoch zweifelsfrei keine Alternative.

Für Rettungsdienst, Feuerwehr, THW oder andere Hilfsorganisationen ist im Notfall eine zuverlässige und schnelle Alarmierung ihrer Einsatzkräfte von entscheidender Bedeutung. Bisher werden Alarme meist über SMS, E-Mail, Pager, Funkmeldeempfänger - umgangssprachlich Piepser genannt - und Telefonsysteme abgesetzt. Diese Systeme bieten meist keine gute Empfangs- oder Lesebestätigung Deshalb kann es zu Unklarheiten kommen, wer einen Alarm schon erhalten oder gesehen hat. Auch eignen sie sich in der Regel nicht für schnelle Gruppen-Chats, die wiederum bei der Koordination von Teams in Krisensituationen eine entscheidende Rolle spielen. Zudem sind manche Systeme teuer in Anschaffung und Unterhalt und finden deshalb nicht für alle Einsatzkräfte, alle voran die Ehrenamtlichen, Verwendung.

Um das Problem der flächendeckenden Alarmierung trotzdem zu lösen, greifen die Organisationen mancherorts auf den kostenlosen Messenger WhatsApp zurück. Der beliebte Dienst ist sowieso auf fast jedem Smartphone installiert, zudem lassen sich einfach Gruppen erstellen, denen man fast beliebig viele Mitarbeiter hinzufügen kann. Auf diese Weise können Hilfsorganisationen ihr gesamtes Team mit einer einzigen Nachricht erreichen. Trotzdem ist es keine gute Idee, eine solche Lösung für die Alarmierung zu verwenden - weder aus funktionaler Sicht noch aus datenschutzrechtlichen Gründen.

Probleme durch WhatsApp

WhatsApp ist als "Superwanze" verrufen. Immerhin greift der Facebook-Dienst auf zweifelhafte Art und Weise persönliche Daten ab, die auf dem Smartphone gespeichert sind: Die App verschafft sich mit der Installation Zugriff auf Telefonnummern, Adressen und E-Mails - auch von Personen, die den Dienst gar nicht nutzen und dem Datenzugriff nie zugestimmt haben. Damit verstößt der Messenger auf ganzer Linie gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Neben dieser unzureichenden Einhaltung von Datenschutzstandards gerät WhatsApp immer wieder wegen Sicherheitslücken in die Schlagzeilen. In letzter Zeit sorgten einige Bugs für Aufregung: Durch eine mit Malware infizierte GIF-Datei konnten Fremde private Chats direkt mitlesen. Gleichzeitig listete die Microsoft-Suchmaschine Einladungs-Links zu WhatsApp-Gruppen-Chats in ihren Ergebnissen. Das heißt, eine kurze Eingabe in der Bing-Suchmaske reichte, um einer Gruppe beizutreten. Deren Mitglieder hatten allerdings keine Ahnung, dass ihre Zugänge offen für jedermann sind.

Das wohl prominenteste Beispiel: Angreifer haben Jeff Bezos? Smartphone per Video gehackt. In einem solchen Fall können sie die Kontrolle über das Gerät übernehmen, Datenmengen absaugen, Chat-Verläufe abgreifen, sich in Chats als legitimer Teilnehmer ausgeben und falsche Status-quo-Meldungen verbreiten.

Fremde im WhatsApp-Gruppen-Chat sind bei der Alarmierung von Einsatzkräften nicht erwünscht, immerhin handelt es sich um vertrauliche Informationen. Fakt ist, es gibt heutzutage bessere Alternativen: Moderne Alarmierungslösungen arbeiten geräteunabhängig und sind DSGVO-konform, ermöglichen eine Rückmeldung per Knopfdruck und damit eine sekundenschnelle Teilnahmebestätigung. Zugleich verbessern sie den Informationsaustausch und unterstützen so die Zentrale bei ihrer Einsatzplanung.

Schutz für vertrauliche Informationen

Ein Messenger für die Notfallalarmierung von Rettungskräften muss vor allem hundertprozentig sicher sein. Das heißt, die übertragene Daten werden auf dem Transportweg durchgängig ("End-to-End") verschlüsselt, die Chat-Verläufe sind ausschließlich auf den Endgeräten und nicht auf unbekannten Cloud-Servern gespeichert. Am besten werden alle Daten beispielsweise mittels Containertechnologie in einem abgeschotteten Bereich des Mobilgeräts abgelegt. Damit sind Informationen vor unbefugtem Zugriff auf dem Endgerät wirkungsvoll geschützt und externe Apps haben garantiert keine Möglichkeit der Datennutzung. Durch diese Abschottung kann ein Messenger auch für BYOD-Modelle (Bring Your Own Device, Nutzung von Privatgeräten für berufliche Zwecke) Verwendung finden - es ist also kein Problem, dass Rettungskräfte ihre privaten Smartphones für die Alarmierung verwenden. Datenhungrige Dienste wie WhatsApp können nicht auf die Kontakte innerhalb des Containers zugreifen. Auch andere privat eingesetzte Programme gehen leer aus, wenn sie den Versuch unternehmen, den Container zu knacken.

Eine End-to-End-Verschlüsselung bieten inzwischen zahlreiche Lösungen an, bei der verschlüsselten Ablage auf dem Gerät trennt sich allerdings die Spreu vom Weizen: Die Abschottung ist nur bei den wenigsten Messengern Standard.

Ein anderes Problem ist die eindeutige Identifikation des Gegenübers. Bei gängigen Diensten wie WhatsApp erfolgt die Teilnehmererkennung anhand der Telefonnummer. Dies ist zunächst einmal praktisch, weil man im Notfall sehr schnell eine große Anzahl an Menschen erreicht. Allerdings lässt sich nicht feststellen, wer sich letztendlich hinter einem hinterlegten Kontakt verbirgt. Telefonnummern können "wandern", gehören also plötzlich zu irgendjemand anderem, oder lassen den Anrufer ins Leere laufen. Der richtige Ansatz ist es deshalb, die Identifikation über ein eindeutiges Benutzerkonto zu realisieren, das unabhängig von der Telefonnummer ist. Gleichzeitig ist der Messenger dadurch geräteunabhängig, was die Flexibilität beim Einsatz erhöht.

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Eine professionelle Lösung für die Krisenkommunikation ermöglicht die effiziente, DSGVO-konforme Koordination von Einsatzkräften.Bild: Virtual Solution

Funktionalität moderner Alarmierungslösungen

Allgemein gilt: Eine Alarmierungslösung in Form eines Messengers muss intuitiv zu bedienen sein und Eins-zu-Eins- wie auch Gruppen-Chats ermöglichen. Gruppen-Chats, die auch einsatz-, themen- oder standortbezogen sein können, sorgen für eine effektive Koordination eines Teams oder Krisenstabs. Vorkonfigurierte Verteilerlisten machen zudem das Versenden von Alarmen an ausgewählte Mannschaften, Bereitschaftskräfte oder Regionen einfach und zielgenau. Entscheidend für schnelle Reaktionen ist zudem die Möglichkeit der bidirektionalen Kommunikation, also die Option direkter Rückmeldungen und einer Follow-up-Kommunikation.

In Situationen, in denen eine Rettungskraft nicht tippen kann und jede Sekunde zählt, sind wiederum Buttons sinnvoll. Mit deren Hilfe kann jeder mitteilen, ob er beispielsweise einsatzbereit ist oder gerade nicht zur Verfügung steht. Ähnlich der Totmanneinrichtung, mit der sich prüfen lässt, ob ein Mensch handlungsfähig ist, lassen sich mit modernen Messengern bei gefährlichen Einsätzen zudem regelmäßige Lebenszeichen absetzen. Ein direkter und zeitkritischer Informationsfluss ist dagegen sichergestellt, indem die Beteiligten wichtige digitale Inhalte und Dokumente wie Notfallmaßnahmen, Evakuierungspläne, Einsatzfotos oder technische Anleitungen über die Lösung austauschen können. Die Übertragung von Live-Standorten bei einem Großbrand oder Ähnlichem hilft dem Einsatzleiter darüber hinaus, jederzeit den Überblick über die eingesetzten Rettungskräfte zu behalten und so deren Sicherheit zu verbessern.

Durch die Anbindung von Drittsystemen und Diensten anderer Organisation via Schnittstellen lassen sich Nachrichten unabhängig vom verwendeten System automatisiert verschicken, was Reaktionszeiten verkürzt. Sind Polizei, Feuerwehr, THW und Rettungsdienst eng miteinander verzahnt, können Einsatzkräfte im Notfall auch Experten anderer Organisation mit an Bord holen. Genauso unabdingbar ist es, dass die Funktionen für Alarmierung und Krisenkommunikation geräteunabhängig sind, also auf Smartphone, Tablet und Desktop laufen, sodass wirklich jede Einsatzkraft - wo auch immer sie gerade ist oder welches Gerät sie dabei hat - erreichbar ist.

Komplettlösung macht Leitstellen effizienter

Aber erst die Einbettung des Messengers in eine Komplettlösung ermöglicht eine durchgängig sichere und effiziente Krisenkommunikation. Das umfasst Funktionen wie verschlüsselte E-Mails, einen gehärteten Internet-Browser für geschütztes Filesharing, Kalender und Aufgaben. Ein Wechsel zwischen den einzelnen Anwendungen, wie bei anderen Messenger-Apps verbreitet, ist bei einer Komplettlösung nicht erforderlich. So können die Benutzer per Knopfdruck beispielsweise einen Kalendertermin aus einer E-Mail mit mehreren Empfängern anlegen oder einen Chat zur schnellen Terminabstimmung eröffnen. Dazu kommen im Idealfall verschlüsselte Sprach- und Videoanrufe, die der Anwender ohne weitere Zwischenschritte aus dem Messenger heraus anstoßen kann.

Natürlich muss nicht jede einzelne Rettungskraft gerade bei einem BYOD-Gerät Zugriff auf sämtliche Funktionen haben. Für Ehrenamtliche beispielsweise reicht es, wenn sie über eine Stand-alone-Variante an die Komplettlösung angeschlossen sind. Heute arbeiten allerdings viele Bereitschaftsteams und Einsatzkräfte bei Notfällen oder in Krisensituationen entweder mit Piepsern, die auf die Alarmierung beschränkt sind, oder mit Funk für die reine Sprachkommunikation. Die Kombination aus Warnruf, Kurznachrichten, Datenübertragung sowie Telefongespräche und Videokonferenzen über einen einzigen Dienst sucht man dagegen vergeblich. Doch erst dies ermöglicht eine wirklich effiziente Krisenkommunikation.

Thomas Mayerhofer ist Consultant bei Virtual Solution in München, www.virtual-solution.com.


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